Allah (t) offenbarte den Koran seinem geliebten Gesandten Muḥammad (s), um die Menschheit aus dem Unglauben, der Ignoranz und der Irreleitung heraus zu führen, hin zum Licht des Islam.
﴿الر ۚ كِتَابٌ أَنزَلْنَاهُ إِلَيْكَ لِتُخْرِجَ النَّاسَ مِنَ الظُّلُمَاتِ إِلَى النُّورِ بِإِذْنِ رَبِّهِمْ إِلَىٰ صِرَاطِ الْعَزِيزِ الْحَمِيد﴾
Alif-Lam-Ra. Dies ist ein Buch, das Wir zu dir hinabgesandt haben, damit du die Menschen mit der Erlaubnis ihres Herrn aus den Finsternissen hinaus ins Licht bringst, auf den Weg des Allmächtigen und Lobenswürdigen.[14:1]
Das Buch Allahs ist voller Geschichten vorangegangener Propheten und deren Völkern. Es werden eine Reihe an Geschichten über die vorangegangenen Völker überliefert, die aufgrund ihres Unglaubens gegenüber Allah (t), Seinen Propheten und Gesandten, ausgelöscht wurden. Einer dieser Propheten ist Yūsuf (a), dessen gewaltige Geschichte der Umma Muhammads (s) durch den Koran überliefert wurde.
Dieser Artikel wird ausschließlich die hervorstechendsten Teile der Geschichte des Propheten Yūsuf (a) aufarbeiten.
Sinn und Zweck von Prophetengeschichten
Bevor wir auf das Leben des Propheten Yūsuf (a) eingehen, ist es wichtig den Zweck solcher Überlieferungen im Koran zu erfassen und zu würdigen. Prophetengeschichten sind keine bloßen Märchengeschichten und Allah (t) offenbarte dem Gesandten (s) keine unnützen Informationen. Tatsächlich würden wir, als die letzte Umma, durch unser Versagen, den Sinn hinter diesen Geschichten richtig zu verstehen, in die Irre gehen und damit zu den Unwissenden zählen.
Allah (t) offenbarte dem Propheten (s) die Geschehnisse, welche sich Tausende von Jahren zuvor zutrugen, sodass wir, als Umma, daraus Lehren ziehen können. Niemand von uns, auch nicht unser geliebter Prophet Muḥammad (s), hätte sich die Geschichte Yūsuf (a) aneignen können, ohne dass Allah (t) sie ihm offenbarte.
Allah (t) sprach:
﴿ذَٰلِكَ مِنْ أَنبَاءِ الْغَيْبِ نُوحِيهِ إِلَيْكَ ۖ وَمَا كُنتَ لَدَيْهِمْ إِذْ أَجْمَعُوا أَمْرَهُمْ وَهُمْ يَمْكُرُونَ﴾
Dies gehört zu den Nachrichten vom Verborgenen, das Wir dir (als Offenbarung) eingeben.[12:102]
Solche Offenbarungen vermitteln der islamischen Umma Lehren und stellen Ermahnungen dar, damit die Umma in allen Lebensangelegenheiten stets auf dem Weg der Wahrheit voranschreitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Herausforderungen, denen sich die Umma stellen muss, Herausforderungen ihrer spezifischen Zeitepoche oder spiritueller Natur sind. Die Geschichten der Propheten dienen dem Zweck, dass wir als Umma nicht die Fehler vorangegangener Nationen wiederholen. Diese Geschichten sind für unser Leben im 21. Jahrhundert höchst relevant, denn abgesehen vom Fortschritt in Technologie und Wissenschaft ist die Essenz des menschlichen Lebens stets dieselbe geblieben. Die Menschheit ist heutzutage mit ähnlichen Schändlichkeiten beschäftigt, wie die Nationen vor uns. Wenn die Umma daran scheitert, die Menschheit aus der Dunkelheit des Unglaubens heraus zu führen, hin zum Licht des Islam, erwartet sie dasselbe Schicksal. Aus diesen Gründen sind die Prophetengeschichten auch heute noch überaus wichtig für uns.
Das Prophetentum Yūsufs (a)
Das Leben des Propheten Yūsuf (a), wie es uns im Koran beschrieben wird, ist sowohl eine der bestbeschriebenen Geschichten im Koran, als auch eine der faszinierendsten. Sie zeigt auf, wovon der Erfolg im Diesseits und im Jenseits abhängt. Gleichzeitig zeigt sie die üblen Charaktereigenschaften des Menschen auf, die zu seinem Versagen und Niedergang führen.
