Interviews Interview mit einem Vertreter des Medienbüros von Hizb-ut-Tahrir im deutschsprachigen Raum zum hundertsten Jahrestag der Zerstörung des Kalifats – Teil 3

Bei dem folgenden Interview handelt es sich um den dritten Teil einer Interviewreihe anlässlich des hundertsten Jahrestages der Zerstörung des Kalifats.

Bei dem folgenden Interview handelt es sich um den dritten Teil einer Interviewreihe anlässlich des hundertsten Jahrestages der Zerstörung des Kalifats. Die Interviews sind Teil der globalen Kampagne von Hizb-ut-Tahrir, die ins Bewusstsein rufen soll, dass es sich bei dem Kalifat um die Schicksalsfrage der Umma handelt. Die Kampagne soll einen Impuls aussenden und bei den Muslimen das Bestreben wecken, sich nach Kräften für die Wiedererrichtung des rechtgeleiteten Kalifats einzusetzen.

Kalifat.com:As-salamu aleykum wa rahmatullahi wa barakatuh. Herzlich willkommen, lieber Bruder. Wir treffen uns jetzt zum dritten Mal, um anlässlich des hundertsten Jahrestages der Zerstörung des Kalifats gemeinsam zu reflektieren. Heute möchte ich den Blick nach vorne richten und auf die vorhandenen Potenziale der Umma fokussieren. Welche Möglichkeiten gibt es, um uns aus der katastrophalen Lage – die du ja ausführlich beschrieben hast – zu befreien?

Mediensprecher:Wa aleykum as-salam wa rahmatullahi wa barakatuh. Vielen Dank für die erneute Einladung. In unserem letzten Gespräch haben wir konstatiert, dass selbst islamische Denker und Bewegungen, die das Kalifat als Pflicht begreifen, oftmals von westlichen Denkfiguren beeinflusst sind und innerhalb nationalstaatlicher Strukturen wirken, um dieses Ziel zu erreichen. Auch haben wir festgehalten, dass dieser Ansatz von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, da er bereits auf gedanklicher Ebene durch fremde Anschauungen kompromittiert wurde. Der pragmatische Ansatz, wie wir ihn genannt haben, befähigt uns nicht, den Status Quo zu verändern – vielmehr verändert er uns und lässt uns zu einem Teil jenes Systems werden, das dem Aufstieg der Umma und der Wiedererrichtung des Kalifats im Wege steht! Der erste Schritt, um uns zu befreien, besteht also in der Befreiung unseres Verstandes. Hierzu müssen wir unser gesamtes Denken auf die islamische ʿaqīda stützen. Wir müssen also sämtliche Philosophien, Ideen und Vorstellungen über das Leben, die nicht aus den Offenbarungstexten und einem rein islamischen Denken resultieren, rigoros ablehnen. Der Gesandte (s) sagte:

«من أحدث في أمرنا هذا ما ليس منه فهو رد»

Wer in dieser unserer Angelegenheit etwas hervorbringt, was nicht dazugehört, so ist es zurückzuweisen.[Buḫārī]

Kalifat.com: Aber hat der Westen nicht auch nützliches Wissen hervorgebracht? Ich denke da an die Naturwissenschaften und den technologischen Fortschritt.

Mediensprecher: Natürlich hat er das, und diesem Wissen sollten wir uns auch nicht verschließen. Aber deine Frage zeigt, wie wichtig es ist, die Dinge differenziert zu betrachten und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, welche Erkenntnisse weltanschaulich geprägt sind und welche nicht. Wenn es um die Nutzung materieller Erscheinungsformen geht, die auf weltanschaulich unabhängigen Entdeckungen und Erkenntnissen beruhen, können wir diese übernehmen, da sie weder kulturell noch ideologisch geprägt sind. Auch rein deskriptive Beschreibungen der Realität, die nüchterne Tatsachen wiedergeben, können übernommen werden. Aber bereits bei der Deutung von Dingen und Ereignissen wird die Schwelle zum Weltanschaulichen überschritten. An dieser Stelle verändert sich auch die Fragestellung vom „wie“ oder „was“ zum „warum“. Es geht also um die Zuordnung der Dinge und darum, ihnen einen Sinngehalt zu verleihen. Ich spreche hier von einem weltanschaulichen Bezugssystem, das dem Menschen als Orientierung für das eigene Leben dient. Nicht ohne Grund unterscheiden wir in unserer Literatur zwischen den Konzeptionen über die Dinge und den Konzeptionen über das Leben. Wir differenzieren also zwischen dem Abbild und der Deutung einer Realität.

