Der Niedergang des Dollars ist nach wie vor ein großes Thema und im Laufe des letzten Jahrzehnts traten diverse Herausforderer hervor, welche Anspruch auf die dominierende Position des Dollars erheben. Nun stellt sich die Frage: Kann der US-Dollar ersetzt werden?
Seit der Finanzkrise 2008 wurden über die Jahre diverse Vorschläge zur Ersetzung des Dollars auf den Tisch gelegt. Die Menge an solchen Vorschlägen nahm mit der erstarkten Rolle Chinas auf dem Weltmarkt zu. Um den Dollar zu ersetzen, müssen jedoch einige Hindernisse überwunden werden, zu denen keine der Großmächte derzeit in der Lage ist.
Die Idee, den Dollar aus dem internationalen Zahlungsausgleich zu verdrängen, ist keine neue. Ein Bericht der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung von 2010 rief zur Aufgabe des Dollars als alleinige Reservewährung auf. 2009 schlug der damalige russische Präsident Medvedev beim G8-Gipfel in London eine neue „Weltwährung“ als „alternative Reservewährung zum Dollar“ vor. Viele Länder sehen zwar das Problem mit der US-Währung und der Tatsache, dass Energie und Rohstoffe in Dollar verrechnet werden, jedoch war kein Staat mächtig genug, seiner Währung zum neuen globalen Zahlungsmittel zu verhelfen und den Dollar zu ersetzen. Heute jedoch fordert Chinas Wachstum die dominierende Position des Dollars heraus.
Der vorzeitige Aufstieg des Yuan
China spricht bereits seit einiger Zeit davon, den Dollar ablösen zu wollen. Und das, obwohl Chinas Aufstieg von seinen enormen Exporten in die USA abhing, was dazu führte, dass China Dollarreserven in Höhe von über 3 Billionen US-Dollar anhäufte. Im Juli 2020 veröffentlichte die staatliche Bank of China einen Bericht, in dem sie argumentierte, dass China aufgrund der drohenden Sanktionen der USA mehr internationale Zahlungen über seine eigene Finanzinfrastruktur abwickeln sollte.
Zu den Versuchen Chinas, dem US-Dollar den Rücken zu kehren, gehört die Gründung des BRICS-Blocks. Es versucht, die Entwicklung seines eigenen Zahlungssystems namens CIPS („Cross-Border Inter-Bank Payments System“) in Gang zu setzen, das eine Alternative zum SWIFT-System darstellen würde. China gründete 2014 zudem die Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) als Alternative zum IWF und der Weltbank.
Mehrere US-Präsidenten verhängten aufeinanderfolgend Sanktionen gegen den Iran, die jeden bestrafen würden, der iranisches Öl mittels US-Dollar erwerbe. Donald Trump drohte jenen, die Geschäfte mit dem Iran über US-Dollar abwickelten, erhebliche Sanktionen an. So nutzte er den Dollar als Waffe, was China dazu trieb, Maßnahmen zu ergreifen. 2018 startete der Shanghai Futures Exchange seinen ersten Terminkontrakt für ausländische Investoren. Dieser auf Yuan-laufende Öl-Terminkontrakt besitzt das Potential, ein Rivale der auf US-Dollar laufenden Brent- und WTI-Verträge zu werden, welche derzeit noch als Referenzen gelten.
Obwohl der Yuan in den Medien viel Beachtung findet, ist er in Wahrheit nicht einmal annähernd eine Weltwährung. Im internationalen Zahlungsverkehr wird der Yuan nur in 1,22 % der Zahlungen verwendet. Zum Vergleich: Der kanadische und der australische Dollar werden im Handel häufiger eingesetzt. Das chinesische Wirtschaftsmodell hält seit langem einen niedrigen Wechselkurs aufrecht, so dass China nur in begrenztem Umfang Yuan druckt und den Zugang dazu beschränkt, um den niedrigen Wechselkurs aufrechtzuerhalten, was seinen Exporten zugutekommt. China unterliegt zahlreichen Beschränkungen bei der Konvertierung seiner Währung, es gibt Kapitalverkehrskontrollen, und seine Währung ist weltweit nicht frei verfügbar. Als China den Yuan im Jahr 2010 vollständig konvertierbar machte, war die Kapitalflucht so groß, dass die vollständige Konvertierbarkeit unterbunden wurde. Solange diese Beschränkungen nicht aufgehoben werden, kann der Yuan nicht zur Weltreservewährung werden und den Dollar ersetzen.
Neue Währung?
Die eigentliche Herausforderung bei der Ablösung des Dollars ist, dass es derzeit keine echten Alternativen gibt.
Die regelmäßigen Ankündigungen Russlands, den Dollar durch andere Landeswährungen ersetzen und Ölzahlungen in anderen Währungen als dem Dollar entgegennehmen zu wollen, sind alle auf die US-Sanktionen gegen Russland nach dessen Invasion und Besetzung der Krim und der Ostukraine im Jahr 2015 zurückzuführen. Im Jahr 2017 verhängten die USA mit dem „Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act“ noch schärfere Sanktionen gegen Russland. Russland schlussfolgerte aus all dem, es müsse seine Abhängigkeiten zum Dollar ausmerzen und unternahm einiges in diese Richtung, jedoch wollen die meisten Staaten keine Rubel kaufen, da dieser auf dem Weltmarkt starken Schwankungen unterliegt. Russland mag zwar einige Staaten zwingen können, russische Rohstoffe in Rubel zu zahlen, jedoch bedeutet dies noch lange nicht, dass der Rubel das Potenzial hat den US-Dollar zu ersetzen.
