Der Islam und der Kapitalismus sind zwei Ideologien, die sich nicht nur durch ihr Überzeugungsfundament unterscheiden. Im Gegensatz zum Kapitalismus ist der Islam ehrlich zu den Menschen und muss sie nicht mit leeren Floskeln bei Laune halten oder durch Feindbilder an sich binden. Denn die Wahrheit, der er verpflichtet ist, ist für jeden rational fassbar. Seine Werte sind beständig und weder Ort noch Zeit oder Interessen unterworfen und beschränken sich nicht auf bestimmte Völker. Die Ausdehnung des Islam gilt ausschließlich der Verkündung der islamischen Botschaft und hat keine verschleierten Absichten oder Hintergedanken. Der Kapitalismus hingegen baut eine künstliche Kulisse der Gerechtigkeit auf, um seine wahren Absichten und den Schaden, den er anrichtet, zu verschleiern. Er kann sich nur durch Täuschung behaupten, da seine Unmenschlichkeit abschreckend ist. Seine Barbarei entfaltet sich am stärksten in seiner Methode des Kolonialismus. Hierbei hebeln Kolonialmächte ihre eigenen Werte aus und setzen sie bewusst außer Kraft.
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ war die Parole der Französischen Revolution und ist bis heute der Wahlspruch Frankreichs. Es war und bleibt eine leere Parole, die zwar einnehmend klingt, aber nie eine Großmacht hervorgebracht hätte, die andere Länder und Völker beherrscht. Gerade das Verständnis, dass nicht alle Menschen Anspruch auf Freiheit hätten und nicht alle gleich seien, ermöglichte Frankreich, seinen Einfluss jenseits seiner territorialen Grenzen auszudehnen und zu zementieren. Das Gegenteil von Gleichheit hat den französischen Kolonialismus vorangebracht, nämlich der Rassismus, der in den Kolonien praktiziert wurde, etwa in Algerien, das ein Paradebeispiel für Frankreichs unabgeschlossene blutige Kolonialgeschichte ist.
Kolonialismus funktioniert nur durch die Anwendung rassistischer Praktiken. Rassismus und Kolonialismus sind daher eng miteinander verflochten. Durch die Vorstellung, dass nichteuropäische Völker minderwertig seien, fühlen sich westliche Kolonialmächte – bis heute – im Recht, andere Völker zu beherrschen, sie zu vertreiben, ihre Rohstoffe zu rauben, sie als billige Arbeitskräfte auszubeuten und sie zu töten, sobald sie sich ihrer Ausbeutung und Unterdrückung widersetzen oder sie in irgendeiner Form der Kolonialpolitik im Wege stehen. Mit dieser Einstellung kolonialisierte Frankreich Algerien, das im Zuge des Wettlaufs der europäischen Kolonialmächte um Afrika mit Tunesien und Marokko zur Kolonie Französisch-Nordafrika wurde, und betrieb eine grausame Diskriminierungspolitik gegenüber der muslimischen Bevölkerungsmehrheit fern der Idee von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.
Algerien, das Teil des Kalifats war, wurde 1830 offiziell französische Kolonie. Es sollte aussehen, als hätte die Kolonialisierung Algeriens eine rein zufällige Vorgeschichte. Der damalige französische Generalkonsul hatte bewusst eine Beleidigung seiner Person herbeigeführt, um Frankreich einen Vorwand zu geben, Algerien zu besetzen. Als Hussein Pascha (Hussein Dey) von Algerien den Konsul Pierre Deval im Jahr 1827 bei einem Empfang auf die immensen Schulden ansprach, die Frankreich bei Algerien hatte, und eine Rückzahlung forderte bzw. wissen wollte, warum noch keine solche erfolgt sei, gab der Konsul eine unverschämte Antwort und machte deutlich, dass seine Regierung nicht gewillt sei, auf dieses Anliegen zu reagieren, weil sie es für unnötig halte. Das war eine bewusste Provokation, denn Frankreich befand sich aufgrund seiner Schulden im Unrecht. Hussein Pascha versetzte Deval daraufhin einen Schlag mit dem Fliegenwedel, der als Anlass für die Kolonialisierung Algeriens in die Geschichte einging und unzähligen Muslimen das Leben kostete. Dass Frankreich es auf einen diplomatischen Skandal angelegt hatte, zeigt sich daran, dass der Vorfall drei Jahre später noch als Vorwand genommen wurde, einen französischen Feldzug gegen Algerien zu führen und es zu besetzen. Darüber hinaus schickt Frankreich mit Sicherheit keine 37.000 Mann starke Armee nach Algerien, nur um seinen Generalkonsul zu rächen. Vielmehr wirkt der diplomatische Skandal wie Teil des ganzen französischen Kolonialisierungsplans. Der deutsche Reisende und Abenteurer Simon Friedrich Pfeiffer, der in Algerien lebte, sprach in seinen Reise- und Lebensbeschreibungen von einer Inszenierung.