Kalifat.com: Das musst du mir erklären. Kannst du das mit Beispielen veranschaulichen?

Mediensprecher: Medizinstudenten können dir ein ganzes Lied davon singen. Wenn im Anatomieunterricht Teile des menschlichen Körpers auf den ersten Blick sinnlos erscheinen – wie zum Beispiel der Blinddarm – dann wird den Studenten erklärt, es handelt sich um ein rudimentäres Körperteil, das im Laufe der Evolution seine Funktion verloren hat. Hier schwingt also die Evolutionslehre mit, die ein ganz spezifisches Menschenbild vermittelt. Niemand streitet die Existenz des Blinddarms ab – das ist die Beschreibung der Realität. Die weltanschauliche Deutung besteht jedoch darin, dass sich der Mensch evolutionär entwickelt habe und immer noch entwickelt. Eine Erzählung, die sich sehr gut in das progressive Menschenbild des Liberalismus oder auch in das marxistische Metanarrativ des dialektischen Materialismus einbetten lässt. Marx bezeichnete die Evolutionslehre ja auch als naturhistorische Grundlage für seine Ansicht und als naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes. Bei den sogenannten Geisteswissenschaften ist die Verflechtung zwischen Beschreibung und weltanschaulicher Deutung noch viel intensiver. Philosophie, Geschichts- und Sozialwissenschaften – all das sind keine neutralen Wissenschaftsbereiche, sondern Destillate einer ganz spezifischen Sicht auf die Welt. Schau dir doch die Politikwissenschaft an. Hier beginnt das Problem bereits bei der Definition der Grundbegriffe und des Gegenstandsbereichs. Was ist Politik? Neben deskriptiven Definitionsversuchen gibt es vor allem normative – also weltanschaulich geprägte – Politikbegriffe, die den wissenschaftlichen und vor allem auch den öffentlichen Diskurs maßgeblich beeinflussen. Ein marxistischer Politikbegriff wäre zum Beispiel: Politik ist der alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringende Kampf der Klassen und ihrer Parteien, der Staaten und der Weltsysteme um die Verwirklichung ihrer sozialökonomisch bedingten Interessen und Ziele. Daneben gibt es liberale Begriffsbestimmungen, bei denen die Verwirklichung individueller Freiheitsrechte im Zentrum steht oder auch solche Definitionen, die auf die Erlangung und den Erhalt von Macht abstellen. So verhält es sich mit allen Grundbegriffen und Kategorien, die für die politische Arbeit maßgeblich sind. Wie ich bereits sagte – es sind Gedankensysteme bzw. Konzeptionen über das Leben, die dem Menschen Orientierung für das eigene Handeln geben.

Kalifat.com: Bevor wir das noch weiter vertiefen, möchte ich eine Zwischenfrage stellen. Wie kommt es, dass sich Muslime so stark von fremden Gedankenkonstrukten beeinflussen lassen? Wir haben ja festgehalten, dass selbst islamische Denker und Bewegungen dahingehend affektiert sind.

Mediensprecher: Dafür gibt es viele Gründe und über einige davon haben wir auch schon in unserem zweiten Gespräch diskutiert. An dieser Stelle möchte ich aber einen weiteren Aspekt hervorheben, der auf praktischer Ebene eine oft noch größere Rolle spielt. Überleg mal, woran denkt man als erstes, wenn es um „den Westen“ geht? Was fällt einem ein?

Kalifat.com: Ich würde sagen Wohlstand und technologischer Fortschritt.

