Konzeptionen Gottesfurcht (taqwā) – zwischen der Herrschaft des Islam und der Herrschaft der Dummdreisten

Allah (t) machte die Gottesfurcht (taqwā) zur Essenz dessen, was der Islam vom Muslim verlangt, und Er machte sie zu einem Schlüssel, um Sein Wohlgefallen und somit das Paradies zu erreichen.

Allah (t) machte die Gottesfurcht (taqwā) zur Essenz dessen, was der Islam vom Muslim verlangt, und Er machte sie zu einem Schlüssel, um Sein Wohlgefallen und somit das Paradies zu erreichen. Dieser Begriff wird daher im Koran in verschiedenen Kontexten immer wieder erwähnt, in denen Gottesfurcht (taqwā) als Grundlage von Moral, Anbetung, Beziehungen und Handel dient. Ibn Qaiyim al-Ǧauziya – möge Allah mit ihm barmherzig sein – sagte:

„Die Essenz von Gottesfurcht (taqwā) ist, Allah (t) aus Überzeugung zu gehorchen und Seine Befehle und Seine Verbote in der Hoffnung auf Seinen Lohn zu beachten. Er (der Mensch) tut also aufgrund der Überzeugung von Seiner Existenz (des Herrn der Welten) und von Seinem Versprechen das, was Er (t) von ihm verlangt. Er unterlässt die verbotenen Handlungen aus Überzeugung von der Existenz Desjenigen, Dem es gebührt die Handlungen zu verbieten, und, weil er (der Mensch) sich vor Seiner Warnung fürchtet.“

Wir haben im Gesandten Allahs (s) ein gutes Beispiel und in seinen Gefährten ein gutes Erbe. Sie fasteten, beteten, vollzogen die Pilgerfahrt (ḥaǧǧ), kämpften im ǧihād und geboten das Gute und prangerten das Schlechte an. Sie befolgten alle Gebote Allahs. Allah (t) sagt:

﴿قُلْ هَٰذِهِ سَبِيلِي أَدْعُو إِلَى اللَّهِ ۚ عَلَىٰ بَصِيرَةٍ أَنَا وَمَنِ اتَّبَعَنِي ۖ وَسُبْحَانَ اللَّهِ وَمَا أَنَا مِنَ الْمُشْرِكِينَ

Sag: Das ist mein Weg: Ich rufe zu Allah aufgrund eines sichtbaren Hinweises, ich und diejenigen, die mir folgen. Preis sei Allah! Und ich gehöre nicht zu den Götzendienern.[12:108]

Die Muslime waren lediglich einige wenige verwundbare Menschen, die zum Teil gefoltert und getötet wurden, nur um sie vom Islam abzuwenden, doch blieben sie standhaft und hielten das ein, was sie Allah versprochen hatten. So gewährte Allah ihnen eine große Gunst, als der Prophet (s) den Islamischen Staat gründete, der die Muslime beschützte, über ihr Territorium wachte und die islamische Botschaft in die gesamte Welt trug. Das ist die Güte, die die Muslime durch das Vorhandensein eines Staates erhielten, dessen Gesetzgebung einzig und allein auf den Islam zurückzuführen war – einschließlich der Durchführung der Grenzstrafen (ḥudūd) – sodass die Menschen in ihrer Existenz, in ihrem dīn, ihrem Verstand, ihrer Ehre und ihrem Wohlhaben abgesichert waren.

Das Kalifat sorgte für eine islamische Umgebung, erzeugte eine imanerfüllte Atmosphäre und hat den Einzelnen dazu veranlasst, Allah den Allmächtigen zu verehren und ihn zu fürchten, wie es Ihm gebührt. Ihm (Allah) muss gehorcht werden, während ungehorsames Verhalten nicht geduldet wird. Statt Ihn (t) zu vergessen sollte man Ihm häufig gedenken und statt Ihn zu leugnen sollte man Ihm häufig danken. Gottesfurcht (taqwā) wurde letztlich zu einem Merkmal der islamischen Gesellschaft, indem das islamische Recht vollständig angewandt wurde, da das Volk und die Regenten wussten, dass Allah (t) sie im Verborgenen und im Öffentlichen stets beobachtet. Dieses Verständnis war nicht nur auf den Monat Ramadan beschränkt.

