Islamrechtliche F&A Versicherungen und ihr islamisches Urteil

Versicherungen begegnen uns ständig im alltäglichen Leben. Ein Leben in Deutschland ist praktisch unmöglich ohne von Versicherungen verfolgt zu werden.

Versicherungen begegnen uns ständig im alltäglichen Leben. Ein Leben in Deutschland ist praktisch unmöglich ohne von Versicherungen verfolgt zu werden. Aus diesem Grund sind wir Muslime dazu verpflichtet, den diesbezüglichen Rechtsspruch in Erfahrung zu bringen und gemäß diesem zu handeln. Der folgende Text soll einen groben Ausblick auf die komplexen Strukturen verschiedener Versicherungen geben und soll dem Leser ein Grundverständnis darüber vermitteln, um so selbst abzuwägen.

Versicherungen gehören zu den islamischen Themen, die den Muslimen die Wichtigkeit der Beschäftigung mit den islamischen Rechtsquellen deutlich vor Augen führen. Im Gegensatz zu klassischen Fragestellungen, wie das Verrichten des Gebets oder der richtigen Bedeckung der Frau, findet man in den klassischen Werken der islamischen Rechtsgelehrten keine Antwort auf diese Thematik.

Es gehört zu den Phänomenen, die der heutigen Zeit entstammen und ein Resultat der ungerechten und ausbeuterischen Lebensordnung ist. Versicherungen verkörpern den Kapitalismus und haben keinen anderen Zweck, als dem Menschen durch Schüren von Existenzängsten und lebensbedrohlichen Szenarien das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Aus diesem Grund ist an dieser Stelle zu betonen, dass eine absolute und endgültige Beseitigung dieser Ungerechtigkeit erst durch die Beseitigung des grundlegenden Unrechts erfolgen kann, nämlich des falschen kapitalistischen Systems, und die Etablierung der islamischen Lebensordnung an seiner Stelle gemäß dem Plan des Prophetentums.

Da wir Muslime jedoch bis zur Wiedererrichtung des Kalifats unter dieser Lebensordnung leben müssen, stellt sich die berechtigte Frage wie es nun mit der Realität von Versicherungen aussieht.

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es also einer genauen islamrechtlichen Untersuchung, da sie, wie auch das Klonen, zu den neuzeitlichen Problemen gehört. Hierzu wird zunächst einmal der erste Schritt einer islamischen Rechtsuntersuchung erläutert, weil es dem Leser veranschaulicht, wie es oftmals zu verschiedenen Meinungen bei derselben Thematik kommt. Falsch entstandene bzw. falsch abgeleitete Meinungen sind hierbei keineswegs zulässig und werden nicht dem Themenkomplex iḫtilāf/Meinungsdissens zugeordnet. Sie sind das Ergebnis jahrhundertelangen Ausbleibens des iğtihāds, also korrekt durchgeführter islamrechtlicher Ableitungen, was zu einer falschen Anwendung und einem falschen Verständnis geführt hat. Zudem hat die Kernidee des Kapitalismus, nämlich die Trennung von Staat und Religion, vielen Muslimen die Fähigkeit genommen, den Islam auf die Realität korrekt anzuwenden.

Taḥqīq manāṭ al-ḥukm, das Erkennen des tatsächlichen Sachverhalts (Rechtsgegenstand), auf den der Rechtsspruch anzuwenden ist, ist der erste und absolut notwendige Schritt, um jede Thematik richtig einordnen zu können.

Dies bedeutet, dass der zu untersuchende Sachverhalt, in dem Fall ist es die Versicherung, zunächst einmal tiefgründig durchleuchtet und seine Realität und Natur vollständig in Erfahrung gebracht werden muss. Dieser Schritt bedarf keines speziellen islamischen Rechtswissens, sondern kann auch von Nichtmuslimen bzw. von gewöhnlichen Muslimen (muqallidūn) vollzogen werden. Es erfordert jedoch gelegentlich spezifisches Fachwissen, wie die eines Chemikers, wenn es zum Beispiel, um die Untersuchung geht, ob Gelatine bis zu seinem endgültigen Zustand seine Ausgangsform soweit verändert hat, dass es keinen Zusammenhang mehr zur ursprünglichen Knochensubstanz des Tieres gibt.

