Der Prophet Yūsuf (a) im Gefängnis
Die Geschichte Yūsufs (as) nimmt an dieser Stelle eine weitere schwierige Wendung, nachdem Zulaiḫa, die Frau des obersten Ministers in Ägypten, versuchte ihn zu verführen. Er (a) war kein gewöhnlicher Mann und mit ungewöhnlicher Schönheit gesegnet. Allah (t) informiert uns, dass, als die Frauen Ägyptens ihn sahen, diese sagten:
﴿حَاشَ لِلَّهِ مَا هَٰذَا بَشَرًا إِنْ هَٰذَا إِلَّا مَلَكٌ كَرِيمٌ﴾
Allah bewahre! Das ist kein Mensch, das ist nichts als ein edler Engel.[12:31]
Bestätigt wird dies auch vom Gesandten Allahs (s), der über Yūsuf (a) sagte
„Ihm wurde die Hälfte aller Schönheit gegeben.“[Muslim]
Der Kürze halber werden wir diesen Teil vom Leben Yūsufs nicht im Detail beleuchten. Es ist ausreichend zu sagen, dass Yūsuf (a) mit einer weiteren großen Prüfung konfrontiert wurde, welche er, durch Allahs Hilfe, bestand. Jedoch bestimmte Allah für ihn, dass Yūsuf eine gewisse Zeit im Gefängnis verbringen musste, fernab von den lüsternen Frauen.
Im Gefängnis angelangt wurde Yūsuf erneut geprüft. Nun trug er seine Botschaft an die Gefängnisinsassen heran. Er verbrachte mehrere Jahre, womöglich neun an der Zahl, im Gefängnis, und das für ein Verbrechen, welches er nie begangen hatte. Jedoch steckte eine größere Weisheit hinter seiner Gefangenschaft in Haft. Bald schon sollte diese Weisheit zu Tage treten.
Der Traum des Ägyptischen Königs
Der König Ägyptens hatte einen angsteinflößenden Traum, welcher ihm Sorgen um sein Königreich bereitete. Der König suchte verzweifelt nach einer Deutung seines Traumes, jedoch scheiterten all seine Versuche, seinen Traum interpretieren zu lassen. Die Erfahrensten unter seinen Beratern, Wahrsagern und Experten scheiterten daran, seinen Traum zu deuten. Zu diesem Zeitpunkt erinnerte sich jemand aus der Königsfamilie an Yūsuf (as) und dessen Fähigkeit, Träume zu deuten. Dieser war mit Yūsuf (a) im Gefängnis und profitierte selbst von dessen Fähigkeiten, als er nämlich seinen eigenen Traum von Yūsuf deuten ließ. Die Beamten des Königs erzählten Yūsuf, der sich noch immer im Gefängnis befand, von dem Traum des Königs und er (a) informierte sie, dass Ägypten sieben ertragreiche Jahre, gefolgt von sieben Jahren der Dürre, erleben werde. Yūsuf (a) riet dem König, die Ressourcen des Landes während der schwierigen sieben Jahre, die Ägypten bevorstanden, sehr vorsichtig handzuhaben. Er (a) sagte auch, dass das Land seine Ergiebigkeit nach insgesamt 14 Jahren zurückerlangen und damit auch die Knappheit der Ressourcen enden würde.
