Westliche Konzeptionen Die Methode, die Politik von Staaten und die weltpolitische Lage zu verstehen

ür Politiker, vor allem für die daʿwa-Träger unter ihnen, ist es unerlässlich, sowohl die Politik einzelner Staaten als auch die weltpolitische Lage auf korrekte Weise zu verstehen.

Für Politiker, vor allem für die daʿwa-Träger unter ihnen, ist es unerlässlich, sowohl die Politik einzelner Staaten als auch die weltpolitische Lage auf korrekte Weise zu verstehen. Denn ohne ein Begreifen und ohne ein Bewusstsein hinsichtlich der Politik von Staaten und der weltpolitischen Lage werden weder daʿwa-Träger noch muslimische Politiker noch Entscheidungsträger imstande sein, mit der daʿwa des Islam auch nur einen Schritt weiterzukommen. Mehr noch: Unzulänglichkeit im Verstehen beider Sachverhalte – die Politik einzelner Staaten und die weltpolitischen Lage – kann zur Unfähigkeit führen, den Islam selbst in der Umma zu bewahren. Daher gehören politische Tätigkeit und die Auseinandersetzung mit der Politik zu den maßgeblichen Tätigkeiten des daʿwa-Tragens unter den Muslimen. Die beiden Aspekte – Politik von Staaten und weltpolitische Lage – zu verstehen, gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen, um den Islam in die Welt tragen und die Umma und ihre Ideologie bewahren zu können.

Doch wie funktioniert das Verstehen der Politik eines jeden Staates einerseits und das der weltpolitischen Lage andererseits?

Um die Politik eines beliebigen Staates zu verstehen und zu begreifen – was dem Zweck dienen soll, Einfluss auf ihn zu nehmen bzw. sich vor dessen Einflussnahme auf das eigene Land oder die eigene Umma zu schützen -, muss zunächst der ideologische Typus dieses Staates bestimmt werden. Denn die Staaten dieser Welt werden, was deren Ideologie betrifft, in ideologische und nicht-ideologische Staaten unterteilt.

Um nun imstande zu sein, die Politik ideologischer Staaten zu verstehen, muss die Grundidee dieses Staates näher betrachtet werden, was wiederum bedeutet, einen genauen Blick auf die Philosophie zu werfen, die der Verfassung zugrunde liegt und die hinter den politischen Handlungen steckt. Denn angesichts der Tatsache, dass Verfassung und politische Handlungen des Staates durch diese Grundidee beeinflusst werden, wird diese Idee auch das eigentliche Überzeugungsfundament (ʿaqīda) dieses Staates sein. Dem Staat könnten zwar gewisse religiös-spirituelle Elemente zugrunde liegen, doch nehmen diese nicht im Entferntesten Einfluss auf das staatliche Handeln. Abgesehen davon, sind hier auch nicht die religiös-spirituellen Elemente gemeint, sondern vielmehr das Überzeugungsfundament, die ʿaqīda, die tatsächlich die Politik und die Handlungen der ideologischen Staaten prägt.

Weltweit existieren nicht mehr als drei ideologische Überzeugungsfundamente: die islamische, die kommunistische und die kapitalistische ʿaqīda. Die einzige ʿaqīda heute, die von manchen Staaten der Welt getragen wird, für die man wirbt und um deren Verbreitung man sich bemüht, ist die kapitalistische. Was die beiden anderen Überzeugungsfundamente anlangt, d. h. das islamische und das kommunistische, so werden sie von keinem Staat der Erde in ideologischer Form getragen, selbst wenn der eine oder andere Staat als kommunistisch bezeichnet wird und alle politisch-intellektuellen Indizien, die von den globalen Polit- und Denkfabriken stammen, die baldige Rückkehr der von einem islamischen Staat getragenen islamischen ʿaqīda prognostizieren. Doch das ist hier nicht das Thema und würde den Rahmen sprengen.