Erst die richtige und vollständige Erfassung des Sachverhalts, lässt den Rechtsgelehrten erkennen, welche Rechtssprüche aus den Offenbarungstexten er auf den zu untersuchenden Gegenstand anwenden kann. Wenn der Gegenstand beispielsweise die Realität von Alkohol aufweist, dann wendet man darauf die Rechtssprüche des Alkohols an. Geht es hingegen um eine Feier, dann wendet man die Gesetze einer Veranstaltung darauf an, d. h., dass es eine Sichttrennung zwischen den Geschlechtern geben muss.

Warum ist das wichtig?

Versicherung ist nicht gleich Versicherung, genauso wie eine Veranstaltung nicht gleich einer Veranstaltung ist. Denn diese Begriffe können von unterschiedlicher Natur sein und haben daher grundlegende Elemente, die den jeweiligen Sachverhalt als solchen definieren. Dies soll am Beispiel unterschiedlicher Veranstaltungen verdeutlicht werden.

Ein Ehepaar veranstaltet eine klassische Hochzeitsfeier in einem gemieteten Saal mit Musik, Tanz und Unterhaltung. Es findet also ein Zusammenkommen der Geschlechter statt zum Zwecke der Unterhaltung und des Feierns. In diesem Fall muss eine Sichttrennung zwischen den Geschlechtern erfolgen. Denn zum Zwecke einer Feierlichkeit hat das islamische Recht den Geschlechtern nicht erlaubt, zusammenzukommen.

Ein zweites Ehepaar veranstaltet einen Vortrag im selben Saal. Jedoch sind keine Elemente einer Feierlichkeit vorhanden. Ein Vortrag und ein gemeinsames Essen finden statt. Auch bleibt es in diesem Rahmen. In so einem Fall nimmt die Veranstaltung nicht den Charakter einer Feierlichkeit ein, sondern die eines Vortrages bzw. einer Konferenz und dementsprechend gelten hierfür die Gesetze eines Vortrages, welche lauten, dass es den Geschlechtern erlaubt ist, sich gemeinsam ohne Sichttrennung an einem Ort aufzuhalten. Jedoch müssen sie, wie beim Gebet, getrennt sitzen. Das heißt, entweder Männer und Frauen jeweils in Blöcken links und rechts oder vorne und hinten.

Nun soll die Untersuchung des Sachverhalts der Versicherung erfolgen und basierend darauf die entsprechenden Rechtssprüche dargelegt werden.

Die Realität einer Versicherung zeigt uns, dass sie einen Vertrag darstellt. Dieser wird im Hinblick auf Leben, Ware, Eigentum oder irgendetwas Anderes abgeschlossen. Die beiden Vertragsseiten sind die Versicherungsgesellschaft und der Versicherungsnehmer, also die versicherte Person. Der Versicherungsnehmer verlangt bei Beschädigung oder Verlust des versicherten Gegenstandes eine Ersetzung der Ware oder eine Entschädigungssumme. Im Falle einer Lebensversicherung verlangen die Hinterbliebenen einen festen Geldbetrag. Im Gegenzug verlangt die Versicherung einen festen finanziellen Beitrag, welcher an sie monatlich, vierteljährlich, jährlich, … zu entrichten ist.

Entsprechend der Vertragsunterbreitung īğāb und der Vertragsannahme qubūl verpflichtet sich die Versicherungsgesellschaft, den Versicherten in Form eines Geldbetrages oder durch Ersetzung des Gegenstandes zu entschädigen, sofern die Bedingungen des Vertrages erfüllt worden sind. Durch die Annahme des Vertrages und infolgedessen der regelmäßigen Abschlagszahlungen an die Versicherung, steht dem Versicherungsnehmer eine Erstattung in irgendeiner Form zu.