Als der König diese Deutung hörte, ergriff ihn die Überzeugung. Er erkannte augenblicklich Yūsufs (a) Wert, sein Wissen und seine Weitsicht, weshalb er seine Freilassung anordnete. Yūsuf weigerte sich jedoch das Gefängnis zu verlassen, ohne zuvor von seinen Anklagepunkten befreit und für Unschuldig erklärt worden zu sein. Der König untersuchte daraufhin die Anschuldigungen gegen Yūsuf (s) seitens Zulaiḫa, welche sich als unfundiert herausstellten. Der König, der Yūsuf wahre Größe erkannte, ordnete daraufhin seine sofortige Freilassung an. Allah (t) sprach:
﴿وَقَالَ الْمَلِكُ ائْتُونِي بِهِ أَسْتَخْلِصْهُ لِنَفْسِي ۖ فَلَمَّا كَلَّمَهُ قَالَ إِنَّكَ الْيَوْمَ لَدَيْنَا مَكِينٌ أَمِينٌ﴾
Und der König sagte: „Bringt ihn zu mir, ich will ihn für mich vorbehalten.“ Als er mit ihm geredet hatte, sagte er: „Du bist von heute an bei uns in Sicherheit und genießt unser Vertrauen.“[12:54]
Yūsuf (a) bat den König darum, ihn zum Wirtschaftsminister zu ernennen, sodass er die Verantwortung für die Handhabung der Ressourcen und deren Verteilung übernehmen konnte. Der König stimmte zu, da Yūsuf (a) der Geeignetste für diese Position war. So trat Allahs (t) Plan zu Tage, Yūsuf (a) nach Jahren des Durchhaltevermögens und schwerwiegender Prüfung zu Größe zu verhelfen. Er (t) sprach:
﴿وَكَذَٰلِكَ مَكَّنَّا لِيُوسُفَ فِي الْأَرْضِ يَتَبَوَّأُ مِنْهَا حَيْثُ يَشَاءُ ۚ نُصِيبُ بِرَحْمَتِنَا مَن نَّشَاءُ ۖ وَلَا نُضِيعُ أَجْرَ الْمُحْسِنِينَ﴾
So verliehen Wir Yusuf eine feste Stellung im Land, so daß er sich darin aufhalten konnte, wo immer er wollte. Wir treffen mit Unserer Barmherzigkeit, wen Wir wollen, und Wir lassen den Lohn der Gutes Tuenden nicht verlorengehen.[12:56]
In Anbetracht der schwierigen Prüfungen, denen sich Yūsuf ausgesetzt sah, erlaubte Allah (t) nicht, dass die Geduld Yūsufs vergebens war. Stattdessen belohnte Allah (t) ihn, indem er ihm den Sieg schenkte. Muǧāhid, einer der bedeutendsten Koranexegeten (mufassirūn) unter den tābīʾūn, sagte, dass der König Ägyptens durch Yūsuf (a) den Islam annahm.
Der Koran geht nicht tiefer auf diese Episode seines Lebens ein. Die Geschichte wendet sich sodann dem letzten Teil zu, als Yūsuf (a) nämlich seine Brüder wiedertrifft.
Neuzeitliche Verleumdungen des Propheten Yūsuf (a)
Um die Partizipation in Demokratien und weiteren unislamischen Systemen rechtzufertigen, behaupteten einige Muslime, der Prophet Yūsuf (a) habe an einem unislamischen System partizipiert, als er nämlich zu einem Minister Ägyptens ernannt wurde. Sie behaupten, dass dadurch, dass Yūsuf (a) aus einer Notwendigkeit heraus an einem System des Unglaubens partizipierte, sich schlussfolgern ließe, dass es den Muslimen heutzutage erlaubt sei, mit der Demokratie, d.h. dem Unglauben, zu regieren, sofern dies notwendig wäre.
Dies ist in der Tat eine große Verleumdung des Propheten Yūsuf (a) und ein enormes Fehlverständnis. Propheten sind frei von Schändlichkeiten und Sünden. Genau das ist es, was Propheten ausmacht. Sie sind zwar Menschen, doch können sie nicht sündigen. Allah sprach:
﴿وَمَا أَرْسَلْنَا مِن قَبْلِكَ إِلَّا رِجَالًا نُّوحِي إِلَيْهِم مِّنْ أَهْلِ الْقُرَىٰ﴾
Auch vor dir entsandten Wir lediglich nur Männer, denen Wir die Offenbarung gaben, aus dem Volk der Städte.[12:109]
Wie kann es sein, dass ein Prophet Allahs (t) an einem kufr-System partizipierte? Diese Behauptung ist falsch, weil der Beweis, der darüber ergangenen ist, dieser Behauptung widerspricht. Wie zuvor erwähnt, hat der König Ägyptens den Islam angenommen, nachdem Yūsuf (a) zum Minister ernannt worden ist. Es wäre ein noch größerer Fehler zu glauben, sie beide hätten mit dem kufr regiert.
Darüber hinaus war die Scharia, mit der der Prophet Yūsuf (a) entsandt wurde, einzig für sein Volk bestimmt. Als seine Eltern bspw. kamen, um ihn zu treffen, nachdem er zum Herrscher wurde, warfen diese sich vor ihm nieder. Muslimen ist es jedoch nicht gestattet, sich vor jemandem außer Allah (t) niederzuwerfen. Deshalb ist das, wonach Yūsuf (a) regierte, seine Scharia, also jene Scharia, die für seine Umma bestimmt war. Das, was Muhammad (s) offenbart wurde, ist für seine Umma bestimmt und gilt bis zum Jüngsten Tag. Wir können also nicht zweckdienlicher Weise gewisse Teile der Scharia vorangegangener Propheten herauspicken, um unsere verdrehten Ansichten zu untermauern.
