Westliche Konzeptionen Die Energiekrise spiegelt die Krise des Kapitalismus wider

Wenn Großbritanniens Energieregulierer, Ofgem, vor einem Umbruch im Energiesektor warnt, bedeutet dies schlechte Aussichten! Energieunternehmen brechen tagtäglich zusammen. Konsumenten Sorgen sich um den Zugang zu grundlegenden Versorgungsgütern. Währenddessen steigen die Gaspreise weiter um ein Vier- bis Fünffaches.

Es scheinen ernste Folgen bevorzustehen. Steigende Energiepreise fördern eine stärkere Inflation sowohl direkt als auch indirekt, und zwar durch ansteigende Kosten in der Fertigung und Lebensmittelproduktion. Ein Anstieg der Energiepreise bedeutet eine starke Belastung vieler Haushalte, vor allem vor dem Hintergrund dessen, dass Großbritannien die Coronahilfen sowie das Programm zur Erhaltung des Arbeitsplatzes hat auslaufen lassen.

Ofgem hat die Aufgabe, einen „wettbewerbsfähigen Energiemarkt“ zu regulieren und sicherzustellen, dass ausreichend Versorgung zur Verfügung steht, während die Interessen der Konsumenten gewahrt werden. Die Regulierung eines wettbewerbsorientierten Marktes ist ein Widerspruch in sich und stellt das eigentliche Problem dar. Der britische Energiemarkt wurde durch die Privatisierung von Versorgungsunternehmen wie British Gas, PowerGen und National Power in den 80ern und 90ern dereguliert. Das Ziel war es, einen wettbewerbsfähigen heimischen Energiesektor mit vielen Zulieferern zu schaffen, um Konsumenten eine Wahl und niedrigere Preise zu bieten.

Die 30 Jahre der Privatisierung waren alles andere als erfolgreich, wofür es handfeste Beweise gibt. Die sechs großen Zulieferer (British Gas, EDF Energy, E.ON, Npower, Scottish Power und SSE/OVO Energy) kontrollieren etwa 70% des britischen Marktes. 2014 kontrollierten sie 95%. Ihnen wurde vorgeworfen, einen „wirksamen Wettbewerb zu verhindern” und sie wurden der britischen Wettbewerbsbehörde gemeldet, nachdem sie enorme Gewinne machten und die Endkonsumenten trotz sinkender Energiepreise kaum entlasteten. Etwa 13% der Haushalte in England befinden sich in Energiearmut (2018). Das sind mehr als 2,4 Millionen Haushalte, wobei einige davon, vor allem Ältere und besonders sozialschwache, zwischen Essen auf dem Tisch und dem Beheizen ihrer Wohnung wählen müssen.

Der durchschnittliche sich in Energiearmut befindende Haushalt hätte laut Angaben des britischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie eine Senkung der Brennstoffkosten in Höhe von 334 britischen Pfund nötig, um aus dieser Armut zu entkommen.

Energiekonzerne können, so sieht es das Gesetz vor, nicht zahlende Kunden vom Energienetz abkoppeln, d.h. ihnen wird die Stromversorgung verwehrt. In vielen Fällen jedoch sind es die Haushalte selbst, die eine solche Abkoppelung vollziehen oder aber ihre Stromversorgung rationieren, da sie nicht in der Lage sind, die notwendigen Abschlagszahlungen zu tätigen. Die Mehrheit der britischen Konsumenten (etwa 50%, d.h. etwa 13 Millionen britische Haushalte) hat noch nie einen Anbieterwechsel durchgeführt. Dabei war die Schaffung der Möglichkeit eines Anbieterwechsels das vorrangige Ziel der Privatisierung des Energiesektors. In Wahrheit herrscht kaum bzw. kein Wettbewerb in den Bereichen Energieerzeugung, Energietransport und Energieverteilung.

Die meisten neuen Teilnehmer am Energiemarkt waren deshalb lediglich im Einzelhandel tätig und versorgten nur Endverbraucher, also Privathaushalte mit Energie. In diesem Zusammenhang führte die derzeitige Krise zu einer Fülle an Unternehmensinsolvenzen. Viele der Neueinsteiger spekulierten auf niedrige Gaspreise im Großhandel und boten ihren Kunden niedrige Tarife, um ihren Marktanteil zu maximieren. Als die Preise im Großhandel jedoch anstiegen, waren sie nicht in der Lage, diese auf die Konsumenten umzuwälzen, aufgrund von Ofgems Preisdeckelung, wodurch viele dieser Unternehmen zahlungsunfähig wurden und ihre Verträge nicht länger einhalten konnten. Die Preisdeckelung, eine Methode zur Regulierung des wettbewerbsfähigen Energiemarktes, führte so zum Untergang vieler Unternehmen. Sie zerstörte den Wettbewerb und führte den Marktanteil zurück an die sechs großen Energiekonzerne.

