Konzeptionen Herr Rossi sucht das Glück

Die junge Generation wird Herrn Rossi, eine bekannte Zeichentrickfigur aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, wahrscheinlich nicht kennen. Herr Rossi führt ein tristes Leben als Arbeiter in einer Fischfabrik und bekommt von einer Fee eine Trillerpfeife geschenkt, mit der er durch Raum und Zeit reisen kann, sobald er hineinbläst.

Die junge Generation wird Herrn Rossi, eine bekannte Zeichentrickfigur aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, wahrscheinlich nicht kennen. Herr Rossi führt ein tristes Leben als Arbeiter in einer Fischfabrik und bekommt von einer Fee eine Trillerpfeife geschenkt, mit der er durch Raum und Zeit reisen kann, sobald er hineinbläst. In anderen Epochen und an anderen Orten soll er die Gelegenheit bekommen, sein Glück zu finden, kehrt aber immer wieder in seinen Alltag zurück, ohne sein Glück gefunden zu haben. Er ist Sinnbild für die erfolglose Suche des Menschen nach dem Glück.

Das Glück hat einen eigenen Forschungsbereich, die sogenannte Glücksforschung. Sie befasst sich mit der Frage, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit der Mensch sich als glücklich bezeichnen kann. Wann ist der Mensch, der von Natur aus nach Glück strebt, tatsächlich glücklich? Mit der Methode der Befragung, d. h. über die Selbsteinschätzung der Befragten, versucht man zu Erkenntnissen zu gelangen und dem Zustand des Glücks auf den Grund zu gehen. Wissenschaftlich lässt sich die Frage nach dem Glück wohl kaum beantworten, weil identische Bedingungen bei unterschiedlichen Menschen nicht zwingend bedeuten, dass diese sich in gleichem Maße glücklich oder unglücklich fühlen. Es gibt keine messbaren Daten für Glück.

Wie bedeutend das Thema Glück ist, zeigt sich auch am jährlich veröffentlichten „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen. Je höher ein Land in der Rangliste steht, desto glücklicher sollen dessen Bewohner sein. Die Frage nach dem Glück ist folglich auch politisch relevant, indem es als Maß für eine erfolgreiche Politik in einem Staat steht. Man könnte es aber genauso gut als Indikator für eine zerstörerische Kolonialpolitik sehen, denn jene Länder, in denen sich die Kolonialmächte breitgemacht haben, stehen ziemlich weit unten in der Rangliste. Neben Afghanistan, dem Jemen und Syrien findet man zahlreiche afrikanische Länder auf den letzten Plätzen. Man sollte sich in diesem Zusammenhang also nicht nur die Frage stellen, was die Bedingungen für Glück sind, sondern welche politischen Bedingungen dazu geführt haben, dass beispielsweise ein Land wie Zimbabwe das Schlusslicht im Bericht von 2018 bildet und ein Glücksdefizit aufweist.

Von welchen Bedingungen könnte das Glück des Menschen abhängen? Ist es der materielle Wohlstand, der den Menschen glücklich macht? Wenn dem so wäre, hätte ein beträchtlicher Teil der Menschheit keinerlei Aussicht auf Glück. Denkt man etwa an ein durch die Kolonialmächte arm gehaltenes Land wie den Jemen, dürfte kaum ein Jemenit glücklich sein. Wer arm ist, könnte vielleicht meinen, dass ihn eine Verbesserung seiner finanziellen Lage glücklich mache, aber die Realität zeigt, dass das Glück nicht durch Reichtum und Luxus gewährleistet wird. Es hat sich schon manch ein Millionär das Leben genommen, während sich Menschen auch ohne viel Besitz glücklich fühlen können. Die materielle Absicherung erleichtert zwar vieles im Leben und nimmt einem die eine oder andere Sorge, aber sie ist kein Garant für Glück. Reichtum gewährt nur flüchtige Glücksmomente, die nicht von Dauer sind, ohne dass sich ein Gefühl der Zufriedenheit im Leben einstellen muss.

