In welchen Zusammenhang steht die einzigartige Landschaft Afghanistans zur Bevölkerungsstruktur und wie sehr beeinflusst die geopolitische Lage die Wirtschaft des Landes, als auch die Beziehungen zu den Nachbarländern?
Afghanistan wird von einer langen und komplizierten Historie begleitet, in der ausländische Akteure und innerpolitische Konflikte verschiedenster Gruppierungen einen großen Anteil an der Instabilität des Landes haben.
Während die westlichen Medien häufig vom sich erholenden und aufblühenden Afghanistan berichten, stehen die meisten dieser Berichterstattungen im direkten Zusammenhang mit Konflikten. Infolgedessen wird Afghanistan von vielen westlichen Staaten als eine vom Krieg zerrüttete Landschaft angesehen, in der innere Konflikte, sowie geopolitische und ideologische Machtkämpfe wüten. Wie Afghanistan und seine Bewohner wirklich sind, bleibt den Menschen verborgen.
Im Folgenden untersuchen wir Afghanistan aus rein struktureller Sicht. Wie beeinflusst die einzigartige Landschaft die Bevölkerungsstruktur? Wie wirkt sich diese Geografie auf die Wirtschaft des Landes und dessen Beziehungen zu Nachbarländern aus?
Hohe Berge, niedrige Täler
Afghanistan ist von einer rauen Landschaft mit hohen und schneebedeckten Bergen, fruchtbaren Tälern und weiten Wüsten geprägt. Begleitet von einer Vielzahl an Klimaextremen, die in ihrer Differenz von Höchst- und Tiefsttemperaturen bei über 100°C liegen. Aufgrund des enormen Höhenunterschiedes von 7.234m zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Punkt, hat Afghanistan die sechstgrößte Höhenspanne weltweit. Auch gibt es keine direkte Verbindung zum offenen Meer, wodurch Afghanistan zu den 44 Binnenstaaten auf der Welt gezählt wird. Unter anderem lässt sich auch dadurch erklären, warum der tiefste Punkt im Land weit über dem Meeresspiegel liegt.
Wo leben die Menschen in Afghanistan?
Wie in anderen Ländern dieser Region siedeln sich die Menschen dort an, wo der Zugang zu frischem Wasser gewährleistet ist. Im Kartogramm ist zu sehen, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung in der Umgebung von Kabul und des gleichnamigen Flusses befindet.
Die südwestlich gelegene Provinz Nimrus ist das am dünnsten besiedelte Gebiet des Landes. Der schmale Landstrich im Nordosten, auch als Wachankorridor bekannt, erstreckt sich mit einer Länge von 300km bis nach China. Gleichzeitig zählt er mit ca. 14.000 Einwohnern zu den eher dünnbesiedelten Gebieten.
Afghanistans Demografie
Afghanistan hat eine sehr junge Bevölkerung. Mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren, gilt es als eines der jüngsten Länder weltweit. Zum Vergleich liegt das Durchschnittsalter der Nachbarländer Iran und Pakistan bei 30 und 24 Jahren.
Der Islam ist die offizielle Staatsreligion Afghanistans. Mit 99,7% ist die afghanische Bevölkerung muslimisch und somit innerhalb der islamischen Welt proportional gesehen eines der Länder mit dem höchsten Anteil an Muslimen.
Laut Schätzungen des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (kurz: OCHA) sind insgesamt 550.000 Menschen im Land sogenannte „Binnenvertriebene“, die aufgrund von anhaltenden Konflikten fliehen mussten. Durch die Machtübernahme der Taliban ist laut der OCHA ein rasanter Anstieg zu erwarten. Zudem seien die große Mehrheit davon Kinder.
Aufbau des Straßennetzes
Der im Jahre 1960 begonnene Aufbau der sogenannten „Ring Road“, ein ringförmiges Fernstraßennetz von 2.200km Länge, sollte verschiedene Städte miteinander verbinden. Jedoch wurde kurze Zeit später dieses Vorhaben aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen unterbrochen.
Nachdem die Vereinigten Staaten im Jahr 2001 die Kontrolle übernommen hatten, fuhren sie mit dem erneuten Aufbau der Straßen fort. In den Jahren 2002 und 2016 gaben das Verteidigungsministerium und die Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung („USAID“) etwa 2,8 Milliarden US-Dollar für den Bau von Straßen und deren Instandhaltung aus. Zusätzliche Investitionen aus anderen Quellen, die zur Verbesserung des Straßennetzes beitrugen, sind hier nicht berücksichtigt worden. Zudem ist die Wartung und die ständige Kontrolle dieser Infrastruktur kompliziert und sehr umfangreich, was die unzähligen eingestürzten Brücken und vernachlässigten Straßenabschnitte belegen.
Ressourcen und Beziehungen
Afghanistan ist eine wichtige Süßwasserquelle für die sehr trockene Region. Mehrere große regionale Flüsse fließen von den gebirgigen östlichen Provinzen des Landes in die Nachbarländer, so dass neue Bewässerungssysteme und Staudämme geopolitisch sehr kostspielig sein dürften.
Natürlich sind andere Länder auch sehr an den Bodenschätzen Afghanistans interessiert. Wegen der zahlreichen Konflikte die dieses Land prägen, war sowohl die Exploration neuer Gebiete, als auch die Nutzung der mittlerweile zerstörten Bergbauanlagen, quasi unmöglich. Jedoch wächst die allgemeine Nachfrage nach Ressourcen weltweit und vor allem nach Lithium stetig, sodass sich in naher Zukunft ein ganz anderes Bild zeichnen wird.
Afghanistan besitzt schätzungsweise über 1 Billion US-Dollar an unerschlossenen Mineralreserven; eine derart gewaltige Menge an Ressourcen lässt die Großmächte selbstverständlich aufhorchen.
So heißt es von Seiten Chinas, dass es zu „freundschaftlichen und kooperativen Beziehungen“ mit dem Taliban-Regime bereit wäre. Auch ist es möglich, durch Investitionen von Chinas „Belt and Road Initiative“ (BRI) das Vakuum, dass durch die sich zurückziehenden Westmächte hinterlassen wurde, zu füllen.