Imām Ibn Kaṯīr (Möge Allah mit ihm zufrieden sein) beschreibt in seinem Buch qiṣaṣ al-anbiyāʾ („Geschichten der Propheten“) unter anderem auch die Geschichte Yūsufs (a), und schreibt, dass diese „sowohl die menschlichen Schwächen wie Neid, Hass, Stolz, Leidenschaft, Täuschung, Intrige, Grausamkeit und Schrecken, als auch dessen vorzügliche Eigenschaften wie Geduld, Loyalität, Tapferkeit, Großzügigkeit und Mitgefühl umfasst.“
Yūsuf (a) stammt von Propheten ab. Er war der Sohn Yaʿqūbs (a), der Enkel des Propheten Isḥāq (a) und der Großenkel von Ibrāhīm (a). Deshalb war es für seinen Vater keine Überraschung, dass sein Sohn dazu bestimmt war, ebenfalls göttliche Offenbarung zu erhalten.
Die Geschichte Yūsufs (a) beginnt mit der frohen Botschaft seines Prophetentums, welche dann in einer Reihe tragischer Prüfungen und Drangsale mündete und letztlich mit Erfolg und Ehre für Yūsuf (a) endete, als er nämlich zu einem Herrscher Ägyptens wurde. Die Geschichte beginnt mit seinem Traum, den er von sich selbst hatte, und endet mit der Interpretation dieses Traums.
Der Plan zur Verbannung des Propheten Yūsuf (a)
Yūsuf (a), welcher der meistgeliebte Sohn seines Vaters war, träumte, dass elf Sterne, die Sonne und der Mond sich alle vor ihm niederwarfen. Am nächsten Morgen erzählte er seinem Vater von diesem Traum, woraufhin Yaʿqūb (a) erkannte, dass diese Vision von Allah (t) kam und ein Zeichen für das bevorstehende Prophetentum Yūsufs war. Yaʿqūb (a) warnte seinen Sohn, seinen Brüdern davon nichts zu erzählen, da er befürchtete, es würde ihren Neid gegenüber Yūsuf nur mehren und ihre bereits vorhandene Gehässigkeit ihm gegenüber nur stärken.
Seine Brüder waren über die Liebe ihres Vaters ihm und ihrem Bruder Binyāmīn gegenüber äußerst verärgert. Sie fühlten sich durch Yūsuf der Liebe ihres Vaters beraubt. Es interessierte sie recht wenig, dass es sein vorzüglicher Charakter war, der diese tiefe Liebe und Zuneigung in seinem Vater stärkte. So verschworen sich seine Brüder, ihn dieser Position zu berauben, sodass sie fortan die uneingeschränkte Zuneigung ihres Vaters erhalten würden.
Nach reiflicher Überlegung und Planung entschieden sie, Yūsuf (a) in ein entferntes Land zu verbannen. Sie luden Yūsuf (a) ein, mit ihnen zu gehen und warfen ihn in einen tiefen Brunnen, wo sie ihn schließlich allein zurückließen. Die Brüder belogen ihren Vater und erzählten ihm, Yūsuf (a) sei einem Wolf zum Opfer gefallen und präsentierten diesem sein Gewand als Beweis. Ebenjenes Gewand tränkten sie zuvor in Schafsblut.
Als er diese herzzerreißende Nachricht hörte, glaubte er seinen Söhnen nicht. Allah (t) beschreibt uns, dass Yaʿqūb (a) wie folgt auf die Behauptung seiner Söhne reagierte:
﴿وَجَاءُوا عَلَىٰ قَمِيصِهِ بِدَمٍ كَذِبٍ ۚ قَالَ بَلْ سَوَّلَتْ لَكُمْ أَنفُسُكُمْ أَمْرًا ۖ فَصَبْرٌ جَمِيلٌ ۖ وَاللَّهُ الْمُسْتَعَانُ عَلَىٰ مَا تَصِفُونَ﴾
Nein! Vielmehr habt ihr selbst euch etwas eingeredet. (So gilt es,) schöne Geduld (zu üben). Allah ist Derjenige, bei Dem Hilfe zu suchen ist gegen das, was ihr beschreibt.[12:18]
Die Reaktion des Propheten Yaʿqūb zeigt uns, wie man mit einer solchen Situation umzugehen hat. Yaʿqūb (a) zweifelte weder an der Hilfe Allahs (t), noch war er frustriert wegen der Katastrophe, die ihn ereilte. Stattdessen blieb er standhaft und suchte Zuflucht und Hilfe bei Allah (t).