Wir möchten an einige Ereignisse erinnern, die die Gottesfurcht (taqwā) der Gesellschaft, der Gelehrten und der Herrscher exemplarisch aufzeigen: Das erste Ereignis handelt von einer Mutter, die wollte, dass ihre Tochter Milch mit Wasser streckte, um durch den Verkauf dessen an Geld zu gelangen. Ihre Tochter erinnerte sie daran, dass der Führer der Muslime dies verboten hatte. Die Mutter sagte: „Wo ist der Führer der Muslime? Er sieht uns doch nicht.“ Die Tochter antwortete: „Wenn ʿUmar (r) uns nicht sehen kann, sieht uns aber der Herr von ʿUmar.“ Als ʿUmar bin al-Ḫaṭṭāb (r) dies hörte, verheiratete er sie ihrer Gottesfurcht (taqwā) wegen mit einem seiner Söhne.

Das zweite Ereignis an welches wir erinnern möchten ist das Folgende: ʿAbdallāh bin Dīnār reiste mit ʿUmar bin al-Ḫaṭṭāb (r) nach Mekka. Er berichtet: „Wir ruhten uns irgendwo auf der Reise aus, da stieg ein Hirte von einem Berg herab, und ʿUmar sagte zu ihm: ‚O Hirte, würdest du mir ein Schaf verkaufen?‘ Er antwortete: ‚Ich bin ein Mamluk (Sklave) und es gehört meinem Herrn.‘ ʿUmar sagte: ‚Wenn dein Meister dich fragt, sag ihm, dass ein Wolf sie gefressen hat.‘ Er sagte: ‚Und was ist mit Allah?‘ Dann fing ʿUmar (r) an zu weinen und kaufte den Sklaven frei.

Dies zeigt, wie wichtig es für den Staat ist, eine Umgebung zu schaffen, die die Gottesfurcht (taqwā – im Gesellschaftlichen Sinne) stetig aufrechterhält und verbessert, indem der Staat die Gerechten belohnt und sie dazu motiviert immer mehr gute Taten zu verrichten und sich vom Schlechten fernzuhalten. Er motiviert sie auch bei der Erfüllung der Pflichten Allahs wett zu eifern und die verbotenen Taten zu unterlassen. Heutzutage ist es für Muslime schwierig, die einfachsten Gottesdienste auszuführen, sie werden am Beten und Fasten gehindert und werden für ihre islamische Überzeugung selbst in ihren Häusern bekämpft. Schlimmer noch werden jene, die gottesfürchtig sind und sich weigern falsche Zeugnisse abzulegen, zu stehlen, zu bestechen, zu betrügen oder sich vom Verbotenen und den großen Sünden fernhalten, eingesperrt und sogar getötet…

Als drittes möchten wir an jene Worte erinnern, die al-Ḥasan al-Baṣrī an ʿUmar bin Hubaira – den wālī (Gouverneur) des Irak – richtete. So sagte er (r): „Das Anrecht, welches Allah (t) uns gegenüber hat, ist verbindlicher als das Anrecht, das der Führer der Gläubigen uns gegenüber hat. Allah der Allmächtige hat mehr Anrecht darauf, dass Ihm gegenüber gehorsam gezeigt wird, und wenn keine Gehorsamkeit gegenüber dem Geschöpf gezeigt wird, so ist das darauf zurückzuführen, dass man dem Schöpfer gegenüber ungehorsam ist. So vergleiche das Buch vom Führer der Gläubigen mit dem Buch Allahs des Allmächtigen; Wenn es dem Buch Allahs nicht widerspricht ist, dann handele danach, und wenn du feststellst, dass es dem Buch Allahs widerspricht; dann wirf es weg.“