Mediensprecher: Richtig! Niemand denkt zuerst an tote Philosophen oder irgendwelche Werte. Es ist die technisch-materielle Überlegenheit, von der die Muslime, aber auch viele andere Völker beeindruckt sind. Wenn sie gen Westen blicken, sehen sie Wohlstand, innovative Technologien und wissenschaftliche Errungenschaften. Nun muss es ja einen Grund geben, warum gerade der Westen in diesen Bereichen führend ist – und die irreführende und zugleich fatale Antwort auf diese Frage lautet oft: Die westliche Kultur! Dieser Gedanke ist ein gefährlicher Trugschluss, den sich der Westen natürlich gern zu Nutze macht und diesen vorsätzlich reproduziert und transportiert. Wie oft hört man, dass die liberale Kultur mit ihrer offenen Gesellschaft die Voraussetzung für innovatives Denken und materiellen Fortschritt sei!? Eine nüchterne Bestandsaufnahme zeichnet aber ein völlig anderes Bild. Wir haben gesehen, wie die Sowjetunion regelrechte Quantensprünge in ihrer technologischen Entwicklung gemacht hat. Aber auch das Dritte Reich – das alles andere als liberal war – beeindruckte seine Gegner mit rasanten Fortschritten in Industrie und Technik. Heute erleben wir, wie China mit einem extrem autoritären System mit den Vereinigten Staaten um die Technologieführerschaft in Schlüsselbereichen wie der künstlichen Intelligenz, der Automatisierung, der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität konkurriert. Du siehst also – die westliche Erzählung von einem liberalen Entwicklungsparadigma ist nichts anderes als politische Propaganda!

Kalifat.com: Welche Voraussetzungen müssen denn erfüllt sein, damit eine Gesellschaft einen materiellen Aufstieg erlebt?

Mediensprecher: Die Formel ist relativ einfach: Kein materieller Aufstieg ohne geistigen Aufstieg! In all diesen Ländern hat sich ein politischer Wille entwickelt, der zu einem höheren Organisationsgrad und entsprechenden Strukturen geführt hat. In der Regel geht das auf eine ideologische Motivation zurück, die mit dem Streben nach politischer und wirtschaftlicher Autarkie einhergeht. Der materielle Entwicklungsgrad einer Gesellschaft sagt also nichts über den Wahrheitsgehalt ihrer Kultur und Weltanschauung aus. Vielmehr ist er das Ergebnis einer Synthese aus weltanschaulichen Ideen und politischem Handeln – wir haben es also mit synergetischen Effekten zu tun. Und jetzt schau auf die islamische Welt. Das Problem besteht doch darin, dass wir auf ordnungs- und ideenpolitischer Ebene eine einzige Ansammlung von Widersprüchen haben. Verstärkt wird dieser Zustand durch die fehlende Identifikation der Bevölkerung mit den Strukturen der gegenwärtigen Nationalstaaten. Diese erkennen sie zurecht als Unterdrückungsinstrumente, die nicht in ihrem, sondern gegen ihr Interesse handeln. Nicht ohne Grund erleben wir seit Jahrzehnten einen fortschreitenden Zerfall dieser Staaten. Das, was wir im Moment erleben, ist das Gegenteil von dem, was wir aus der islamischen Geschichte kennen. Auch die Umma erlebte nach der Gründung des Islamischen Staates in Medina einen geistigen und materiellen Aufstieg. Insbesondere im abbasidischen Kalifat blühten auch die Wissenschaften regelrecht auf – ein Fakt, den selbst Orientalisten nie unter den Teppich kehren konnten. Dieser Aufstieg war die logische Konsequenz einer ordnungspolitischen Struktur, die auch die islamische Überzeugung der Menschen widerspiegelte.

Kalifat.com: Gut, dann würde ich jetzt gerne an deine Formulierung „geistiger Aufstieg“ anknüpfen. Welche Ideen bilden denn nun die Voraussetzung, um unsere politische Handlungsfähigkeit in Form eines Kalifats wiederherzustellen?

