Die zwei wesentlichen Eigenschaften des Koran sind die, dass er ein Buch in arabischer Sprache ist und dass er in seiner Gesamtheit göttlichen Ursprungs ist. Was die Sprache angeht, so braucht es keinen Beweis, dass es sich um Arabisch handelt. Im Gegensatz dazu ist ein rationaler Beweis notwendig, dass der Koran wortwörtlich von Allah (t.) stammt und nicht etwa vom Propheten Muhammad (s.) oder einem anderen Menschen. Den Beweis liefert der Sprachstil des Koran, der sich dadurch auszeichnet, dass er einzigartig ist und nicht nachgeahmt werden kann. Die arabische Sprache findet sich darin in absoluter Perfektion wieder. Die Sprache des Koran geht über jedes menschliche Vermögen hinaus, sich sprachlich auszudrücken. Deshalb fordert Allah (t.) die Menschen im Koran heraus, etwas zu hervorzubringen, das den Koranversen gleicht, damit ihr Scheitern sie zur Erkenntnis bringt, dass der Koran nur von Ihm stammen kann. Um das Sprachwunder zu erkennen, sind gute Kenntnisse der arabischen Sprache eine Voraussetzung. Die Erkenntnis, dass der Koran von Allah (t.) stammt, umfasst die Einsicht, dass er weder von einem Mann noch von einer Frau verfasst wurde und somit weder eine männliche noch eine weibliche Sichtweise wiedergibt.
Der Koran ist nicht an die Zeit gebunden, in der er offenbart wurde. Da er nicht das Produkt eines Menschen ist, sondern von Allah (t.) offenbart wurde, ist er auch nicht an einen bestimmten historischen Kontext gebunden. Er ist also nicht vor dem Hintergrund des 7. Jahrhunderts zu lesen und zu deuten. Aber genau das versuchen einige. So, als wäre Allah (t.) nicht in der Lage gewesen, über das 7. Jahrhundert hinauszublicken, als Er den Koran offenbarte. Sie setzen den Koran in einen historischen Kontext und rechtfertigen damit ihre Ablehnung bestimmter islamischer Gesetze und Ideen. Diese Herangehensweise an den Koran unterliegt dem Einfluss westlicher Ideen, die von den Muslimen übernommen werden sollen. Zu diesen westlichen Ideen gehört der Feminismus.
Schon lange gibt es nicht nur die Bestrebungen zu einer historischen Deutung des Koran, sondern zu einer erklärt feministischen Interpretation. Das impliziert, dass männliche Rechtsgelehrte den Koran so ausgelegt hätten, dass eine es dadurch zu einer Unterdrückung der Frau im Islam gekommen sei. Die Unterschiedlichkeit der Rechte und Pflichten von Mann und Frau in Teilbereichen, die von Feministen als Unterdrückung der Frau ausgelegt wird, wäre damit nur eine jahrhundertelange Fehldeutung männlicher Rechtsgelehrter. Somit hätten Mann und Frau eigentlich identische Rechte und Pflichten im Islam und nur die Rechtsgelehrten hätten die Gleichberechtigung quasi unterschlagen. Dabei wird den Rechtsgelehrten der vergangenen Jahrhunderte unterstellt, sie hätten den Koran nicht nach objektiven Maßstäben der Koranexegese gedeutet, sondern nach den vermeintlich patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen ihrer Zeit. Deshalb sei eine feministische Auslegung des Koran notwendig, die gleichzeitig die veränderten historischen Bedingungen bei der Interpretation berücksichtige. Anders ausgedrückt meinen Feministen, dass sie mit einer feministischen Deutung und der gleichzeitigen Loslösung von der Vorstellung, dass der Koran zeitlos sei, die wahre Botschaft des Koran herauslesen könnten. Doch das, was Feministen den Rechtsgelehrten der vergangenen Jahrhunderte vorwerfen, ist genau das, was sie selbst tun. Denn die Feministen sind selbst ein Produkt ihrer Zeit und stehen unter dem Einfluss der Ideen ihrer Epoche.
Wer als Muslim feministische Ideen vertritt, zu denen die Gleichsetzung von Mann und Frau zählen, wird es nicht schaffen, diese mit den islamischen Ideen in Einklang zu bringen, es sei denn, er verändert die Offenbarung selbst. Dann ist sie aber nicht mehr göttlich. Auch die Vorstellung, dass das Tragen des Kopftuchs keine Pflicht darstelle oder dass die Frau beim Gemeinschaftsgebet mit Männern die Rolle der Vorbeterin übernehmen dürfe, steht im Zeichen des Feminismus. Doch das, was als feministische Deutung der Offenbarung verstanden wird, ist keine Deutung mehr, sondern der Versuch, nichtislamische Ideen in den Islam einzubringen. Es wird also nicht gedeutet, sondern verändert. Das beginnt schon bei der Schöpfung des Menschen. Die feministische Deutung besagt, dass Eva nicht nach Adam erschaffen wurde, sondern dass Allah (t.) beide gleichzeitig erschuf. Unter dem Einfluss des Feminismus, in allem eine Unterdrückung der Frau zu wittern, deutete man die Erschaffung der ersten Menschen nicht einfach um, sondern kreierte eine völlig neue Schöpfungsgeschichte. Nur weil es nicht in die feministische Vorstellung passt, dass der erste Mensch ein Mann war, propagieren Vertreter feministischer Ideen, den Koran nicht wörtlich zu nehmen. Hier könnte man sich fragen, ob sie auch dann auf eine gleichzeitige Erschaffung von Mann und Frau bestanden hätten, wenn Allah (t.) die Frau vor dem Mann erschaffen hätte? Oder hätten sie es dabei belassen, weil es in das feministische Weltbild passt?
Die Idee von einer feministischen Koranexegese ist nicht neu. Ihre Vertreter stellen eine winzige Minderheit dar. Grund zur Sorge besteht dennoch. Denn diese Idee wird in der Islamischen Theologie gelehrt, um islamische Religionslehrer als sogenannte Multiplikatoren dazu zu nutzen, feministische Phantasien im islamischen Religionsunterricht zu lehren und sie unter jungen Muslimen zu verbreiten.