Zusammengefasst gilt: Will man die Politik eines Staates in unserer heutigen Welt verstehen, muss zuallererst bestimmt werden, ob dieser Staat ein kapitalistischer Staat ist oder nicht. Trägt der Staat die kapitalistische ʿaqīda (der Trennung von Staat und Religion), wirbt er für sie und strebt er nach deren Verbreitung in der Welt oder tut er das nicht? Wenn dem so ist, wird es einfach sein, die Politik dieses Staates zu erfassen, weil man die ʿaqīda ausmachen konnte, die maßgeblich die Politik dieses Staates beherrscht. Man wird demzufolge wissen, dass es sich um einen Staat handelt, der eine expansiv-kolonialistische Politik verfolgt, ein Staat also, der nach Kolonialisierung der Staaten und Völker strebt, nach Ausbeutung ihrer Ressourcen und nach ihrer Unterwerfung, um diese Staaten in Vasallen- oder zumindest in Satellitenstaaten zu verwandeln. Folglich wird es sich bei den Plänen dieser Staaten (die sich das kapitalistische Überzeugungsfundament angeeignet haben) um kolonialistische Pläne handeln, auch um das Interesse der Ideologie zu verwirklichen, die von diesen Staaten getragen wird. Somit stellen der Nutzen und das eigene Interesse die Basis für die Politik dieser Staaten dar. Sie bilden das grundlegende Kriterium bei der Festlegung der Pläne und der Wahl der entsprechenden Mittel, die allein dazu dienen, um dieses Interesse und diesen Nutzen zu verwirklichen. Das hat in der Folge zur direkten oder indirekten Kolonialisierung der Staaten und Völker in der Welt geführt.

Daher beginnt das Verstehen der ideologischen Staaten, die es heute auf der Welt gibt, bei der Erkenntnis, ob die Staaten kapitalistische Staaten sind oder nicht. Anders ausgedrückt: Haben die Staaten die kapitalistische ʿaqīda ihrem Handeln zugrunde gelegt oder nicht? Wenn dem so ist, hat sich der Betrachter den grundlegenden Maßstab zugelegt, um die Pläne und Stile dieser Staaten zu verstehen, sie zu enthüllen und davor zu warnen. Dann hat er auch das Instrument in der Hand, um sie wirkungslos zu machen. Er kann dann proaktiv vorgehen, um sich den Staaten entgegenzustellen oder sie zumindest zu schwächen.

Doch wenn es sich um nicht-kapitalistische Staaten handelt, wie erfolgt dann das Verstehen der Politik dieser Staaten?

Solche Staaten besitzen keine Grundidee oder kein vitales Überzeugungsfundament, das hinter der Politik dieser Staaten steht. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, direkt die Pläne und Stile dieser Staaten aufmerksam zu verfolgen, um deren Politik zu erfassen. Das Verfolgen der Pläne und Stile, mögen sie noch so umfangreich und vielfältig sein, ist kein mühseliges Unterfangen. Der Aktionsraum dieser Staaten ist meist lokal begrenzt, selten regionaler Natur und niemals von globaler Art.

Ein Beispiel für kapitalistische Staaten, die den Säkularismus als ʿaqīda ihres Handelns adaptiert haben, sind die Vereinigten Staaten.

Der Politiker muss zunächst einmal verstehen: Die USA ist ein kapitalistischer Staat, bedingt durch das säkular-kapitalistische Überzeugungsfundament, das er trägt. Es handelt sich um einen demokratischen Staat, dessen Verfassung auf den vier Freiheiten beruht. Dieser Staat betreibt eine durch und durch kolonialistische Außenpolitik.

Verfolgt man dann die außenpolitischen Handlungen dieses Staates, wird man erkennen, dass der Staat sich aus kolonialistisch-ideologischem Antrieb heraus bewegt mit dem Motiv, auszubeuten, die Kontrolle zu erlangen und sich hegemonial auszubreiten. Daher muss jede Handlung und jedes Verhalten als kolonialistisch motiviert gedeutet werden, mag sie noch so wohltätig und freundschaftlich gesinnt erscheinen. Es handelt sich um gute Taten, hinter denen eine böse Absicht steckt, was nichts anderes als Kolonialisierung bedeutet. Deshalb wird es einem politisch bewussten Beobachter nicht entgehen, dass die Hilfe und Unterstützung, die die kapitalistischen Staaten den restlichen Staaten und Völkern der Erde zukommen lassen, ebenso wie die internationalen Institutionen, Einrichtungen sowie die Menschenrechts- und Hilfsorganisationen etc… nichts anderes als Wegbereiter für eine kolonialistische Politik sind und die Vorboten für ein kommendes Übel. Sie sind der hübsche Vorhang, der die perfide Politik und wohldurchdachten Pläne verdeckt, um die Staaten und Völker zugrunde zu richten, die man zu kontrollieren beabsichtigt, deren Ressourcen man ausbeuten und die man kolonialisieren möchte.