Mediensprecher: Wie gesagt, wir müssen unser gesamtes Denken auf die islamische ʿaqīda stützen. Wir müssen sie als qāʿida fikrīya – als unser Denkfundament – begreifen. Um das möglichst konkret darzustellen, möchte ich einige Aspekte unserer Anschauung in bewusster Abgrenzung zu westlichen Ideen skizzieren. Der Mensch ist kein autonomes Wesen, das den Sinn seines Lebens selbst bestimmt, sondern ein Geschöpf Allahs (swt), das sich dem Willen seines Schöpfers fügen muss. Sein Naturell unterliegt keiner progressiven Entwicklung, in deren Zuge sich seine Bedürfnisse ständig verschieben und erweitern. Vielmehr ist der Mensch ein beständiges Wesen, dass von Allah (swt) mit einer fira ausgestattet wurde, mit einer begrenzten Anzahl an Instinkten und Bedürfnissen. Auch wird der Mensch nicht frei und unabhängig geboren, sondern ist von Anfang an abhängig und Teil einer sozialen und normativen Ordnung. Er ist also Teil einer Gesellschaft, die sich nicht aus partikularen Individuen zusammensetzt, sondern sich durch fortwährende Beziehungen zwischen den Menschen auszeichnet. Das bloße Vorhandensein von Gesellschaften widerlegt das Bild eines egozentrischen Menschen, der nur nach Freiheiten bzw. persönlicher Entfaltung strebt. Vielmehr ist der Mensch ein soziales Wesen, das nach einem Sinn in seinem Leben und seinem Platz in der Gesellschaft sucht. Nur über eine normative Ordnung, mit der er sich identifizieren kann, ist der Mensch in der Lage, die Befriedigung seiner Bedürfnisse und Instinkte in Relation zu anderen Menschen sicherzustellen. Jede Gesellschaft zeichnet sich also durch Gesetze und staatliche Strukturen aus – sonst gäbe es Chaos. Wenn diese Strukturen den Vorstellungen der Menschen entsprechen, haben wir eine funktionierende Gesellschaft. An diesem Punkt sind wir auch bei dem Staatsbegriff angelangt. Als Muslime begreifen wir den Staat nicht als Hüter individueller Freiheiten, sondern als ordnungspolitisches Instrument, durch das die kollektiven Angelegenheiten und Interessen der Gemeinschaft betreut werden können. Und um es ganz konkret auszudrücken – das Kalifat ist ein islamischer Staat, in dem die Angelegenheiten und Interessen der Umma gemäß den Ge- und Verboten Allahs (swt) betreut werden.

Kalifat.com: Kannst du die Unterschiede zum Nationalstaat noch etwas verdeutlichen?

Mediensprecher: Der Nationalstaat ist im Gegensatz zum Kalifat ein Territorialstaat mit einem genau definierten Hoheitsgebiet. Das politische Subjekt ist ein genau definiertes Volk, dessen Identität anhand gemeinsamer Merkmale wie Sprache, Geschichte oder Ethnie konstruiert wird – du erinnerst dich an den europäischen Volksbegriff, über den wir uns bereits unterhalten hatten. Dieses Volk ist gleichzeitig der Souverän, der über die normative Ordnung bestimmt. Ob sich das in einer parlamentarischen Demokratie oder in einem Führerstaat äußert, ist im Grunde zweitrangig. Beiden Regierungssystemen liegt ein anthropozentrisches Weltbild zugrunde, in dem der Mensch über allem steht. Zu der Wahrheit gehört also auch, dass liberale Demokratien genau wie faschistische Modelle säkulare Nationalstaaten sind, in denen sich der jeweilige Volkswille manifestiert. Im Kalifat hingegen liegt die Souveränität nicht beim Menschen, sondern bei der Scharia. Die Autorität liegt originär nicht beim Staat, sondern bei der Umma, die den Kalifen durch die baiʿa einsetzt und ihn zur Rechenschaft zieht. Auch fügt sich das Kalifat nicht der westfälischen Logik einer statischen Territorialordnung und ist damit auch kein Teil der sogenannten internationalen Staatengemeinschaft. Das Kalifat wird immer danach streben, die gesamte Menschheit von jenen Staaten zu befreien, die ihre Bürger einer widernatürlichen und destruktiven Ordnung unterwerfen. Du siehst, wir verfügen über ein umfassendes Menschen- und Gesellschaftsbild, das aus der islamischen ʿaqīda resultiert und sich grundlegend von allen anderen Philosophien und Weltanschauungen unterscheidet.

Kalifat.com: Gesellschaften bestehen aber nicht nur aus grundlegenden Ideen und Anschauungen, sondern auch aus Systemen. Ich denke da an konkrete Politikfelder wie beispielsweise die Wirtschaftspolitik. Lassen sich aus der ʿaqīda und den islamischen Quelltexten auch konkrete Systeme und Prinzipien ableiten?