Wo sind also die Gelehrten der Regenten heute und wo ist ihre Rechenschaftsforderung den Herrschern und Gouverneuren gegenüber? Wo ist ihre Standhaftigkeit gegenüber den Versuchungen, die ihnen angeboten werden? Wo sind sie, wenn man den folgenden Ausspruch des Propheten (s) hört:

«إِنَّ الْعُلَمَاءَ وَرَثَةُ الأَنْبِيَاءِ»

„Die Gelehrten sind die Erben der Propheten.“

Wann und wo geraten sie in Bedrängnis und in Schwierigkeiten, während die Menschen ihnen folgen und darauf warten, dass sie die Wahrheit sprechen? Wo finden wir jene Gelehrten, die den Worten Aḥmad ibn Ḥanbals gerecht werden, der zu seinem Onkel sprach: „O Onkel, wenn der Gelehrte die richtigen Antworten verheimlicht und der Unwissende unwissend ist, wie soll dann die Wahrheit ans Licht kommen?

Das vierte Ereignis, an welches wir erinnern möchten, handelt von dem Rat ʿAlī ibn Abī Tālibs an den Gouverneur von Ägypten, Mālik al-Aštar. Er befahl ihm Allah zu fürchten, den Gehorsam Allah (t) gegenüber zu bevorzugen und dem zu folgen, was Er uns in Seinem Buch (Koran) und in der Sunna verpflichtend anbefohlen hat. Ferner befahl er ihm, Allah (t), den Anbetungswürdigen, mit seinem Herzen, seiner Hand und seiner Zunge zu unterstützen.

Zuletzt möchten wir an den Kalifen al-Mustansir erinnern – möge Allah sich seiner erbarmen – der auf sein Vermögen blickte und sprach: „Werde ich leben, bis ich all dies ausgegeben habe?“ Er baute überall Straßen, Hotels, Brücken und baute darüber hinaus in jedem Ort Bagdads ein Gästehaus für die Armen, besonders im Monat Ramadan.

Heutzutage betrügen die Regenten der Umma die Muslime um ihren Reichtum, füllen damit die Kammern ihrer Paläste und lassen sich als Herrscher preisen. Sie erklären das Verbotene (ḥarām) für erlaubt (ḥalāl) und regieren nicht mit dem, was Allah (t) als Offenbarung herabgesandt hat. Sie kontrollieren das Leben der Leute und setzen sie dem Elend aus, während sie sie zwingen, sich ihnen zu unterwerfen.

Ein korrektes islamisches Überzeugungsfundament (ʿaqīda), Gottesfurcht (taqwā), Disziplin und Integrität – all diese Dinge resultieren aus der Wiedererrichtung des Islamischen Staates, der praktischen Umsetzung der islamischen Gesetze (aḥkām), sowie der Verbreitung der richtigen Konzeptionen durch den Staat. Der Staat wird die Gerechtigkeit etablieren, das Gute gebieten und jenen belohnen, der rechtschaffen ist. Ferner wird er jede Schlechtigkeit verbieten und den Muslim so dazu bewegen, den Befehlen Seines Herrn (t) unweigerlich zu folgen und sich von Seinen Verboten zu distanzieren. Auf diese Weise schafft der Islamische Staat eine Barriere zwischen dem Muslim und dem, was Allah (t) dem Muslim verboten hat. Diese Barriere wird nicht nur einen Monat im Jahr anhalten, sondern das ganze Jahr.