Doch die Naivlinge und jene, die die wahren Fakten nicht verstehen, interpretieren diese Handlungen sowie die Politik und die Stile losgelöst von der übergeordneten ʿaqīda dieser Staaten, deren Wesen darin besteht, zu kolonialisieren sowie die Völker und Länder auszubeuten. Daher schlucken solche Menschen eine bittere Pille nach der anderen und kassieren einen Schlag nach dem anderen, ohne zu merken, dass das Problem in ihren Verständnissen liegt und nicht in der Politik ihres Feindes ihnen gegenüber. So sprach der Gesandte (s) Wahres, als er sagte:

«لَا يُلْدَغُ الْمُؤْمِنُ مِنْ جُحْرٍ وَاحِدٍ مَرَّتَيْنِ»

Ein Gläubiger wird nicht zweimal aus demselben Loch gebissen.

Beispiele für heutige nicht-kapitalistische Staaten (die den Säkularismus nicht als ʿaqīda tragen) sind alle Staaten der Dritten Welt, die an sich von anderen Staaten kolonial beherrscht werden. Deren Politik wird ihnen von ihren Schutzmächten vorgeschrieben, die Zügel der Herrschaft haben Sicherheits- oder Geheimdienstapparate in der Hand, die wiederum von den Schutzmächten ferngesteuert sind, um die Bevölkerung in Schach zu halten und einige regionale Interessen der entsprechenden Kolonialmächte zu verwirklichen.

Was allerdings das Begreifen der weltpolitischen Lage betrifft, so unterscheidet es sich komplett von der Art, die Politik der einzelnen Staaten zu verstehen. Die weltpolitische Lage betrifft nicht den einzelnen Staat. Es handelt sich dabei vielmehr um ein Gerüst aus Beziehungen zwischen den auf globaler Ebene agierenden staatlichen Akteuren, die zudem miteinander um die Weltmachtposition rivalisieren. Das tun sie deswegen, weil es die Weltmacht ist, die die Weltpolitik bestimmt und anführt. Sie ist es, die bei der Ausbeutung und Kolonialisierung der Länder und Völker den Löwenanteil erhält.

Der Wettlauf um die Weltmachtposition unter den international agierenden Staaten findet daher permanent und ununterbrochen statt. Die weltpolitische Lage stellt deshalb keinen statischen Zustand dar, auch wenn Bewegungen und Veränderungen der weltpolitischen Lage langsam vonstattengehen und es normalerweise ein Jahrzehnt und mehr in Anspruch nimmt, bis sie sich ändert.

Daher stellt es für die Muslime ein absolutes Muss dar, die weltpolitische Lage zu erfassen, um zu erfahren, wer die führende Weltmacht ist und wer die Konkurrenzmächte sind, die nach dieser Position streben. Das ist wichtig, um zu erkennen, welche Politik in Bezug auf die großen weltpolitischen Themen – insbesondere die der Muslime, aber auch die der übrigen Welt – eingeschlagen wurde. Möglich ist das, indem man konsequent die Nachrichten sowie sämtliche politischen Handlungen auf der Welt verfolgt, was auch Bündnisse, Organisationen und Konferenzen betrifft, wobei gewisse Vorkenntnisse über die kapitalistische Ideologie vorausgesetzt werden.

Das konsequente Verfolgen verknüpft mit vorhandenen Vorkenntnissen befähigt dazu, grobe Richtlinien der weltpolitische Lage zu definieren, womit es möglich wird, die Ereignisse und Manöver auf der internationalen Bühne zu verstehen und zu erkennen, wer hinter den Ereignissen steckt und welche Art von Beziehungen zwischen den Staaten herrschen, die aktiv die weltpolitische Lage prägen. Die Partei Hizb-ut-Tahrir sticht hierbei besonders hervor, wenn es darum geht, die groben Richtlinien der weltpolitischen Lage zu zeichnen. Dadurch hat sie sich in der politischen Analyse und in der Aufdeckung internationaler Pläne, die sich besonders gegen die Muslime richten, ausgezeichnet. Sie enthüllt sie nicht nur, sondern warnt auch vor ihnen.

