Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Das Anrufen der Gerichte in der Stätte des Unglaubens, um ein Unrecht zu beheben
Frage:
As-salāmu ʿalaikum mein lieber Bruder. Ich habe eine wichtige Frage. In Sure An-Nisā`, Ayah 60, verbot Allah uns, zu Kufr-Gerichten zu gehen. Heute, in Abwesenheit eines Kalifats, werden alle Länder der Muslime von Tyrannen-Führern regiert.
Dürfen wir, wenn wir nun Streitigkeiten lösen müssen, zu den Gerichten dieser Tyrannen-Führer gehen? Angenommen ein Familienmitglied von mir wird vergewaltigt. Ist es zulässig, vor ein Gericht zu ziehen, wo das Urteil auf unislamischer Grundlage gefällt wird?
Denn sie urteilen nicht nach der Scharia. Und Allah verbietet es, zu einem Tāghūt zu gehen, der Streitigkeiten nach seinem eigenen Gesetz anstatt Allahs Gesetz löst.
Jazakallahu khayran.
Antwort:
Wa ʿalaikum as-salām wa raḥmatullāhi wa barakātuh!
Dazu haben wir bereits eine Frage/Antwort am 18.12.2009 herausgegeben, sie lautete wie folgt:
„Für denjenigen, der in der Stätte des Unglaubens lebt, in der es keine islamischen Gerichte gibt, ist es erlaubt, die Gerichte in der Stätte des Unglaubens anzurufen, um ein Unrecht von sich abzuwenden und zu verhindern, dass ihm sein Anspruch unterschlagen wird. Bedingung ist jedoch, dass sein Anspruch islamrechtlich feststeht und nicht gemäß ihren Gesetzen, die dem islamischen Recht widersprechen.
Wenn jemand zum Beispiel bestohlen wird, so gibt ihm der Islam sein gestohlenes Vermögen zurück. Wer also bestohlen wurde, darf sich an solche Gerichte wenden, um sein gestohlenes Gut zurückzubekommen.
Oder es verkauft jemand sein Haus an eine Person für einen bestimmten im Voraus zu zahlenden Betrag, wobei der Rest in Raten zu zahlen ist. Der Käufer zahlt die Anfangssumme, aber weigert sich, den Restbetrag zu zahlen, oder streitet diesen ab, obwohl er das Haus gekauft und bezogen hat…Hier sieht der Islam vor, dass dem Verkäufer sein Recht zurückgegeben wird. Folglich ist es dem Verkäufer erlaubt, sich an die Gerichte zu wenden, um den Betrag einzufordern, den der Käufer ihm verweigert.
Das heißt, es ist ihm erlaubt, die Gerichte in der Stätte des Unglaubens anzurufen, um ein Unrecht von sich abzuwenden oder einen Anspruch zurückzubekommen. Bedingung ist jedoch, dass dieser Anspruch islamrechtlich feststeht.
Wenn ihm der Anspruch jedoch nach den positivistischen Gesetzen zusteht, aber dem islamischen Recht widerspricht, so ist es ihm nicht erlaubt, sich an die Gerichte zu wenden, um diesen Anspruch zu erhalten.
Dazu das folgende Beispiel:Jemand ist Aktionär in einer Aktiengesellschaft, deren Gesellschaftsvertrag ja islamrechtlich nichtig (bāṭil) ist. Als die Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden, ist er der Ansicht, dass der an ihn ausgezahlte Gewinn kleiner ist als jener, der ihm gemäß Anzahl seiner Aktien zustünde. In diesem Fall wäre es ihm nicht erlaubt, sich an die Gerichte in der Stätte des Unglaubens zu wenden, um seinen vollen Anspruch gemäß seiner Aktienanzahl einzufordern. Dieser Anspruch steht ihm nämlich gemäß der positivistischen Gesetzgebung zu, er widerspricht aber dem islamischen Recht. Denn die Aktiengesellschaft ist islamrechtlich nichtig, und was sich daraus an Gewinnen ergibt, ist nicht erlaubt. Für den Muslim ist es daher verpflichtend, aus so einer Gesellschaft auszutreten.
Ein weiteres Beispiel:Jemand hat sein Geld zu einem bestimmten Zinssatz bei einer Bank hinterlegt. Als die Bank ihm die Zinsen ausbezahlt, berechnet sie ihm einen geringeren Zinssatz als ursprünglich ausgemacht. Auch in diesem Fall wäre es ihm nicht erlaubt, sich an die Gerichte in der Stätte des Unglaubens zu wenden, um den vollen Zinsbetrag einzufordern und die Bank zu zwingen, ihm diesen auszubezahlen.Denn dieser Anspruch steht ihm gemäß der positivistischen Gesetzgebung zu, aber nicht nach den Gesetzen des islamischen Rechts. Für einen Muslim wäre es verpflichtend, dieses Zinsgeschäft mit der Bank zu annullieren.
So stellt sich der Rechtsspruch dar. Wem also ein Unrecht widerfährt oder ihm sein Anspruch unterschlagen wird und ihm dieser Anspruch gemäß den Gesetzen des islamischen Rechts zusteht, der kann sich an die Gerichte in der Stätte des Unglaubens, in der er lebt, wenden, um das Unrecht das ihm widerfahren ist, aufzuheben und seinen Rechtsanspruch geltend zu machen. Steht ihm der Anspruch jedoch nur nach den positivistischen Gesetzen zu, aber nicht nach den Gesetzen des islamischen Rechts, so ist es ihm nicht erlaubt, sich an die Gerichte in der Stätte des Unglaubens zu wenden, um diesen Anspruch einzufordern…Nichtsdestotrotz wäre es besser, wenn er versucht, sein Recht durch die Vermittlung rechtschaffener Leute zurückzubekommen, bevor er sich an solche Gerichte wendet. (Ende der Antwort)
Ich hoffe, dass diese Ausführungen ausreichend sind, und Allah ist wissender und weiser.
Euer Bruder ʿAṭāʾ ibn Ḫalīl Abū ar-Rašta
14. Rabīʿ al-Āḫir 1441 n. H.
11.12.2019