Die wahren Nutznießer des deregulierten Energiemarktes waren einige große oligopolistische Privatunternehmen und die britische Regierung. Diese Großkonzerne dominieren einen gebundenen Markt, auf dem sie vollkommen einheitliche Güter anbieten, nämlich Gas und Strom. Nach Angaben der britischen Regierung sind die Stromrechnungen seit Mitte der 1990er Jahre tatsächlich um ein Drittel und die Gasrechnungen um die Hälfte gestiegen. Die britische Regierung legt Preisobergrenzen fest und sichert damit Privatkonzernen hohe Gewinnspannen in jeder einzelnen Stufe der Wertschöpfungskette – also in der Energieerzeugung, dem Energietransport und der Energieverteilung. Die Preisdeckelung fördert ebenfalls Steuereinnahmen, Umweltschutzabgaben, um den Übergang im Energiesektor von fossilen zu erneuerbaren Kraftstoffen zu fördern, mitinbegriffen. Die großen Verlierer des privatisierten Energiemarktes sind die Verbraucher, welche zusätzlich zur Inflation höhere Rechnungen zahlen müssen, und die Armen, die unter Energiearmut, Kraftstoffrationierung, und Abkoppelung leiden. Dies ist das paradoxe Ergebnis des Versuches, einen Wettbewerb um ein natürliches Monopol zu schaffen.

Die umfassenden Privatisierungsmaßnahmen der 80er und 90er basierten auf dem dogmatischen Glauben, der private Sektor sei stets effektiver und staatliche Industrie seien für den Staat und den Steuerzahler eine Last. Dies führte zur Privatisierung öffentlicher Versorgungsgüter, welche nicht privatisiert werden dürfen, da dies zwangsläufig in Monopolen endet. Energieerzeugung ist eine ausgesprochen teure Angelegenheit, welche massive Investitionen in die Infrastruktur erfordert. Eine Verdopplung von Transport- und Verteilungsnetzen zum Wohl des Wettbewerbs macht ökonomisch betrachtet wenig Sinn. Dies sind solch erhebliche Hindernisse für den Wettbewerb, dass ein Großanbieter die beste Lösung für die begrenzten ökonomischen Ressourcen darstellt.

Die Privatisierung von natürlichen Monopolen wie z.B. Versorgungsunternehmen ist daher wirtschaftlich wenig sinnvoll. Trotz dessen hat man dies umgesetzt, und zwar aus dogmatischen kapitalistischen Gründen. Die staatlichen Preisobergrenzen, die eingeführt wurden, um den Anschein eines funktionierenden Marktes zu wahren, schufen nur perverse Anreize, untergruben den Wettbewerb und haben schließlich den Markt zerstört. Täglich brechen weitere Energieunternehmen zusammen und die Regierung muss zum Schutz der Verbraucher eingreifen. Gleichzeitig beharrt sie darauf, ebenjene Unternehmen nicht retten zu wollen. Dabei ist es die Preisdeckelung von Seiten der Regierung, die zur Zahlungsunfähigkeit dieser Unternehmen führte.

Der Islam betrachtet Energie als öffentliches Eigentum So sagte der Prophet Muḥammad (s):

«الْمُسْلِمُونَ شُرَكَاءُ فِي ثَلاَثٍ فِي الْكَلإِ وَالْمَاءِ وَالنَّارِ»

„Die Muslime sind Teilhaber in drei Dingen: Wasser, Weideland und Feuer.“[Abū Dāwūd]

Von Anas wird über Ibn ʿAbbās dieselbe Aussage vom Gesandten Allahs (s) überliefert, jedoch mit dem Zusatz:

«وَثَمَنُهُ حَرَامٌ»

„und die Bepreisung dieser ist verboten.“

Während sich die aḥadīṯ spezifisch auf Energie und Mineralien beziehen, erstreckt sich das öffentliche Eigentum gemäß dem islamischen Recht auf alle Güter, deren Privatbesitz die islamische Umma des Nutzens dieses öffentlichen Eigentums berauben würde. Dazu zählen per Definition auch natürliche Monopole. Öffentliches Eigentum ist ein Segen für die islamische Umma, von dem alle ungehindert profitieren sollten. Die nominalen Gesamtkosten für die Erzeugung, den Transport und die Verteilung können in Rechnung gestellt werden. Die Rohstoffe selbst jedoch, d.h. Öl, Gas, Kohle usw. müssen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Angesichts der enormen Vorkommen an natürlichen Ressourcen in den muslimischen Ländern wird das öffentliche Eigentum für den Aufschwung einer islamischen Gesellschaft – sobald diese entsteht – förderlich sein. Haushalte und Unternehmen werden nahezu kostenlosen Zugang zu Gas und Strom haben. Arme müssten nicht für Heizkosten und Stromkosten aufkommen, da dies Grundbedürfnisse sind, auf die die Armen und Bedürftigen ein Anrecht haben. Der islamische Staat würde nicht versuchen, einen falschen Energiemarkt im Sinne materieller Interessen zu schaffen. Vielmehr würde er die Ressourcen, die zu den öffentlichen Eigentümern zählen, lediglich im Interesse der islamischen Umma verwalten und nicht mehr.