Ausland Déjà-vu in Mali

Der Staatsstreich, der sich im August 2020 ereignete, war für das Land der zweite Staatsstreich innerhalb von nur zehn Jahren. Jedoch scheint es, als hätte man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Der Staatsstreich, der sich im August 2020 ereignete, war für das Land der zweite Staatsstreich innerhalb von nur zehn Jahren. Jedoch scheint es, als hätte man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Mali war die erste Nation im Jahr 2020, die am 18. August 2020 einen erfolgreichen Staatsstreich erlebte. Teile der malischen Streitkräfte initiierten eine Meuterei, bei der Soldaten mit Pick-up Fahrzeugen die Sundiata Keita-Militärbasis in der Stadt Kati stürmten, Schüsse austauschten und hochrangige Offiziere verhafteten. Panzer, Militärlastwagen und gepanzerte Fahrzeuge fuhren anschließend in Richtung Hauptstadt Bamako, die 15 Kilometer entfernt liegt. Die Putschisten verhafteten mehrere Regierungsbeamte, darunter Präsident Ibrahim Boubacar Keïta, der zum Rücktritt und zur Auflösung der Regierung gezwungen wurde. Dies war der zweite Staatsstreich in Mali innerhalb von weniger als 10 Jahren, wobei es den Eindruck macht, dass aus dem Scheitern des Staatsstreichs von 2012 Lehren gezogen wurden.

Im April 2012 wurde Mali in Aufruhr versetzt, als junge Militäroffiziere aus den unteren Rängen der Armee nur einen Monat vor den allgemeinen Wahlen die zivile Regierung stürzten. Der später gescheiterte Putschversuch wurde durch Offizier Omedua Amadou Haya Sanogo ermöglicht, welcher in den USA ausgebildet worden war.

Die Rand Corporation bestätigte, dass „[…] der Anführer eines erfolgreichen Putsches in Mali, Captain Amadou Sanogo, eine umfassende Ausbildung durch das Internationale Militärische Ausbildungs- und Trainingsprogramm der USA (IMET) erhalten hatte.“[1] Ein US-Beamter merkte auch an, dass „Capt. Amadou Haya Sanogo, der eine abtrünnige Militärfraktion anführte, die am Donnerstag den demokratisch gewählten Präsidenten Malis abgesetzt hat, mehrmals die Vereinigten Staaten besuchte, um eine professionelle militärische Ausbildung, einschließlich einer grundlegenden Offiziersausbildung, zu erhalten.“[2] Die USA hatten gerade erst ihre Beziehungen zu Mali ausgeweitet und eine Reihe von Abkommen unterzeichnet, darunter Vereinbarungen zur Ausbildung handverlesener Offiziere der malischen Streitkräfte, die zu diesem Zweck in die USA reisen sollten.

Staatsstreiche aus den unteren Rängen einer Armee haben die höchste Misserfolgsrate. So ist es den malischen Nachwuchsoffizieren im Jahr 2012 trotz eines erfolgreichen Putsches nicht gelungen, ihre Stellung zu festigen. Sie hatten sich vor ihrem Putschversuch keine Basis der Unterstützung aufgebaut und so führte der Staatsreich letztendlich zum Zerfall des Sicherheitsapparates des Landes. Der gesamte Norden Malis wurde infolgedessen von den Tuareg und einer Reihe anderer Stammesgruppen in der Region übernommen. Die jungen Offiziere die den Putsch verübten, konnten die Expansion der Anṣār ud-Dīn nicht aufhalten und kapitulierten schließlich angesichts des Ansturms der Rebellengruppe, wodurch sie eine Reihe von Schlüsselstädten in Zentralmali verloren. Das Versäumnis der Offiziere, ihre Position zu festigen, war für ihre Bemühungen fatal.