Ein mangelndes Verständnis der weltpolitischen Lage lässt den Menschen höchst fatale Fehler begehen. Das deutlichste und komplexeste Beispiel dafür ist jene Angelegenheit, die seit einem Jahrhundert die Welt beschäftigt: Das Palästina-Problem. Jemand, der weder die weltpolitische Lage noch die Weltpolitik verfolgt, wird der Auffassung sein, die Hauptakteure in der Palästina-Frage sind die Fatah-Bewegung, die Palästinensische Befreiungsorganisation und die Hamas. Oder er wird annehmen, es sind Ägypten, Jordanien oder Syrien. Andere könnten meinen, dass es die sogenannte „Achse des Widerstandes“ ist (im Grunde eine irreführende und absurde Bezeichnung), die die Entscheidungen über die politischen und jihadistischen Aktionen in Palästina trifft und darüber bestimmt.

Die glasklare Wahrheit in dieser Angelegenheit ist jedoch: Die Hauptakteure waren, seitdem die so genannte Palästina-Frage 1917 entstanden ist, zunächst die Briten und dann die Amerikaner. Kein anderer Hauptakteur, außer Großbritannien und die USA, bestimmt diese Frage. Daher stehen seit Bestehen des Palästina-Problems bis zum heutigen Tage ausschließlich zwei Projekte zur Debatte. So etwas wie ein eigenes palästinensisches Lösungsprojekt für das Palästina-Problem existiert nicht, genauso wenig ein jordanisches, ägyptisches, syrisches, türkisches oder saudisches Projekt. Was hingegen existiert, ist auf der einen Seite das britische Projekt (ein säkularer Staat Palästina nach libanesischem Muster für Juden, Palästinenser und Christen gemeinsam und auf der anderen Seite das amerikanische Projekt (die Zweistaaten-Lösung), das aktuell der Lösungsplan ist.

Ein Nichtverfolgen der weltpolitischen Lage führt dazu, dass die wichtigste Sache in dieser Angelegenheit übersehen wird. Diese besteht darin, dass, als die Briten die Weltmacht waren, sie das Lösungsprojekt für Palästina festlegten. Nachdem aber die USA zur Weltführungsmacht aufgestiegen waren, legten sie ein anderes Projekt für Palästina fest. Was die übrigen Staaten anbelangt, die als Protagonisten im Palästina-Problem auftreten, so handelt es sich um Akteure aus den hinteren Reihen und um Handlanger in der Auseinandersetzung, die Teil der operativen Pläne Amerikas oder Großbritanniens sind. Dies hat entfernt Ähnlichkeit mit der Akte Syrien und den diesbezüglichen internationalen Lösungsvorstellungen. Die USA schnüren jedem die Luft ab, der sich an der Akte Syrien zu beteiligen wagt oder als Rivale in dieser Angelegenheit auftritt. Die Einzelheiten darüber würden hier jedoch zu weit führen.

Deshalb ist das Verstehen der Politik der Staaten und der weltpolitischen Lage äußerst wichtig, besonders für die Politiker und für die Muslime allgemein.

Fazit: Dass der Islam weltpolitisch seine Präsenz verloren hat und somit keinen Einfluss auf die Welt nehmen kann, ist das Resultat der Zerstörung des Staates des Islam. Dieser Staat hatte den Islam auf ideologische Weise getragen, d. h. auf Basis der ʿaqīda des Islam, aus der ein Lebenssystem hervorgeht, welches sich von allen anderen Systemen abhebt: das System des Rechtgeleitete Kalifats. Heute findet man in der Welt kein System und keine Ideologie vor, die dem ungerechten Kapitalismus die Stirn bieten könnte. Die Wiederaufnahme des islamischen Lebens durch die – so Allah will – baldige Errichtung des islamischen Staates wird den Mördern, den Verbrechern, den Gierigen und den kolonialistischen Kapitalisten das Handwerk legen und für die Verbreitung des Guten und der Rechtleitung in der ganzen Welt sorgen. Auf diese Weise werden die Menschen vom Übel der Kapitalisten befreit – allen voran von den USA – und die Welt wird von der Idee der Trennung von Religion und Staat erlöst werden sowie von all ihren prekären Folgen, unter denen die Völker der Erde so sehr zu leiden haben.