Ausland Stellt das strategische Abkommen zwischen China und dem Iran einen Wendepunkt dar?

Das im Juli 2020 angekündigte Abkommen zwischen dem Iran und China hat zu vielen Spekulationen über seine Auswirkungen in der unbeständigen Region des Nahen Ostens geführt.

Das im Juli 2020 angekündigte Abkommen zwischen dem Iran und China hat zu vielen Spekulationen über seine Auswirkungen in der unbeständigen Region des Nahen Ostens geführt. Dass sich China lebenswichtige Rohstoffe sichern, dem umkämpften Regime in Teheran eine Rettungsleine bieten, einen strategischen Fußabdruck in der Region hinterlassen und die USA herausfordern könnte, sind reale Möglichkeiten bei Abkommen dieser Größenordnung. Doch auch wenn all dies plausibel erscheinen mag, müssen viele Herausforderungen bewältigt werden, um dieses strategische Abkommen zu verwirklichen.

Dem 18-seitigen Dokument zufolge, welches der New York Times vorliegt, verhandelt der Iran mit China über eine umfassende strategische Partnerschaft, die sich über 25 Jahre erstrecken soll. Laut den Enthüllungen wird Peking seine Gelder exzessiv für den iranischen Öl- und Gassektor ausgeben, Eisenbahnen bauen und die Produktion ankurbeln. Im Gegenzug wird der Iran China zu einem vergünstigten Nachlass mit Energie versorgen, den Dokumenten zufolge um 32% günstiger. Das Abkommen beinhaltet außerdem eine starke militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Nationen, die vom iranischen Parlament genehmigt werden muss. Da der Iran isoliert ist, fördert China die Partnerschaft als einen neuen Aspekt seiner „Belt and Road Initiative“ (BRI).

Seit der Ankündigung der BRI im Jahr 2013 hat Peking aggressiv Handelsgeschäfte rund um den Globus verfolgt. Die umfassende strategische Partnerschaft zwischen China und dem Iran in Höhe von 400 Milliarden US-Dollar würde das bisher größte Abkommen Chinas für ein einzelnes Land in der BRI darstellen und die nächstgrößte Investition (62 Milliarden US-Dollar), die als Teil des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors geplant ist, in den Schatten stellen. Chinas BRI-Projekte werden aufgrund ihres schieren Umfangs und einiger Bedingungen viel genauer unter die Lupe genommen. Eine Untersuchung führte zu dem Schluss, dass Chinas CPEC-Deal mit Pakistan („China-Pakistan Economic Corridor“) nichts weiter als ein Scheinprojekt ist. Pakistan ist nach wie vor darauf angewiesen, vom CPEC-Projekt zu profitieren, da die chinesischen Milliardenkredite an Pakistan, das schon immer mit ausländischen Krediten zu kämpfen hatte, zurückgezahlt werden müssen. Chinas „Diplomatie der Schuldenfalle“ mit Sri Lanka hat auch viel Skepsis hervorgerufen. So musste Sri Lanka einen Hafen und 15.000 Acker Land für 99 Jahre abtreten.

Das phänomenale Wirtschaftswachstum Chinas hat zu einem immensen Anstieg des Energieverbrauchs geführt. Im Jahr 2017 löste China die USA als weltgrößter Rohölimporteur ab. China benötigt 13 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (b/d) zur Deckung seines industriellen und inländischen Bedarfs, wobei über 10 Millionen (b/d) aus russischen und saudi-arabischen Importen stammen, welche die größten Lieferanten sind. Dieselbe Dynamik gilt für Erdgas, denn von den 26 Milliarden Kubikmeter verbrauchtem Gas stammt die Hälfte aus Importen. Vergünstigte iranische Energie würde eine zusätzliche Energiequelle für China bedeuten, das seit langem versucht, seine Energieversorgung zu diversifizieren. Jon Alterman, Direktor des Nahost-Programms am Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington, hob jedoch hervor: „China braucht den Iran nicht, aber der Iran ist für China nützlich. Peking sieht den Iran als ‚geminderten Vermögenswert‘, den es zu geringen Kosten verschlingen kann.“ Der Verkauf von Öl zu einem solch enormen Preisnachlass mag zwar China zugutekommen, ändert aber wenig an der wirtschaftlichen, finanziellen und monetären Situation des klerikalen Regimes in Teheran, dessen Lage furchtbar ist.

