Geschichte Der 03. März 1924

Der dritte März ist ein Datum, das in das Gedächtnis eines jeden Muslims eingebrannt sein sollte.

Der dritte März ist ein Datum, das in das Gedächtnis eines jeden Muslims eingebrannt sein sollte. Es ist jener Tag des Jahres 1924 n. Chr., an dem die Muslime ihrer Einheit beraubt wurden. Dieses Datum sollte den Muslim stets darin erinnern, wie grandios die Zeiten waren, als die islamische Umma noch unter einer Flagge vereint war. Der 03. März 1924 ist der Tag, an dem das Kalifat, also jener Staat, den unser geliebter Prophet (s) vor über 1300 Jahren gründete, zerstört wurde.

Das Kalifat war der Dreh- und Angelpunkt des Islam. Seit seiner Gründung in Medina ließ er die Grenzen des Rassismus und Nationalismus, welche die Menschen bis heute noch spalten, komplett verschwinden.

Warum aber sollte der 03. März für uns im Jahre 2021 noch von Relevanz sein? Wie beeinflusst dieses Thema die Muslime heutzutage noch?

Die Auswirkungen der Zerstörung des Kalifats

Das Kalifat war die Verkörperung der Scharia. Das Osmanische Reich vereinte die Muslime unter seiner Führung von Indonesien im Osten bis nach Marokko im Westen. Seit der Niederlage der Osmanen im Jahr 1924 n. Chr. hat die islamische Umma eine unvorhersehbare Veränderung durchlebt. Die Tage der Einheit sind vorüber und gekommen sind die Tage des Zwists und der Zwiespalt unter den Muslimen. Heute sind wir in über 50 menschengeschaffene Staatsgebilde aufgeteilt. Uns wurden Grenzen auferlegt, die der ungläubige Kolonialist schuf. Über unseren Häuptern wehen Flaggen der Hochmut und der Erniedrigung, entweder abgeleitet aus nationalistischen Mythen oder aufgezwungen vom ungläubigen Kolonialherren.

Die verzwickte Lage der Muslime heute ist ein direktes Resultat der Zerstörung des Kalifats und der daraus folgenden Uneinigkeit unter den Muslimen. Das grausame Leiden der Umma ist in unseren Augen zur Normalität geworden, die wir tagein und tagaus mit nüchternen Augen hinnehmen oder der wir alternativlos, aber emotional gegenübertreten. Irak, Afghanistan, Myanmar, Syrien, Ostturkestan; die Liste an Schauplätzen des Leids scheint endlos.

Ohne einen Imam, der unsere Unstimmigkeiten beseitigt und die Muslime beschützt, ist die Umma nicht dazu in der Lage sich selbst zu beschützen und wird dies auch nie sein.

Abū Huraira überliefert, dass der Prophet (s) sagte:

«إِنَّمَا الإِمَامُ جُنَّةٌ يُقَاتَلُ مِنْ وَرَائِهِ وَيُتَّقَى بِهِ فَإِنْ أَمَرَ بِتَقْوَى اللَّهِ وَعَدَلَ فَإِنَّ لَهُ بِذَلِكَ أَجْرًا وَإِنْ أَمَرَ بِغَيْرِهِ فَإِنَّ عَلَيْهِ وِزْرًا»

„Der Imam ist wie ein Schild, dessen Befehlen man gehorchen sollte, wenn sie (die Muslime) kämpfen, und wo sie Schutz suchen sollten. Wenn er Furcht vor Allah gebietet und sich gerecht verhält, dann wird er belohnt werden, wenn er aber etwas Anderes gebietet, dann wird es eine Last (der Sünde) für ihn sein.“

Nach dem Ersten Weltkrieg

Nachdem die Osman im Ersten Weltkrieg besiegt wurden, zwangen die Siegermächte Großbritannien und Frankreich der gesamten islamischen Welt ihre Politik der Spaltung auf. Sie stifteten fortan überall dort Unheil, wo Leben die Erde besiedelte. Sie zogen Grenzen und verabschiedeten Verträge, die bis heute noch Wirksamkeit haben. Der Westen entriss den Muslimen Land für Land, bis das einst prächtige Großreich der Osmanen nur noch eine leblose Hülle war. Letztlich war das osmanische Kalifat nur noch ein Schatten seiner selbst und nicht länger die Weltmacht.

Der Westen gab sich mit der bloßen Unterjochung der islamischen Welt nicht zufrieden und hat das einst glorreiche Osmanische Reich bis auf sein Fundament zerlegt, so dass der Islam seine politische Stabilität auf der Weltbühne gänzlich verlor und die Einigkeit unter den Muslimen zunichte gemacht wurde. Auf diese Weise ließ sich ein künftiger Aufstieg des Islam verhindern.