Gottesfurcht gehört zu jenen Eigenschaften, die Entschlossenheit und Standhaftigkeit fordern. Die Gottesfurcht ist zweifelsfrei mit dem Fundament eines Gebäudes vergleichbar: mangelt es dem Gebäude an einem soliden Fundament, wird es unvermeidlich zusammenbrechen. Auf gleiche Weise wird einem ein Mangel an Gottesfurcht den Weg ins Höllenfeuer ebnen. Dieser Ort ist wahrlich vom Elend erfüllt. So sprach Allah (t):

﴿أَفَمَنْ أَسَّسَ بُنْيَانَهُ عَلَىٰ تَقْوَىٰ مِنَ اللَّهِ وَرِضْوَانٍ خَيْرٌ أَم مَّنْ أَسَّسَ بُنْيَانَهُ عَلَىٰ شَفَا جُرُفٍ هَارٍ فَانْهَارَ بِهِ فِي نَارِ جَهَنَّمَ ۗ وَاللَّهُ لَا يَهْدِي الْقَوْمَ الظَّالِمِينَ

Ist derjenige, der seinen Bau auf Furcht vor Allah und (Sein) Wohlgefallen gegründet hat, besser oder der, der seinen Bau auf den Rand eines abstürzenden Hanges gegründet hat, so dass er mit ihm ins Feuer der Hölle abstürzt? Und Allah leitet das ungerechte Volk nicht recht.[9:109]

Der Prophet (s) befahl seiner Umma die Gottesfurcht an. Yaḥyā bin Abī al-Muṭāʿi sagte: „Ich hörte al-ʿIrbāḍ bin Sāriya sagen: ‚Eines Tages stand der Gesandte Allahs (s) aus unseren Reihen auf und hielt eine bewegende Rede, die unsere Herzen dahinschmelzen ließ und unsere Augen mit Tränen erfüllte. Es wurde zu ihm (s) gesagt: ‚O Gesandte Allahs! Es war als hättest du eine Abschiedsrede gehalten, so gebiete uns etwas!‘ Da sprach der Gesandte Allahs (s):

«عَلَيْكُمْ بِتَقْوَى اللَّهِ وَالسَّمْعِ وَالطَّاعَةِ وَإِنْ عَبْدًا حَبَشِيًّا وَسَتَرَوْنَ مِنْ بَعْدِي اخْتِلاَفًا شَدِيدًا فَعَلَيْكُمْ بِسُنَّتِي وَسُنَّةِ الْخُلَفَاءِ الرَّاشِدِينَ الْمَهْدِيِّينَ عَضُّوا عَلَيْهَا بِالنَّوَاجِذِ وَإِيَّاكُمْ وَالأُمُورَ الْمُحْدَثَاتِ فَإِنَّ كُلَّ بِدْعَةٍ ضَلاَلَةٌ»

,‚Ich fordere euch auf, Allah zu fürchten und zu hören und zu gehorchen, selbst dann, wenn euer Führer ein äthiopischer Sklave wäre. Nach meinem Ableben werdet ihr Zeugen eines großen Konflikts. Ich fordere euch auf meiner Sunna und dem Pfad der rechtgeleiteten Kalifen zu folgen, sowie hartnäckig an diesen (beiden) festzuhalten. Hütet euch vor Erneuerungen, denn jede Erneuerung leitet in die Irre.‘‘[Ibn Māǧa]

Nur wenn der Islam erneut an der Macht ist und Souveränität besitzt, wird die Gottesfurcht zu einem Konzept innerhalb des gesellschaftlichen Lebens werden und nicht nur auf den Gottesdienst beschränkt. Die praktische Anwendung des Islams kann nur durch die Muslime erfolgen, die einen Kalifen aufstellen, der Allah (t) fürchtet, Seine Gesetze über sie anwendet und der Umma erneut zu Ansehen und Stärke verhelfen wird. Der Staat wird die Herzen der Muslime sodann wieder mit Gottesfurcht erfüllen und sie zur Umsetzung der Gebote Allahs (t) auffordern, weil sich die Regenten an der Spitze dieses Staates vor dem Zorn Allahs (t) fürchten und auf Sein Wohlgefallen hinarbeiten.