Während der Atomdeal im Jahr 2015 die Möglichkeit eröffnete, dass der Iran Zugang zu internationalen Märkten erhält und ausländische Unternehmen in den Iran investieren, zog sich die Trump-Administration aus dem Deal zurück, was zur Folge hatte, dass alle Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft traten. Die Wirtschaft des Iran liegt aufgrund der amerikanischen Strategie des „maximalen Drucks“ in Trümmern. Trotz der Tatsache, dass der Iran über die viertgrößten Öl- und die zweitgrößten Gasreserven der Welt verfügt, ging die Produktion stark zurück. Dies deshalb, weil die Sanktionen von Seiten der USA die Drohung beinhalteten, jedem Unternehmen, das im Iran Geschäfte tätigt, den Zugang zum internationalen Bankensystem zu versperren. Die Energieproduktion ist stark zurückgegangen und auch die Einnahmen des klerikalen Regimes sind eingebrochen, was im Dezember 2019 zu Demonstrationen führte. China stellt für das Land die einzige Option dar, da die USA den Iran innerhalb der Region und in weiten Teilen der Welt isoliert haben. So ist es nicht abwegig, dass der Iran bereitwillig einen so großen Rabatt ein Vierteljahrhundert lang auf Energieverkäufe gewährt und sich somit das Abkommen sichert. Die strategische Partnerschaft umfasst außerdem die Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit durch gemeinsame Schulungen und Übungen, gemeinsame Forschung, Waffenentwicklung und Informationsaustausch.

Dennoch könnten die Streitkräfte beider Nationen nicht unterschiedlicher sein. Das Militär des Iran besteht aus seinen unkonventionellen Streitkräften, der Unterstützung nichtstaatlicher Akteure und seinem Raketenarsenal. Chinas Militär hingegen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zwar stark entwickelt, ist aber eine Verteidigungsmacht, die sich auf die Verteidigung seiner Küstengewässer konzentriert. Die beiden verfügen demnach über völlig gegensätzliche Militärs und Verteidigungsindustrien mit unterschiedlichen Doktrinen und Prioritäten. Während Chinas militärischer Aufstieg in den Medien viel Beachtung findet, bleiben seine militärischen Plattformen unbelegt. Der Iran befindet sich seit Jahrzehnten in einem Krieg geringer Intensität mit Israel, wobei der Iran in der Kriegsführung erfahren ist, während China das letzte Mal vor vier Jahrzehnten in den Krieg zog. Zwar wird der verteidigungspolitische Aspekt des Abkommens als Bestreben Chinas interpretiert, im Nahen Osten Fuß zu fassen, doch scheint dies in Anbetracht von Chinas militärischen Fähigkeiten eher weit hergeholt.

Für den Iran gibt es keine Garantie dafür, dass er in Zukunft vor „chinesischer Ausbeutung“ sicher sein wird. Viele der BRI-Projekte Chinas werden inzwischen als solche klassifiziert. Chinesische Investitionen in die iranischen Öl- und Gassektoren werden zwar die dringend notwendige Modernisierung der maroden Energieinfrastruktur des Iran mit sich bringen, aber es bleibt abzuwarten, ob der Iran trotz des enormen Rabatts, den er gewährt, profitieren wird.

Die grundlegendere Frage bleibt, wie verlässlich China als strategischer Partner sein wird. Ist China bereit dazu, sich auf mögliche Kriege einzulassen, wenn diese zwischen Israel und dem Iran ausbrechen sollten? Erklärt sich China bereit, den Iran im Libanon und in Syrien zu unterstützen? Würde China den Iran bei jedem Konflikt mit den USA unterstützen, bei einer so instabilen Beziehung zwischen den USA und dem Iran? Es ist unwahrscheinlich, dass China sich in dieser instabilen Region mit dem Iran verstricken will. Die Enthüllungen haben dazu geführt, dass die iranische Öffentlichkeit lautstark gegen das Abkommen protestiert hat. Obwohl die Bedingungen des Abkommens nicht öffentlich enthüllt wurden, haben Kritiker es bereits mit dem demütigenden Vertrag von Turkmantschai verglichen, den Persien 1828 mit Russland unterzeichnete. In den sozialen Medien behaupteten die Iraner, das Abkommen bedeute, dass der Iran Land an China abtritt oder China erlaubt, seine Truppen im Land zu stationieren. Der Iran hat sich in der Vergangenheit an China gewandt, um den wirtschaftlichen Druck zu mindern, doch war China nie fähig oder willens zu liefern. Von außen betrachtet mag der enthüllte Entwurf umfassend erscheinen, aber es gibt kaum Einzelheiten darüber, was die einzelnen Projekte beinhalten werden. Es handelt sich eher um einen Fahrplan. Es gibt eine Menge Versprechungen und vielfältige Möglichkeiten für das, was zukünftige Verhandlungen mit sich bringen könnten.