Um diesem diabolischen Plan Genüge zu tun, planten die Westmächte die Etablierung eines terroristischen Gebildes mitten im Herzen eines der gelobten Länder der Muslime. Ein Staat, der bekannt wurde als das zionistische Gebilde namens „Israel“. Die folgende fundierte Aussage Sultan Abdulhamids II. zeigt auf, dass muslimische Ländereien ohne die Existenz eines Islamischen Staates nicht beschützt werden können. Als Antwort auf das Gesuch der Zionisten nach Israel im Jahr 1901 schrieb der Sultan:

„Ich kann keine Hand voll Erde dieses Landes weggeben, da dieses Land nicht mir gehört, sondern der islamischen Umma, die für das Schicksal dieses Landes gekämpft hat und es mit ihrem eigenen Blut aufgebaut hat. Die Juden vermögen ihre Millionen zu horten; wenn das islamische Kalifat jedoch eines Tages vernichtet werden sollte, so werden sie Palästina kostenfrei an sich reißen können. Sowahr ich lebe, stieße ich mir lieber ein Schwert in meinen Körper, als dass ich zusehen würde, wie die Länder Palästinas dem Islamischen Staat entrissen werden.“

Das Kalifat ist nachweislich die Schicksalsfrage der Muslime und des muslimischen Lebens auf der Erde. Das war selbst den Gegnern des Osmanischen Reiches bewusst. Im frühen 20. Jahrhundert trachteten die arabischen Revolten unter Sharif Hussein danach, ein eigenständiges Kalifat für die Araber zu gründen. Dieses „Kalifat“ hatten ihnen die Briten versprochen. Sharif Hussein erklärte sich selbst gar zum Kalifen, nachdem der osmanische Kalif am 3. März 1924 abdanken musste. Nichtsdestotrotz wichen die Briten von ihrem Versprechen ab. Es lag in ihrem Interesse, die Entstehung eines Kalifats von diesem Moment an zu verhindern. So sagte Lord Curzon, der damalige Auslandssekretär Großbritanniens:

„Wir müssen alledem Einhalt gebieten, was eine islamische Einigkeit unter den Söhnen der Muslime mit sich bringt. Die Situation jetzt ist, dass die Türkei tot ist und sich nie wieder erheben wird, da wir seine moralische Kraft, das Kalifat und den Islam vernichtet haben.“

Versuche einer Reetablierung

Im Gegenzug zu den arabischen Revolten, sehnten sich die Muslime im indischen Subkontinent nie nach dem Untergang des osmanischen Kalifats. Ganz im Gegenteil, unter den Muslimen dort kursierte sehr viel Sympathie und Unterstützung durch die sogenannte Khilafatbewegung. Die britische Gewaltherrschaft über Indien versuchte vergeblich jeden noch so kleinen Widerstand gegen das Regime im Keim zu ersticken, jedoch ließen sich die Muslime davon nicht einschüchtern. Sie richteten ihr Leben weiterhin gemäß der Scharia aus.

Im Jahre 1919 n. Chr. traf sich eine Delegation der Khilafatbewegung – darunter auch die Gebrüder ʿAlī – mit dem britischen Premierminister David Lloyd George. Sie forderten, dass die britische Regierung Mustafa Kemal daran hindern soll, den Sultan des osmanischen Kalifats zu stürzen. Obwohl diese Muslime unter der Schreckensherrschaft der Briten leben mussten, sahen sie dennoch die unabdingbare Dringlichkeit eines starken Kalifats als ihre oberste Priorität an und setzten sich dafür ein. Die Briten lehnten jedoch ab und fuhren fort, ihre zerstörerischen Pläne weiter in die Tat umzusetzen und dem Kalifen ein für alle Male den Garaus zu machen.

Nachdem die Khilafatbewegung nicht imstande war, ihr Ziel umzusetzen, und das osmanische Kalifat von der Dekadenz des Westens verzehrt und zersetzt wurde, führte die Khilafatbewegung ihre Arbeit fortan unter dem Namen „All-indische Muslimliga“ fort.

Im Jahr 1947 n. Chr. wurde der Staat Pakistan gegründet, mit dem Ziel, die Sehnsucht der Muslime nach dem Islamischen Staat zu stillen. Muhammad Ishaq Sandelvi, Mitglied der indisch-islamischen Bildungs- und Reformgesellschaft Nadwat al-ʿUlamāʾ („Rat der Wissenden“), wurde damit beauftragt, die pakistanische Regierung zu unterstützen, damit eine islamische Verfassung ausgearbeitet werden kann. In seinem Buch Islam Ka Siyasi Nizam”, behauptet Sandelvi zu Beginn, dass er mit seinem Empfehlungsschreiben zwei Ziele verfolgte: Erstens wolle er aufzeigen, dass die politischen Probleme auf der Welt durch den Islam gelöst werden können, und zweitens sei sein Entwurf einer Verfassung als Hilfe zu verstehen, damit islamische Gesellschaften ihre politischen Systeme auf Grundlage dieser ausgestalten könnten. Sandelvi war der klaren Auffassung, dass das politische System des Islam das Kalifat ist, welches – so Sandelvi – einzig auf religiöser Grundlage baut; insofern sei das Kalifat laut Aussage Sandelvis vom säkularen Staat, der Politik und Religion voneinander trennt, klar zu unterscheiden. Der Islam hat Gott zum Souverän auserkoren und damit zum absoluten Zentrum des gesamten politischen Systems. Keiner außer Ihm (t) kann Souverän sein. Die Implementierung der Gesetzgebung Gottes (Scharia) sei die fundamentale Pflicht des Islamischen Staates. Sandelvi untermauert seine Position, nämlich, dass die Etablierung eines Islamischen Staates Pflicht für jeden Muslim sei, mit einer Reihe von koranischen Versen. Laut ihm ist jeder einzelne Muslim dazu angehalten, die nötigen Schritte zur Wiedererrichtung des Kalifats zu unternehmen.