Dies war ein kritisches Versäumnis der Nachwuchsoffiziere, da die politischen Eliten in Mali von Frankreich geschaffen wurden und der Sturz der politischen Ordnung ein großer Verlust für den ehemaligen Kolonialherren war. Mali steht schließlich im Mittelpunkt der französischen Pläne in der Sahelzone. So deklarierte Frankreich den gesamten Norden Malis als Gebiet, welches unter der Kontrolle von Extremisten stand, die mit der al-Qaida verbunden waren, sich ausbreiteten und die gesamte Region bedrohten. Frankreich konnte vom UN-Sicherheitsrat die Resolutionen 2071 und 2085 für eine Intervention im Norden Malis durchsetzen. 15.000 internationale Streitkräfte wurden hauptsächlich aus Frankreich und Europa zusammengestellt. Hinzu kamen afrikanische Streitkräfte, mit denen Frankreich eine gemeinsame afrikanische Truppe bildete, welche als „G5 Sahel Joint Force“ bezeichnet wird. Frankreich konnte seinen Einfluss durch die Bildung einer neuen Regierung in weniger als anderthalb Jahren nach dem Putsch von 2012 wiederherstellen. Außerdem gelang es ihnen, die einstige politische Ordnung wiederherzustellen. Präsident Abu Bakr Keïta wurde im August 2013 zum ersten Mal gewählt und 2018 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Dies war der Höhepunkt des damaligen Versagens der USA, ihren Einfluss im Land aufrechtzuerhalten und zu stärken.

Wenn ihr keinen Erfolg habt, versucht es erneut

Am 18. August 2020 kam es in Mali zu einem weiteren Staatsstreich, der erneut von Nachwuchsoffizieren aus den unteren Rängen der Armee verübt wurde. Und wieder einmal wurde der Putsch von einem in den USA ausgebildeten Offizier angeführt. Die Washington Post veröffentlichte dazu: „Der Militäroffizier, der sich selbst zum Führer von Mali erklärte, nachdem er einen Putsch angeführt hatte, durch den der Präsident der westafrikanischen Nation diese Woche gestürzt wurde, erhielt ein Training von den Vereinigten Staaten, berichtete das Pentagon am Freitag… Colonel Assimi Goita, der am Donnerstag als Machthaber der Junta in Erscheinung trat, arbeitete jahrelang mit den US-Sondereinsatzkräften zusammen, mit dem Fokus auf die Bekämpfung des Extremismus in Westafrika. Er sprach regelmäßig mit den US-Truppen und nahm an von den USA geleiteten Trainingsübungen teil, sagten Offiziere beider Länder, die unter der Bedingung der Anonymität sprachen, da sie nicht befugt waren, die Angelegenheit öffentlich zu diskutieren.“[3]

Anders als noch 2012 findet der Putsch dieses Mal sogar öffentliche Unterstützung. So betonte Militärsprecher Ismael Wague: „Wir werden einen Übergangsrat einsetzen, mit einem Übergangspräsidenten, der entweder militärisch oder zivil sein wird.“[4] Diese Ankündigung lässt darauf schließen, dass es eine vorherige Vereinbarung zur Bildung dieses nationalen Ausschusses gab, der sechs Militärangehörige und achtzehn Zivilisten inkludiert. Sie werden als vorläufiges, gesetzgebendes Organ fungieren. Offensichtlich hatten die Putschisten bereits Elemente der Zivilgesellschaft, nationale Vereinigungen und Oppositionsparteien miteinbezogen, die sich bereit erklärt hatten, am Geschehen nach dem Putsch mitzuwirken. Anlässlich des Staatsstreichs stürmten die Menschen auf die Straßen von Bamako, um den Sturz des Präsidenten zu feiern. Mariam Cissé, eine Unterstützerin der Opposition, sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie sei „[…] überglücklich, dass wir gewonnen haben. Wir sind hierhergekommen, um dem ganzen Volk von Mali zu danken, denn es ist der Sieg des Volkes.“[5]