Diese Art der gegenseitigen Vertragsvereinbarung bezeichnet man konventionell als Versicherung (taʾmīn). Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Versicherung auf das Leben, ein Auto oder sonstige Waren in Wirklichkeit keine Garantie auf den Gegenstand darstellt, sondern lediglich ein bestimmter Geldbetrag oder ein adäquater Ersatz garantiert wird. Die Bezeichnung „Lebensversicherung“ soll dem Kunden den Vertragsabschluss bloß schmackhaft machen, jedoch geht es nicht um den Schutz des Lebens, sondern – wie bereits oben erwähnt – um die Auszahlung einer festgelegten Summe im Falle seines Ablebens.

Basierend auf diese Realität der Versicherung, ist diese aus folgenden Gründen verboten – ḥarām:

Erstens: Die Versicherung stellt einen Vertrag dar, in welchem dem Versicherten seitens der Versicherungsgesellschaft ein Angebot unterbreitet wird (īğāb) und der Versicherte diesen – basierend auf den Konditionen – annehmen kann (qubūl). Dementsprechend müssen hier die islamrechtlichen Bedingungen eines Vertrages gelten.

Islamrechtlich muss der Vertrag über einen Gegenstand oder einen Nutzen abgeschlossen werden. Betrifft der Vertrag keines dieser beiden Elemente, so ist er islamrechtlich ungültig und der Abschluss eines solchen Vertrages ḥarām.

Mögliche Vertragskonstellationen wären folgende Szenarien:

1. Eine Ware gegen ein Entgelt, wie beim Kauf.

2. Eine Ware gegen kein Entgelt, wie bei einem Geschenk.

3. Ein Nutzen gegen ein Entgelt, wie bei einem Mietvertrag.

4. Ein Nutzen gegen kein Entgelt, wie bei einer ungebundenen entgeltlosen Verleihung.

Der Versicherungsvertrag beinhaltet jedoch keiner dieser vier Optionen. Daher ist er ungültig – bāṭil. Er beinhaltet vielmehr eine Gewährleistung, d. h. eine Bürgschaft. Diese stellt jedoch weder eine Ware noch einen Nutzen dar. Sie ist kein Gegenstand, da sie weder konsumiert noch erworben werden kann. Ebenso ist sie kein Nutzen, da sie weder vermietet noch verliehen wird. Dass aus dem bezahlten Geldbetrag ein Nutzen gezogen werden kann, ist zwar richtig, jedoch auf den eigentlichen Vertragsgegenstand nicht zutreffend, da dies eine Folge aus der Gewährleistung ist und nicht die Gewährleistung selbst.

Daraus ergibt sich, dass der Vertrag weder einen Nutzen noch ein Gut zur Grundlage hat und somit islamrechtlich hinfällig ist. Es ist also islamrechtlich kein legitimer Vertrag. Ihn abzuschließen wäre folglich ḥarām.

Zweitens: Die Versicherung gibt dem Versicherten unter bestimmten Bedingungen eine Gewährleistung bzw. eine Bürgschaft. Das heißt, dass hier die islamischen Bedingungen einer Bürgschaft gelten müssen. Der Einfachheit werden die arabischen Begriffe an dieser Stelle weggelassen.

Eine Bürgschaft bedeutet den Anschluss einer Pflicht an eine andere bei der Einhaltung eines Rechtsanspruchs. Das heißt, dass eine Bürgschaft aus drei Parteien besteht. Es existiert ein Bürge, einem für den gebürgt wird und einer, demgegenüber die Bürgschaft gewährleistet wird. Um die drei Parteien zu verdeutlichen, soll folgendes Beispiel gelten.

Person B schuldet Person C Geld. Person A bürgt für Person B gegenüber Person C.

Das heißt, Person A gewährleistet Person C, dass diese ihr Geld entweder von Person B oder von Person A selbst bekommt.

Zwei Punkte sind hier wichtig zu erwähnen: Die Bürgschaft erfolgt entgeltlos. Es ist also eine entgeltlose, aktive und einseitige Verpflichtung, die man eingeht.

Eine Bürgschaft kann nur für eine Verbindlichkeit erfolgen. Fehlt der verbindliche Charakter, so kann auch keine Bürgschaft eingegangen werden.