Aber wie verhält es sich mit der Gesundheit? Liegt das Glück des Menschen in seiner Gesundheit und einer langen Lebenserwartung? Ist er im gesunden Zustand glücklich? Wer schwer erkrankt, wird sein Glück nicht am Materiellen festmachen, sondern an seinem gesundheitlichen Zustand. Er wird gesunde Menschen um ihre Gesundheit beneiden und sie für glücklich halten oder aber denken, dass sie ihr Glück nicht zu schätzen wüssten.Das hieße dann aber, dass Menschen, die keine Aussicht auf Genesung haben, auch keine Chance mehr auf Glück hätten. Chronisch krank hieße dann chronisch unglücklich. Wenn man dann noch bedenkt, dass der Mensch alt und gebrechlich wird und er im Alter körperlich und vielleicht auch geistig abbaut, könnte man schlussfolgern, dass das Glück im Laufe der Jahre im Rahmen eines natürlichen Prozesses abnimmt.

Könnte Freiheit ein Kriterium für Glück sein? Freiheit war einer von mehreren Faktoren, die für den „World Happiness Report 2018“ untersucht wurden. Stellt sich das Glück beim Menschen ein, wenn der westliche Freiheitsbegriff realisiert wird? Wenn das der Schlüssel zum Glück ist, dann sieht es für Menschen, die in einer Diktatur leben, schlecht aus, ein glückliches Leben zu führen, außer sie sind der Diktator. Heißt es dann im Umkehrschluss, dass Menschen, die in einer Demokratie leben, glücklich sind?Das Glück wäre dann nichts weiter als die Freiheit in der Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen. Aber auch da zeigt die Realität, dass diese Form der Freiheit nicht zu einem glücklichen Dasein führt.

Man könnte endlos darüber philosophieren, anhand welcher Kriterien man das Glück festmachen soll. Bei dieser Herangehensweise bleibt das Glück ein subjektives Empfinden, das sich aus äußeren Faktoren und persönlichen Erfahrungen ergibt. Für jeden Menschen wäre Glück etwas anderes. Der Mensch sucht aber das dauerhafte Glück, das nicht von äußeren Faktoren abhängt.

Nimmt man Abstand von einem relativen Glücksbegriff, dessen Grundlage Wohlstand, Gesundheit, Freiheit und Ähnliches sind, die der Mensch jederzeit verlieren kann oder in deren Genuss er nie kommen wird, gelangt man zu dem Glücksverständnis im Islam. Es bewegt sich mit Sicherheit jenseits der Vorstellungskraft eines Nichtmuslim, dass das Glück eines Menschen tatsächlich darin bestehen kann, die islamischen Gebote und Verbote einzuhalten und die Handlungen darauf abzustimmen, um damit das Wohlgefallen des Schöpfers zu erlangen.

Einen Menschen macht es natürlich nicht glücklich, göttliche Gesetze einzuhalten, wenn die Überzeugung fehlt, dass es einen Schöpfer gibt, der dem Menschen eine Lebensordnung gab, an die sich der Mensch halten muss. Für den Muslim bedeutet es aber Lohn im Jenseits, wodurch sich eine dauerhafte Zufriedenheit einstellt. So kann für einen Muslim der Verzicht auf das Materielle durchaus Glück bedeuten, indem er beispielsweise Zinsen ablehnt, da der Islam diese strikt verbietet. Er verzichtet auch gut und gerne auf das, was der Westen unter Freiheit versteht, ohne dass es sein Glücksgefühl schmälert, wenn Freiheit bedeutet, die islamischen Gesetze zu übertreten. Die Faktoren zur Erforschung des Glücks, wie etwa Wohlstand, Lebenserwartung oder Freiheit, spielen beim Muslim keine Rolle, weil er sein Glück nicht darüber definiert. Deshalb preist ein Muslim Allah (t), wenn er gefragt wird, wie es ihm geht, auch wenn er vielleicht arm oder krank ist und Sorgen ihn plagen. Das Fehlen von Freuden und Genüssen eines beschwerlichen Lebens hat keinen Einfluss auf das Glück eines Muslims, der das islamische Verständnis von Glück verinnerlicht hat. Dieses Glücksverständnis hindert ihn aber auch nicht daran, nach mehr Wohlstand zu streben, sondern zeigt ihm lediglich auf, dass das Glück nicht in der Befriedigung von Bedürfnissen liegt.

Der Mensch braucht weder die Trillerpfeife einer Fee noch irgendwelche wissenschaftlichen Studien über das Glück, sondern eigentlich nur seinen Verstand, um zunächst einmal die Grundlage seiner Lebensanschauung zu überdenken. Denn Glück ist ein Zustand der Zufriedenheit, der an die Überzeugung des Menschen geknüpft ist. Das erklärt auch, warum Menschen sich unter gleichen Bedingungen nicht gleichermaßen glücklich fühlen, da sie unterschiedliche Lebensanschauungen vertreten.