Die Unterstützung der Öffentlichkeit ist zwar für den Erfolg eines Putsches nicht unbedingt erforderlich, aber für die Verfestigung eines Staatsstreichs unerlässlich. Im Fall von Mali war dies möglich, weil Ibrahim Boubacar Keïta aufgrund der wirtschaftlichen Turbulenzen, der Korruption und der Unsicherheit in Mali bereits die öffentliche Unterstützung verloren hatte. Seit Monaten hatte es Demonstrationen gegen seine Regierung gegeben. Dies ist der Schlüsselfaktor, der dem Putsch von 2012 fehlte und Frankreich eine Möglichkeit zur Rechtfertigung seines Eingreifens gab. Die Nachwuchsoffiziere hatten 2012 keine öffentliche Unterstützung und konnten diese nicht schnell genug erlangen, da sich die Unsicherheit im Land ausbreitete. Dies hetzte die Öffentlichkeit gegen sie auf und ermöglichte es Frankreich, die Ereignisse zu seinen Gunsten umzulenken. Bei dem Staatsstreich jedoch, der sich vergangenes Jahr ereignete, brachten die Putschisten sogar die Opposition dazu, der Machtübernahme zuzustimmen. Die Opposition trat an die Öffentlichkeit und unterstützte den Putsch offen, als dieser stattfand. In einer Erklärung sagte die M5-RFP: „Sie nimmt die Verpflichtung zur Kenntnis“, die die Junta eingegangen ist, um „einen zivilen politischen Übergang einzuleiten“ und wird mit ihr an der „Entwicklung einer Roadmap“ arbeiten. Choguel Maiga, Mitglied der Koalition, äußerte gegenüber Journalisten: „Wir werden am Freitag in Bamako und landesweit die größte patriotische Kundgebung organisieren“, um „den Sieg des malischen Volkes zu feiern.“[6]

Frankreich betrachtet Mali als eine seiner wichtigsten ehemaligen Kolonien in Afrika. Ihre Reaktion wird taktischer ausfallen müssen, da sie dieses Mal nicht aus Gründen des Extremismus oder der Unsicherheit eingreifen können. Dieser „Wandel“ in Mali wird von der Bevölkerung begrüßt, was die Dinge für Frankreich komplizierter macht und einen Erfolg für die USA darstellt, in der Sahelzone Fuß zu fassen. Da Libyen kurz davorsteht, in die Hände derjenigen zu fallen, die von den USA unterstützt werden, besteht die Gefahr, dass die europäische Stellung in Nord- und Zentralafrika von der Supermacht in den Schatten gestellt wird.

[1] Building Security in Africa, Rand Corporation, Pg 2, https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/research_reports/RR2400/RR2447/RAND_RR2447.pdf

[2] Leader of Mali Military Coup Trained in US, Washington Post, March 24, 2012, https://www.washingtonpost.com/world/national-security/leader-of-mali-military-coup-trained-in-us/2012/03/23/gIQAS7Q6WS_story.html?itid=lk_inline_manual_39

[3] Mali coup leader was trained by U.S. military, Washington Post, August 21, 2020, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/mali-coup-leader-was-trained-by-us-special-operations-forces/2020/08/21/33153fbe-e31c-11ea-82d8-5e55d47e90ca_story.html

[4] Mali troops plan ‘transitional’ gov’t; Africa bloc to send envoys, AlJazeera, August 20, 2020, https://www.aljazeera.com/news/2020/08/mali-troops-plan-transitional-gov-africa-bloc-send-envoys-200820163514684.html

[5] Mali coup: Thousands take to Bamako streets to celebrate, BBC, 21 August, 2020, https://www.bbc.com/news/world-africa-53868236

[6] Mali Opposition Offers Backing To Coup Leaders, Barrons, 19 August, 2020, https://www.barrons.com/news/mali-coup-leaders-face-wave-of-international-condemnation-01597852805