Westliche Konzeptionen Der Brexit – ein unausweichliches Desaster

Die Auseinandersetzung mit dem Brexit war in gewissem Maße unvermeidbar. Der Brexit ist ein politisches Ereignis, das aus einer fehlerhaften und widersprüchlichen politischen Philosophie hervorgeht

Die Auseinandersetzung mit dem Brexit war in gewissem Maße unvermeidbar.

Der Brexit ist ein politisches Ereignis, das aus einer fehlerhaften und widersprüchlichen politischen Philosophie hervorgeht, sowohl auf globaler wie auch auf individueller Ebene, eine Philosophie, in der Souveränität durch Rivalitäten befallen ist und die Politikgestaltung in einem unannehmbaren Maß der Manipulation offen steht.

Politische Philosophie

Die fehlerhafte und sich widersprechende politische Philosophie ist das säkulare Credo, aus dem alle anderen politischen Trends in kapitalistisch-liberalen Demokratien sprießen.

Die Idee, dass der Nationalstaat das höchste Maß an Volkstreue besitzt, entstammt diesem Credo, ebenso wie die Idee vom freien Markt, die Idee der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und die Vorstellung davon, dass die Globalisierung einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat.

Diese Ideen sorgten allerdings für einen Konflikt, sobald sie in der Europäischen Union in die Tat umgesetzt wurden. Die ökonomisch und politisch größere Union, die durch verschiedene EU-Verträge mit dem Ziel eines freieren Marktes errichtet wurde, verlangte eine Verlagerung der Souveränität von Westminster nach Brüssel. Außerdem sollte der Oberste Gerichtshof in London von nun an dem Europäischen Gerichtshof unterliegen.

Es ist ebendiese Spannung, die den großen Unterschied zwischen den sogenannten „Remainers“ und den „Brexiteers“ ausmacht: Erstere erkennen, dass der Brexit profunde negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird, während Letztere sich um die durch das europäische Projekt verminderte nationale Souveränität sorgen.

Diese Unterschiedlichkeit in der Betrachtungsweise beschränkt sich nicht allein auf Großbritannien. Europaweit missbrauchen nationalistische Parteien die Sorgen der Menschen, welche keinen Nutzen aus dem europäischen Projekt ziehen konnten, in selbem Maß in dem sich die US-Amerikaner darüber beklagen, sie hätten von der Globalisierung nicht profitieren können.

Es ist ein fast unlösbares Dilemma. Der Islam hat dieses spezifische Problem insofern nicht, als das sein politisches und ökonomisches System Hand in Hand gehen. Die politische Philosophie des Islam entspringt dem Koran und der Sunna. Diesen beiden Quellen entnehmen wir das Konzept eines Islamischen Staates. Wesentlicher Bestandteil dieses Staates ist, dass die Scharia der Souverän ist und, dass die Bande, welche die Menschen als Staatsbürger verbindet, konsistent ist. Der Islamische Staat ist das Band des Islam, das die Muslime weltweit vereint. Derselbe Islam gibt den Muslimen vor, dass Nichtmuslime, die mit ihnen als Kollegen, Nachbarn und sogar Familienmitglieder zusammenleben, als Staatsangehörige unter dem islamischen Gesetz behandelt werden sollen.

Dem Koran und der Sunna ist ein islamisches Wirtschaftssystem zu entnehmen, das mit der zuvor erwähnten politischen Philosophie des Islam untrennbar verknüpft ist. Dieses Wirtschaftssystem spornt zum Handel an, verbietet den Zins, fördert die Zirkulation des Vermögens, hält vom Horten ab, verbietet alle Arten von verbotenen Steuern und lässt den Menschen ihren Anteil an Brennstoffen und anderen natürlichen Ressourcen zukommen.

Konkurrierende Souveränität

Durch den Leitspruch „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ soll „das Volk“ angeblich zum Souverän erhoben werden. Jedoch wirft der Brexit die folgende Frage auf: Welches Volk überhaupt? Ist mit „Volk“ jene Öffentlichkeit gemeint, die ihre Stimme abgibt, um am Referendum teilzunehmen? Oder die von ihnen gewählten Vertreter im Parlament? Oder ist es die Regierung, die das Vertrauen einer Mehrheit im Parlament genießt? Natürlich sollte letztlich die Öffentlichkeit mit „Volk“ gemeint sein. Jedoch wird die Souveränität durch die Verfassung an die jeweiligen Organe delegiert.

Der Brexit zeigt auf, dass die konstitutionellen Kontrollen und Kompetenzen durch politische Rivalitäten untereinander zu einer Waffe umgewandelt wurden, natürlich auf Kosten der Betreuung der Angelegenheiten der Menschen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in das System geht verloren. Dies liegt entweder am Scheitern der gewählten Vertreter, nach dem Referendum Ergebnisse zu liefern, oder den politischen Eskapaden in Westminster, wo die eine Fraktion pausenlos versucht eine andere auszumanövrieren.

Unter all dem hat das einfache Volk zu leiden. Dieses steht zwischen denjenigen, die für den Brexit stimmen, und jenen, die dagegen sind, und wird von beiden Seiten ins Kreuzfeuer genommen.

Der Islam übergibt der Scharia die Souveränität und legt die Autorität in die Hände des Menschen. Die Menschen wählen ihre Regenten und ziehen diese zur Rechenschaft, jedoch sind sie nicht souverän. Vielmehr sorgt ein übergeordnetes Regelwerk für Einigung und gesellschaftliche Stabilität.