Frankreich sah in Algerien ein Niemandsland, das man uneingeschränkt besiedeln könnte. Wenn eine Kolonialmacht ein Land für menschenleer erklärt und zur Besiedlung freigibt, dann kann man sich ausmalen, was mit der einheimischen Bevölkerung geschieht, deren Grund und Boden es ja ist, den man besiedeln möchte. Gegen Menschen, deren Existenz man ausblendet, kann man offiziell keine Verbrechen begehen und deshalb hemmungslos morden, vertreiben und ausbeuten. Algerien wurde nicht nur militärisch besetzt, sondern auch als Siedlungskolonie missbraucht. Spezielle Siedlungsprogramme sollten Siedler aus Europa ins Land locken. Der Landraub, ein wesentlicher Aspekt französischer Kolonialpolitik in Algerien, und die Vertreibung der algerischen Muslime erfolgten demnach auch durch Siedler aus unterschiedlichen europäischen Ländern.
Natürlicherweise kam es bei diesem Unrecht zum Widerstand der Muslime, dem Frankreich einen brutalen Vernichtungskrieg entgegensetzte. Vertreibungen und massenhafte Ermordungen nahmen das Ausmaß eines Völkermordes an, was Frankreich bis heute nicht eingesteht. Eine Methode, den Widerstand niederzuschlagen, war, die Menschen massenhaft in Höhlen oder Grotten zu sperren, ein Feuer zu legen und sie im Rauch ersticken zu lassen – ein Vorläufer des Vergasens. Darüber hinaus wendete Frankreich die Taktik der verbrannten Erde an, bei der Felder und sogar ganze Wohngebiete verbrannt wurden, weil die Menschen sich gegen ihre Unterdrückung zur Wehr setzten. Jeder Widerstand gegen die Kolonialherrschaft wurde grausam niedergeschlagen. Frankreichs brutale Kolonialpolitik führte auf diese Weise zu einer starken Dezimierung der algerischen Bevölkerung. Frantz Fanon, Verfasser des berühmten antikolonialen Buches „Die Verdammten dieser Erde“, der von der Kolonie Martinique stammte und somit selbst Opfer französischer Kolonialherrschaft war, meinte: „Als besiedelte Kolonie, die zum mutterstaatlichen Territorium erklärt wurde, hat Algerien unter einer Militär- und Polizeiherrschaft gelitten, die ihresgleichen in irgendeinem Kolonialland sucht.“ Frankreich probierte in Algerien, mit dessen Eroberung es sein zweites Kolonialreich begründete, vieles aus und wendete es später in seinen anderen Kolonien an.
Frankreich trieb das Unrecht auf die Spitze und erklärte im Jahr 1848 Algerien zu einem Teil des französischen Staates. Gebiete mit einer ausreichenden Anzahl an Europäern erhielten den Status eines französischen Departements. Aus Sicht Frankreichs lebte die algerische Bevölkerung somit nicht mehr in einem Kolonialland, sondern auf französischem Boden. Das heißt, Algerien wurde zu französischem Kernland erklärt. So sagte François Mitterrand noch 1954 zu Beginn des Algerienkrieges in seiner Funktion als Innenminister und als Zuständiger für die algerischen Departements: „Algerien ist Frankreich“. Die Muslime wurden enteignet und von den Europäern verdrängt. Den Muslimen, die in diesen Gebieten lebten, bot man auf der Grundlage eines Senatsbeschlusses von 1865 die französische Staatsbürgerschaft unter der Bedingung an, die islamischen Rechte und Pflichten aufzugeben, was die Mehrheit natürlich ablehnte. Die Muslime sollten hierbei auf ihren Status als Muslime verzichten. Damit suggerierte man den Muslimen, dass sie Untermenschen seien und die Franzosen über ihnen stünden, solange sie ihre Identität als Muslime beibehalten würden. Es ist eine Form des strukturellen Rassismus, den Frankreich praktizierte. Die französische Staatsbürgerschaft hätte aber ohnehin nicht zur Gleichbehandlung von Muslimen und Europäern mit gleichen Bürgerrechten geführt.