Der Euro ist die zweite Reservewährung nach dem Dollar. Als die Eurozone 1999 gegründet wurde, sagten viele voraus, dass der Euro den Dollar überholen würde. Seitdem haben sich die Differenzen zwischen den europäischen Ländern deutlich verschärft. Die Anleger zögern, ihr Vertrauen in den Euro zu setzen, weil sie befürchten, dass der Währungsblock jeden Moment zusammenbrechen könnte. Obwohl der Euro in großem Umfang gehandelt wird, wird er hauptsächlich innerhalb Europas gehandelt und ist daher eigentlich eine lokale Währung und keine globale Währung. Ein weiteres Problem mit dem Euro als Reservewährung ist der Wegfall der versicherten Bankeinlagen. Das bedeutet, dass die Europäische Union Euro-Guthaben auf europäischen Konten beschlagnahmen kann, um eine Bank zu retten. Seit der Rettung Zyperns im Jahr 2013 ist der Euro als Zahlungsmittel und Reservewährung zusammengebrochen.
Der japanische Yen ist die am drittmeisten gehandelte Währung der Welt. Während des rapiden Wachstums in den 1970ern und 1980ern entschied sich Japan, den Yen nicht zu internationalisieren, trotz der Tatsache, dass viele in den USA ihn als Bedrohung wahrnahmen. Folgende Rezessionen und das sogenannte „verlorene Jahrzehnt” führten zur größten Kapitalflucht der Weltgeschichte. In Folge dessen führte die japanische Regierung Maßnahmen ein, welche die volle Konvertierbarkeit des Yen verhinderten. Japans Aussichten sind, aufgrund der Altersdemografie und des fortwährenden Konjunktureinbruchs alles andere als gut, wodurch das Vertrauen in den Yen nicht stark genug ist, als dass er zur globalen Reservewährung avancieren könnte.
Der kanadische Dollar, der australische Dollar, der neuseeländische Dollar, der Pfund Sterling, sowie die Schwedische und Dänische Krone machen zusammen lediglich ein Viertel der weltweiten Transaktionen aus. Die globale Reservewährung muss in der Lage sein, den Welthandel am Laufen zu halten, was die genannten Währungen selbst vereint nicht schaffen würden.
Während nationale Währungen als globale Vermögenswerte dienten, sahen viele den ehesten Nachfolger des Dollars in einer völlig neuen Art von Währung. Dabei besitzen Insbesondere zwei sich entwickelnde Trends das Potenzial, nicht-nationale internationale Währungen zu produzieren: Das Sonderziehungsrecht (SZR) und Kryptowährungen wie etwa Bitcoin.
Das SZR fungiert als internes Geld des IWF. Es bezieht seinen Wert aus einem Korb von fünf Hauptwährungen: Dem US-Dollar, Yuan, Euro, Yen und dem Pfund Sterling. Staaten besitzen SZR-Konten beim IWF, mittels derer sie Zahlungen per Kredit und Lastschrift tätigen können. Der Fond trifft Entscheidungen über den Korb, etwa welche Währungen eingebunden werden und wie ihr Wert ermittelt wird. In den letzten Jahren kam vermehrt der Vorschlag auf, das SZR zu einer Währung weiterzuentwickeln, die von Individuen und Unternehmen genutzt werden könnte. Aktuell kann das SZR nämlich nur von Staaten verwendet werden.
Der Bitcoin gilt als Vorreiter unter den Kryptowährungen. Diese Währungen nutzen ein komplexes System – genannt „Distributed-Ledger-Mechanismus“ – also die Blockchain-Technologie, bei der sich die Nutzer die Last des Mechanismus der Währung teilen, indem sie ihre Computerleistung zur Verfügung stellen, wodurch eine „demokratische“ Währung entsteht, die keine Zentralbank zur Überwachung benötigt. Einem Bericht aus dem Jahr 2015 zufolge gingen Insider davon aus, dass der Bitcoin bis 2030 zur sechstgrößten Reservewährung aufsteigen würde. Doch seitdem der Wert des Bitcoins wegen seiner Volatilität stark zu schwanken begann, und weil El Salvador das einzige Land ist, dass den Bitcoin (zusätzlich zum US-Dollar) zur Landeswährung erklärt hat, scheinen Kryptowährungen als Ersatz für bestehende Fiat-Währungen zunächst bis auf Weiteres ausgeschlossen. Von Vertrauen in diese kann keine Rede sein.
Sowohl das SZR als auch Kryptowährungen wie der Bitcoin stehen vor ähnlichen Problemen – mangelnde Handlungsfähigkeit. Sie beide entbinden eine zentrale Behörde von der Kontrolle über die Ausgabe der Währung, doch keine der beiden Währungen bietet genügend Rückhalt. Der Dollar wird seine globale Position weiterhin beibehalten, bis eine andere Nation ihre Währung internationalisieren und zu einer Alternative machen kann. Auch wenn dies noch in weiter Ferne zu liegen scheint, ist die wirtschaftliche Lage der USA mit ihrer wachsenden Verschuldung, dem Leistungsbilanzdefizit und den immer wieder aufkommenden Problemen auf Regierungsebene ziemlich prekär. Es könnte sich durchaus eine Gelegenheit ergeben, bei der die überforderten und innenpolitisch gespaltenen USA von einer anderen Nation überrascht werden, die ihre globale Rolle schnell ausbaut und ihre Währung in eine zentrale Position innerhalb der Weltwirtschaft bringt. Die Ablösung des Dollars wird somit eher zu einer politischen als zu einer wirtschaftlichen Frage.