Die Gelehrten der damaligen Zeit haben die Wichtigkeit des Kalifats verstanden und waren sich durchaus bewusst, dass die Muslime harsche Konsequenzen zu fürchten hätten, sollte das Kalifat jemals abgeschafft werden. Deshalb bemühten sie sich darum, dass das Kalifat eine greifbare Realität für die Muslime bleibt. Die Anstrengungen für ein Kalifat hörten dort jedoch nicht auf.

In den späten 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts fanden mehrere Konferenzen in Kairo und Mekka statt, an denen Gelehrte aus aller Welt teilnahmen, um darüber zu diskutieren, wie das verlorengegangene Kalifat wiedererrichtet werden könne. Die Dringlichkeit dieser Angelegenheit zieht sich wie eine lebenserhaltende Ader durch die Geschichte der Muslime und des Islams im 20. Jahrhundert bis heute. Die Rufe nach der Wiedervereinigung der Muslime unter einem gemeinsamen Banner – dem des Rechtgeleiteten Kalifats gemäß dem Plan des Prophetentums – sind bis heute stets lauter und stärker geworden.

Schlusswort

In Wahrheit verbirgt sich hinter dem 03. März ein entscheidendes Ereignis für die Muslime weltweit. Die Auswirkungen der Zerstörung des Kalifats, unter denen die Muslime seit diesem Tag zu leiden haben, sind an Grausamkeit und Trauer kaum zu überbieten. Seit der Zerstörung des Kalifats sind die Muslime zu leichter Beute für die Ungläubigen und ihre Vasallen geworden. Krieg, Tod, Leid, Hunger, Seuchen, Verrat, Hass, Rückstand und Korruption suchen jede Ecke der damaligen Gebiete des Islamischen Staates heim und verfolgen die Muslime auf Schritt und Tritt. Spaltung und Mord sind an der Tagesordnung. Eine Verwirrung und Korruption, die die Erde seit dem Ableben des ehrenwerten Propheten Muḥammad (s) nicht mehr gesehen hat, sucht jede Ecke der Erde heim. So sagte Ibn Isḥāq:

„Als der Gesandte Allahs (s) starb, spalteten sich die arabischen Stämme. Das Judentum und das Christentum wurden arrogant und die Heuchelei verbreitete sich. Als die Muslime ihren Propheten (s) verloren, glichen sie Schafen in einer regnerischen Wintersnacht, bis Allah (t) sie unter Abū Bakr – möge Er mit ihm zufrieden sein – wiedervereinte.“

Die Situation, die wir als Muslime derzeit zu durchleben haben, ist beispiellos in unserer Geschichte. Nie zuvor gab es so viele Muslime wie heute, wenngleich ihnen eine Institution fehlt, die die Lebensordnung des Islam implementiert und über sie anwendet. Der Islamische Staat war auch für die Prophetengefährten von zentraler Wichtigkeit. Sie konnten sich nicht im Entferntesten vorstellen, dass dieser Staat eines Tages nicht mehr existieren würde. Die frühen Gelehrten sprachen zwar oft über die Wichtigkeit des Kalifats, kamen jedoch nie dazu darüber zu sprechen, wie es wieder zu errichten wäre, falls es eines Tages abgeschafft werden sollte, da solch ein Gedanke fern jeder Realität war. In jeder Gesellschaftsschicht sehen wir uns enormen Hürden und Problemen in Politik und Gesellschaft gegenübergestellt. Konfessionelle Dispute sind das Resultat der Nichtanwendung des Islam über die Menschen. Ebenso sind all die wirtschaftlichen Krisen und auch die psychischen und seelischen Erkrankungen innerhalb der Gesellschaften auf das Nichtvorhandensein des Islamischen Staates zurückzuführen.

Es gibt weder temporäre noch partielle Lösungen für unsere derzeitige Situation. Die Wahrheit ist, dass alles eng miteinander verwoben ist: persönliche, soziale, ökonomische und politische Probleme. Es ist unmöglich, sich dem einen Problem zu widmen, ohne sich den anderen Problemen ebenfalls zu widmen.

Deswegen ist es unabdingbar, nach einer ideologischen Lösung für unser Problem zu suchen. Diese ideologische Lösung besteht darin, den Islam ganzheitlich in Form eines Kalifats wiederherzustellen. Nur auf diese Weise können wir unsere Probleme lösen. Genau dies zeigt uns die Geschichte und auch die sīra des Propheten (s), der den ersten Islamischen Staat in Medina gründete, auf.