Lehren für uns im 21. Jahrhundert
Allah (t) informierte Muhammad (s) darüber, dass in den Geschichten der Propheten Lehren für diese Umma liegen:
﴿لَقَدْ كَانَ فِي قَصَصِهِمْ عِبْرَةٌ لِّأُولِي الْأَلْبَابِ﴾
Wahrlich, in ihren Geschichten ist eine Lehre für die Verständigen.[12:111]
Heute steht die Umma Angriffen von allen Seiten gegenüber. Im Westen stehen sie intellektuellen Angriffen, medialer Propaganda, Erniedrigungen und drakonischen Terrorgesetzen gegenüber. In der islamischen Welt erleben sie Unterdrückung und Massaker wie in Burma, Syrien und im Jemen, um nur einige Beispiele zu erwähnen. Solch depressive Umstände sind den Gläubigen nicht neu. Tatsächlich durchlebten viele Propheten und vorangegangene Völker ähnliche Prüfungen und Drangsale und waren schließlich erfolgreich, und zwar einzig und allein deshalb, weil sie auf Allah (t) vertrauten, rechtschaffene Taten vollzogen und der Scharia ihrer Zeit folgten.
Die islamische Umma muss heute auf dieselbe Weise auf Allah (t) vertrauen, denn der Sieg Allahs ist wahrlich nahe. Wie an der Geschichte Yūsufs (a) klar erkennbar ist, hat Allah (t) Pläne für die Gläubigen und wird ihnen unweigerlich zum Sieg verhelfen, vorausgesetzt, sie halten an seinen Rechtssprüchen fest. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass der Erhabene seinen Feinden und allen Frevlern vorübergehend Aufschub gewährt. Allah (t) sprach:
Wie wir in diesem Artikel gesehen, hat Allah (t) seine Pläne für die Gläubigen und wird ihnen unweigerlich zum Sieg verhelfen, trotz dessen, dass Er seinen Feinden und den Übeltätern vorrübergehend Aufschub gewährt. Allah (t) spricht:
﴿حَتَّىٰ إِذَا اسْتَيْأَسَ الرُّسُلُ وَظَنُّوا أَنَّهُمْ قَدْ كُذِبُوا جَاءَهُمْ نَصْرُنَا فَنُجِّيَ مَن نَّشَاءُ ۖ وَلَا يُرَدُّ بَأْسُنَا عَنِ الْقَوْمِ الْمُجْرِمِينَ﴾
Erst dann, als die Gesandten die Hoffnung aufgegeben hatten und sie meinten, dass sie belogen worden seien, kam Unsere Hilfe zu ihnen. Und so wird errettet, wen Wir wollen. Aber vom übeltätigen Volk wird Unsere Gewalt nicht abgewandt.[12:110]
ʿĀʾiša (r) erklärt den genannten Vers wie folgt:
„Dieser Vers betrifft die Anhänger der Gesandten, die an ihren Herrn und ihren Gesandten glaubten. Die Zeit der Prüfungen war lang für diese Anhänger und Allahs Hilfe wurde aufgeschoben, bis die Gesandten die Hoffnung darauf, dass die Ungläubigen aus ihrer Nation (zum Islam) übertreten, verloren und schließlich annahmen, dass sogar ihre Anhänger in ihrem Glauben erschüttert würden, woraufhin Allahs Hilfe zu ihnen kam.“ (Tafsīr Ibn Kaṯīr)
Allah (t) verleiht den Sieg, wenn die Situation hoffnungslos erscheint und die Härte überwiegt. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Gläubigen eifrig die Hilfe Allahs erwarten. Die islamische Umma befindet sich heute in einer kritischen Phase, in der ein Wechsel von der einen zur anderen Phase stattfindet. Die Muslime müssen die Scharia ohne Kompromisse befolgen. Abstriche auf diesem Weg und Pragmatismus führen nicht zum Sieg. Wenn wir irgendetwas aus den Geschichten der Propheten lernen, dann dass die Hilfe Allahs (t) genau dann kam, als die Gläubigen kompromisslos am Seil Allahs (t) festhielten. Wir müssen heute dasselbe tun und pausenlos dafür arbeiten, den dīn Allahs zurückzubringen. Möge Allah (t) den kommenden Ramaḍān zum letzten machen, in dem die Umma ohne einen rechtmäßigen Herrscher, den Kalifen, verbleibt.
﴿وَقَدْ مَكَرُوا مَكْرَهُمْ وَعِندَ اللَّهِ مَكْرُهُمْ وَإِن كَانَ مَكْرُهُمْ لِتَزُولَ مِنْهُ الْجِبَالُ﴾
Und sie haben bereits ihre Ränke geschmiedet, aber ihre Ränke sind bei Allah, und wären ihre Ränke (auch) derart, dass durch sie Berge versetzt werden sollten.[14:46]