1881 führte Frankreich den „Code de l’indigénat“ („Gesetz der Eingeborenen“) für die algerische Bevölkerung ein, die nicht die französische Staatsbürgerschaft besaß. Mit diesem Instrument der Unterdrückung, auch Knüppelcode genannt, stellte Frankreich die Muslime unter ein eigenes Rechtssystem und schuf eine rassistische Hierarchie zwischen Europäern und Algeriern. Letzteren sprach es den Status Mensch ab und es erklärte sie zum Objekt. Genau genommen war es ein Unrechtssystem, denn es gab den algerischen Muslimen keine Rechte, sondern bestand nur aus Pflichten und Strafen. Das Gesetz erlaubte es, Algerier ohne Gerichtsverfahren zu bestrafen. Es gestattete außerdem die Kollektivstrafe und definierte Straftaten, die nur bei der einheimischen Bevölkerung als Straftaten galten, nicht aber bei Europäern. Beispielsweise wurde ein Muslim für die Verweigerung von Zwangsarbeit bestraft. Denn neben dem Raub von Rohstoffen war die Zwangsarbeit – genau genommen die Sklaverei – ein wichtiger Faktor für das Kolonialsystem Frankreichs. Im „Code de l’indigénat“ spiegelt sich die unbarmherzige Härte und das Unrecht des französischen Kolonialregimes wider. Ein Muslim musste nicht einmal gegen ein Kolonialgesetz verstoßen, um bestraft zu werden. Es reichte aus, wenn er einem Stamm zugeteilt war, aus dem jemand ein Kolonialgesetz brach, so dass die Kollektivstrafe angewendet wurde. Der „Code de l’indigénat“ wurde später auch in anderen französischen Kolonien eingeführt.
Frankreich musste für seine Verbrechen an den Muslimen nie geradestehen wie etwa Deutschland für seine Naziverbrechen an den Juden. Es bauscht sich sogar auf als Land der Menschenrechte und beschuldigt die Muslime pauschal des Terrorismus, nachdem es zum wiederholten Mal seine Karikaturen hervorholte, wohlwissend, dass Muslime sich provoziert fühlen, um dann sagen zu können, dass die Muslime eine Gefahr für die Meinungsfreiheit seien. Die Muslime haben unter Frankreichs Kolonialherrschaft und dem französischen Terror unsagbar gelitten, ohne dass die Geschichtsschreibung diesen Verbrechen einen angemessenen Stellenwert eingeräumt und ohne dass es für Frankreich Konsequenzen gehabt hätte. Die Geschichte hat die Gräuel Frankreichs an den algerischen Muslimen nicht vergessen, sondern wissentlich ignoriert. Charles de Gaulle, der im Zuge des Algerienkriegs französischer Präsident wurde, sagte nach dem Waffenstillstand von Évian: „Es ist nicht notwendig, einen Epilog zu schreiben über das, was unlängst getan oder nicht getan wurde. Was Frankreich anbelangt, so ist es notwendig, sich jetzt für andere Dinge zu interessieren.“ Frankreich legte seine Verbrechen einfach ad acta und niemand zog sie international zur Verantwortung. Der Begriff „Algerienkrieg“ wurde erst 1999 gesetzlich anerkannt. Vorher sprach Frankreich nur von den „Ereignissen von Algerien“. Während in Deutschland der Nationalsozialismus Teil des Geschichtsunterrichts ist, gibt es in Frankreich keine Erinnerungspolitik für die Verbrechen an den Muslimen – von Reparation ganz zu schweigen.