Mediensprecher: Selbstverständlich. Genau aus diesem Grund operieren wir auch nicht mit dem verengten Religionsbegriff, sondern sprechen von einer Ideologie – also einer Weltanschauung, aus der ein System hervorgeht, das alle Facetten des menschlichen Lebens umfasst. Diesen umfassenden Charakter der Scharia erkennen wir bereits in den klassischen Kategorien der islamischen Rechtswissenschaft. So sprachen die Gelehrten nicht nur von den ʿibādāt (gottesdienstlichen Handlungen), malbūsāt und maṭʿūmāt (Kleidungs- und Nahrungsvorschriften), sondern auch von den muʿāmalāt (Rechtsbeziehungen) und den ʿuqūbāt (Strafgesetzen). Gerade aus den letztgenannten lassen sich zentrale Normen für das Sozial-, Rechts- und Wirtschaftssystem ableiten. Durch das Zusammenführen der unterschiedlichen Rechtssprüche hat Hizb-ut-Tahrir klare Strukturen für alle staatsrelevanten Ressorts herausgearbeitet. In dem Buch „Institutionen im Staate des Kalifats in Regierung und Verwaltung“ hat die Partei sämtliche Staatsorgane und ihre Funktionen beschrieben. In dem Werk „Das Beziehungssystem der Geschlechter“ geht es primär um das Familienrecht und die Geschlechtsbeziehungen insgesamt. Die ökonomischen Strukturen werden in dem Buch „Das Wirtschaftssystem im Islam“ erläutert. Hier geht es neben den konkreten Rechtssprüchen im Handels-, Firmen-, Arbeits- und Vertragsrecht auch um paradigmatische Fragen der Wirtschaftsordnung. Was sind die Grundlagen einer islamischen Eigentumsordnung? Wodurch zeichnet sich das islamische Währungssystem aus? Was ist der Unterschied zwischen dem Wert und dem Preis einer Ware und welche Rolle spielen Angebot und Nachfrage? Auch wird das gesamtgesellschaftliche Wirtschaftsziel definiert und vom Kapitalismus und Kommunismus abgegrenzt. Während die oberste Maxime im Kapitalismus das ewige Wachstum ist, geht es den Kommunisten um die Verstaatlichung der Produktionsmittel, um die klassenlose Gesellschaft herzustellen. Der Islam zielt hingegen auf die Verteilung von Vermögenswerten, sodass die Versorgung aller Bürger im Kalifat gewährleistet ist. Auch hat die Partei die Rechtssprüche und Prinzipien für die Staatsfinanzen dargelegt. So wird in dem Buch „Die Finanzen im Staate des Kalifats“ ausführlich erläutert, wie öffentliche Gelder verwaltet werden. All die Systeme und Ressorts, die ich gerade beschrieben habe, werden in konzentrierter Form in dem Verfassungsentwurf abgebildet, den Hizb-ut-Tahrir für das künftige Kalifat erarbeitet hat. In dem zweiteiligen Werk „Präambel zur Verfassung“ (Teil 1, Teil 2) wurden zudem auf über 1000 Seiten detailliert alle Rechtsbelege dargelegt, aus denen der Verfassungsentwurf islamrechtlich abgeleitet wurde.

Kalifat.com: Das ist tatsächlich eine beeindruckende Ansammlung von geistigen Ressourcen. Daran möchte ich in unserem nächsten Treffen gerne anknüpfen und auch darüber sprechen, wie wir diese Gedanken und Ideen in die praktische Arbeit überführen können. Möchtest du zum Abschluss unseres heutigen Gesprächs noch etwas hinzufügen?

Mediensprecher: Ich möchte noch einmal betonen, dass wir als Muslime in der Lage sind, auf alle gesellschaftspolitischen Herausforderungen eine angemessene Antwort zu liefern. Dafür müssen wir uns den Ressourcen zuwenden, die uns der Islam bietet, um eine politische Programmatik ableiten und alternative sowie genuin islamische Positionen formulieren zu können. Das ist der erste Schritt zu einem tatsächlichen Kalifat, einem Staat, der auf der islamischen ʿaqīda aufbaut und sich bereits in seiner gedanklichen Konstruktion nicht der geistigen Hegemonie des Westens unterwirft.

Der Erhabene sagt:

﴿وَقُلْ جَاءَ الْحَقُّ وَزَهَقَ الْبَاطِلُ ۚ إِنَّ الْبَاطِلَ كَانَ زَهُوقًا

Und sag: „Die Wahrheit ist gekommen, und das Falsche geht dahin; wahrlich, das Falsche ist bestimmt dazu, dahinzugehen.“[17:81]