Welche Wahl?

Dies ist eine Frage, mit der sich viele konfrontiert sehen. Insbesondere dann, wenn es darum geht, welche (meist große) Partei gewählt werden soll. Wieviel Spaltung kann schon dadurch erzeugt werden, dass der ehemalige Kandidat für den Vorsitz der Arbeiterpartei (Chuka Umunna) und der ehemalige Kandidat für den Vorsitz der Konservativen (Sam Gyimah) beide eine Heimat bei den Liberalen finden?

Dies ist nicht sonderlich überraschend. Überraschend wäre es in einer ideologischen Gesellschaft. Tatsächlich gäbe es in einem islamischen Staat ein Spektrum an politischen Meinungen, jedoch innerhalb des ideologischen Spektrums, das der Islam erlaubt. Der einzige Unterschied ist, dass demokratische Gesellschaften falsche Behauptungen über die Wahlmöglichkeiten machen. Der Punkt ist, dass die politische Klasse, welche dominiert, sich auf einem völlig anderen Kurs bewegt, als die Menschen, die sie repräsentiert. Dies manifestiert sich darin, dass sie das Referendumsergebnis untergraben.

Wenn wir uns Fragen, wer in einer Demokratie das meiste Sagen hat, so stellen wir fest, dass es eine kleine Gruppe von sehr einflussreichen Menschen ist, für die die wichtigsten Policen verabschiedet werden.

Historisch betrachtet waren dies jene Menschen mit dem größten Reichtum, darunter Landbesitzer und Großunternehmer. Rupert Murdoch wurde einst gefragt, weshalb er die EU nicht mochte. Dieser Frage entgegnete er angeblich mit: „Wenn ich zur Downing Street gehe, tun sie, was ich sage. Wenn ich nach Brüssel gehe, nehmen sie das nicht zur Kenntnis.“

Dies heißt nicht, dass die EU nicht durch große Geschäftsinteressen beeinflusst wäre. Es bedeutet lediglich, dass Individuen wie Rupert Murdoch es sehr viel härter haben, ihren Einfluss auf verschiedene Regierungen geltend zu machen.

In einer Rede vom Dezember 2016 sagte Alex Younger, Leiter des MI6: „Die Konnektivität, welche das Herz der Globalisierung darstellt, kann von Staaten mit bösen Absichten ausgenutzt werden […] Die Risiken sind erheblich und stellen eine fundamentale Bedrohung unserer Souveränität dar.“

Wo Souveränität an die öffentliche Meinung geknüpft ist, kann diese von außerhalb des Staates beeinflusst werden.

Cambridge Analytica, das Unternehmen, das die Daten Facebooks nutzte, um politische Botschaften an die Brexit-Befürworter zu Zeiten des Referendums zu senden, beeinflusste die öffentliche Meinung in einer Weise, die darauf abzielte Großbritannien und die Europäische Union zu schwächen. Cambridge Analytica wurde von Robert Mercer, einem amerikanischen Hedgefonds-Milliardär, und Steve Bannon, dem Leiter des rechten Breitbart News Network geführt. Beide betrachteten Großbritannien und die EU als Rivalen der USA und ihrer Interessen.

Darüber hinaus manipulieren Politiker das System für ihre eigenen Zwecke. Ob es David Cameron ist, der sich im Interesse seiner Partei für das Referendum aussprach, oder Boris Johnson, der die Brexit-Kampagne für seine eigenen Zwecke unterstützte, oder Oppositionsparteien, die sich aufgrund parteiinterner Interessen weigerten miteinander zu koalieren, um den Brexit zu verhindern. All das zeigt auf, wie das System Politik über die Interessen des Volkes stellt.

Der Islam verfolgt in Hinblick auf die Grundlage des politischen Systems einen Prinzip-orientierten Ansatz. Dadurch bleibt das politische Fundament stabil, selbst wenn Individuen von externen Quellen beeinflusst würden. Außenpolitische Beziehungen dienen der Verbreitung der islamischen Botschaft und nicht politischer Vorteile oder Interessen.

Fazit

Sich widersprechende und abweichende politische Meinungen sind offensichtlich unlösbar. Ob in Großbritannien oder den USA, die Politik ist aufgrund tiefer gesellschaftlicher Spaltungen gescheitert. Der Wettbewerb zwischen dem Volk, dem Parlament und der Regierung schaden dem System. Mehr als jemals zuvor können fremde Akteure auf das politische Geschehen im Brexit-Großbritannien bedrohlichen Einfluss nehmen.

Vor fast einem Jahrzehnt sagte der politische Kolumnist Simon Jenkins:„Die Demokratie wird in Amerika und Großbritannien zunehmend in Frage gestellt. Abgesehen von den Eskapaden der Parlamentarier und Abgeordneten entsteht der Eindruck, man gleitet in eine Oligarchie mit zunehmenden autokratischen Elementen. Der Militär-Industriekomplex ist nach wie vor mächtig, die Bedrohung durch den globalen Terrorismus als Vorwand nutzend. Lobbyismus und Korruption verunreinigen den Regierungsprozess. Zusammengefasst: Die Demokratie ist in keiner guten Form.“

Seine Worte sind heute treffender als zum Zeitpunkt ihres Verfassens. Es übersteigt die Vorstellungskraft, dass die Menschen nicht sehen, dass das derzeitige System nicht jenes stabile Herrschaftssystem ist, für das es einst gehalten wurde.