Dieser Teil der Geschichte Yūsufs (a) enthält gewiss Lehren für uns. Allah (t) sprach:
﴿وَاللَّهُ عَلِيمٌ بِمَا يَعْمَلُونَ﴾
Und Allah wusste wohl, was sie taten.[12:19]
Allah (t) hatte vollständige Kenntnis darüber, was geschah, und hätte die Ungerechten aufhalten können. Doch aus seiner unendlichen Weisheit heraus entschied Er (t) anders und ließ deren Komplott geschehen. Der Erhabene hatte Großartiges mit Yūsuf (a) vor. Dessen Bestimmung sollte zu einem festgelegten Zeitpunkt eintreten. Allah (t) gewährte den Ungerechten einen kurzen Aufschub, sodass Yūsuf (a) letztlich obsiegte und nicht nur die Autorität über seine Brüder erhielt, sondern über sein gesamtes Volk.
Lehren für die heutige Zeit
Wir mussten während des Arabischen Frühlings großes Blutvergießen mitansehen. Brutale Diktatoren, die Lieblinge der westlichen Kolonialisten waren, wurden entthront, jedoch kostete dies Unmengen an Blut und unzählige Menschenleben. Allah (t) ist dessen nicht unachtsam. Tatsächlich erlaubt Er (t) den Ungerechten, derartige Gräuel zu begehen, wird jedoch letztlich den Gläubigen den Sieg gewähren, und zwar zu einem festgesetzten Zeitpunkt. Die Ungerechten werden sich sodann dem dīn Allahs (t) unterwerfen müssen, so wie Er (t) dem Propheten Yūsuf (a) und seinem Gesandten Muḥammad (s) zum Sieg verhalf.
Als der Gesandte Allahs (s) die Botschaft des Islam in Mekka verkündete, ließ Allah (t) ihn letztlich über die Quraisch obsiegen, und unterwarf sie trotz all der Gräueltaten, die sie an den Muslimen verübten, der Autorität des Islam. Heute hat die islamische Umma trotz der gewaltigen Prüfungen und Drangsale, denen sie sich ausgesetzt sieht, keine andere Möglichkeit, als ihre Mühen fortzusetzen, diese Diktatoren durch rechtschaffene Regenten auszutauschen, die sie nach dem Buch Allahs (t) und der Sunna Seines Gesandten (s) regieren. Aufrichtige Mühe auf dem Weg Allahs (t), Gehorsam gegenüber der Scharia, Gottesfurcht und Geduld sind Eigenschaften von entscheidender Wichtigkeit für die islamische Umma von heute.
Der Prophet Yūsuf (a) in Ägypten
In der Zwischenzeit kam eine Karawane von Händlern, um beim Brunnen zu rasten, und fand den hübschen Mann am Grund des Brunnens. Die Händler retteten Yūsuf (a), brachten ihn als Sklaven nach Ägypten und verkauften ihn an den obersten Minister Ägyptens. Dieser erkannte recht schnell, dass Yūsuf (a) kein gewöhnlicher Sklavenjunge war und sah riesiges Potential in ihm. Deshalb verlangte er von seiner Frau, Zulaiḫa, ihn gut zu behandeln und ihm ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Das war es, was Allah (t) für Yūsuf bestimmte. So sprach der Erhabene:
﴿وَكَذَٰلِكَ مَكَّنَّا لِيُوسُفَ فِي الْأَرْضِ وَلِنُعَلِّمَهُ مِن تَأْوِيلِ الْأَحَادِيثِ ۚ وَاللَّهُ غَالِبٌ عَلَىٰ أَمْرِهِ وَلَٰكِنَّ أَكْثَرَ النَّاسِ لَا يَعْلَمُونَ﴾
So verliehen Wir Yusuf eine feste Stellung im Land. Und Wir wollten ihn etwas von der Deutung der Geschichten lehren. Und Allah ist in Seiner Angelegenheit überlegen. Aber die meisten Menschen wissen nicht.[12:21]
Allah (t) wollte Yūsuf (a) aus seiner Heimat Kanaan (das um Palästina, Syrien und Jordanien liegt) heraus nach Ägypten bringen, wo Er (t) großes mit ihm vorhatte. Aus diesem Grund erlaubte er Yūsufs Brüdern, dieses Unrecht an ihm zu begehen. Letztlich war dies nur ein kleiner Teil Seines (t) Planes.