Beispiel: Mein Nachbar möchte mir morgen sein Auto borgen. Seine Frau bürgt dafür. Dies wäre ungültig, da dem Verborgen kein apodiktischer Charakter zugrunde liegt.

Beispiel: Ich heirate eine Frau. Ihr Bruder gewährleistet seiner Schwester den ausgemachten Mahr (Brautgabe). Dies wäre zulässig, da der Mahr ein verpflichtendes Entgelt darstellt und die Frau ein Recht darauf hat. Hier kann der Bruder für mich bürgen und sich meiner Verpflichtung selbständig anschließen.

Eine Bürgschaft kann also nur basierend auf einer Verbindlichkeit und entgeltlos stattfinden. Ansonsten ist sie hinfällig und islamrechtlich ungültig. Es stellt jedoch keine Bedingung dar, dass die Person, für die gebürgt wird, oder die Person, der gegenüber die Bürgschaft eingegangen wird, bekannt ist.

Die Realität einer Versicherung zeigt uns nun, dass die Bedingungen einer Bürgschaft nicht erfüllt sind. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gab es diese drei Parteien nicht (1. Bürge, 2. derjenige, für den gebürgt wird, 3. derjenige, demgegenüber gebürgt wird). Die Partei, für die gebürgt werden muss, existiert nämlich nicht. Dementsprechend existiert auch keine Verbindlichkeit gegenüber demjenigen, demgegenüber gebürgt wird. Daher kann von Seiten der Versicherung keine Bürgschaft eingegangen werden. Zum anderen erfolgt bei einer Versicherung die Bürgschaft basierend auf einer finanziellen Gegenleistung. Eine Bürgschaft muss aber unentgeltlich erfolgen.

Aus diesem Grund ist eine Versicherung ebenfalls islamrechtlich ungültig.

Demnach sind alle Versicherungen dieser Art ḥarām. Dazu zählen unter anderem Lebensversicherungen, Güterversicherungen und Vermögensversicherungen.

Selbst eine Versicherung zu gründen und von den Menschen Geld für die Versicherungspolizze zu nehmen, ist gleichermaßen ḥarām und zählt zum Unrechtsgut (māl as-suḥt) wie Zinsen.

Die Annahme des Geldes von einer Versicherung infolge eines Autounfalls durch die Gegenseite ist jedoch erlaubt. Dies hat mit dem ungültigen Vertrag nichts zu tun und stellt lediglich das Recht des Autofahrers dar, eine Entschädigung zu bekommen. Ob diese Entschädigung von der Gegenseite selbst oder ihrer Versicherung bezahlt wird, spielt für den Empfänger keine Rolle und ist für ihn islamrechtlich unerheblich.

Es muss betont werden, dass jede Art von Versicherungsvertrag verboten ist. Das bedeutet aber nicht, dass es in jedem Fall verboten ist, eine Versicherungsleistung anzunehmen.

Ein Beispiel für die Erlaubnis, eine Versicherungsleistung anzunehmen, wäre die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland.

Diese ist verboten, jedoch ist sie nur für den Staat verboten, der sie den Menschen aufzwingt. Als Muslime begehen wir kein Sünde, wenn wir uns auf Basis der gesetzlichen Krankenversicherung medizinisch behandeln lassen, sondern hätten sogar das Recht auf eine kostenlose Behandlung. Islamrechtlich dürfte der Staat von uns für die medizinische Behandlung kein Geld verlangen. Jedoch sieht das Gesetz in Deutschland es vor, durch die Bezahlung eines vorgegebenen Krankenversicherungsbeitrags die medizinische Leistung in Anspruch nehmen zu können. Das ist in allen Arbeitsverträgen bereits integriert und ist unvermeidbar und auch nicht verhandelbar. Daher wird dieser Beitrag wie Steuern betrachtet, die der Staat zu Unrecht von seinen Bürgern einnimmt.

Es ist also ein Unrecht, das von Seiten des Staates begangen wird, ihn allein trifft dafür die Schuld.

Dies im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung, die für beide Seiten verboten ist.

Und alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten. Ihn allein bitten wir um Erfolg, und Er allein weiß es am besten.