Westliche Konzeptionen Entwicklungshilfe ist ein Instrument des Kolonialismus (3)

Früher wurde Entwicklungshilfe aus öffentlichen Geldern finanziert. Inzwischen erfolgt sie vermehrt in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften, so dass sich öffentliche und private Gelder versmischen. Das Problem besteht aber nicht darin, dass öffentliche und private Gelder in einen Topf geworfen werden, sondern darin, dass die Privatwirtschaft, d. h. rein profitorientierte Konzerne, einbezogen wurde. Die Konzerne können mit staatlicher Unterstützung und unter dem Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit ihr kapitalistisches Unwesen in den Entwicklungsländern treiben und im Namen der guten Sache die Menschen ausbeuten.

Das Übel dieser öffentlich-privaten Verflechtung von Entwicklungshilfe, die als Entwicklungszusammenarbeit deklariert wird, versteht man am besten anhand von Beispielen. Bereits 2012 hatte das Bundesamt für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Initiative German Food Partnership (GFP) ins Leben gerufen – vorgeblich zur Stärkung der Ernährungssicherung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Initiative lag das Prinzip der öffentlich-privaten Kooperation zugrunde, bei der sich öffentliche und private Gelder vermischen. Beteiligt waren neben dem BMZ, das die Schirmherrschaft hatte und einen Teil mit öffentlichen Geldern finanzierte, auch die Bill & Melinda Gates Foundation sowie an die 30 Konzerne aus dem Agrar- und Ernährungssektor. In der GFP hatten sich große Player zusammengetan, wie z. B. Bayer Crop Science, BASF, die Europlant Gruppe und Syngenta, die zu den globalen Marktführern bei Saatgut und Agrarchemie gehören. K+S Kali und Yara, die führenden Anbieter für Düngemittel, gehörten ebenfalls dazu genau wie das globale Handelsunternehmen Metro und der Lebensmittelhersteller Mars. Die GFP ist also eine Kooperation zwischen dem BMZ und führenden Agrar- und Chemiekonzernen. Diese Konstellation lässt schon erahnen, dass die Bekämpfung von Armut und Hunger nicht auf dem Plan stand. Vielmehr diente diese Kooperation den wirtschaftlichen Interessen der Konzerne, die sich mithilfe der GFP neue Märkte mit viel Potential in den Entwicklungsländern erschließen und sich Land- und Saatgutrechte sichern wollten. 80 Millionen Euro kamen von den Geldgebern insgesamt für die Initiative zusammen. Von diesem Geld flossen 1,8 Millionen Euro im Rahmen des Projekts „Potato Initiative Africa“ (PIA) in die sogenannte Kartoffel-Initiative in Kenia. Das BMZ hatte die „Potato Initiative Africa“ (PIA) 2014 gestartet, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wurde. Diesem Projekt ging 2013 eine Forderung des damaligen Staatssekretärs des BMZ Hans-Jürgen Beerfeltz voraus, der sagte: „Die Kartoffel muss nach Afrika!“ Dieser Satz ist natürlich völliger Unfug, denn in Afrika gibt es seit Jahrhunderten die Kartoffel. Was Beerfeltz eigentlich meinte, war, dass die europäische Kartoffel nach Afrika müsse. Man gab vor, die Kleinbauern darin unterstützen zu wollen, mit dem Anbau von Kartoffeln Geld zu verdienen. Die Kartoffel-Initiative wollte das Saatgut verbessern, um die Ernte ertragreicher zu machen. Statt aber lokale Kartoffelsorten zu nehmen, kamen die Kartoffelsorten von europäischen Firmen.

Die deutschen Entwicklungshelfer suchten sich eine kenianische Großfarm als Partner, wo zertifiziertes Saatgut produziert werden konnte. Mit den zertifizierten Kartoffeln sollten zwar höhere Erträge erzielt werden, jedoch konnten sich Kleinbauern das zertifizierte Saatgut nicht leisten. Denn ein Säckchen kostete 25 Euro. Zudem musste das Saatgut jede Saison neu gekauft werden. Normalerweise entstehen bei den Kleinbauern keine Kosten für die Beschaffung von Saatgut. Denn sie bewahren die kleinsten Kartoffeln für die nächste Aussaat auf. Das heißt, nur die großen und mittleren Unternehmen konnten sich das zertifizierte Saatgut kaufen. Aber genau diese Unternehmen leiden nicht an Armut, sondern die Kleinbauern, die die Mehrheit der Bauern ausmachen und sich für den Kauf von zertifiziertem Saatgut verschulden mussten. Damit machten sie sich von Saatgutherstellern wie Bayer Crop Science oder Syngenta abhängig. Um ihre Macht zu konzentrieren, ließen die großen Saatgutkonzerne das Saatgut patentieren, um sicherzustellen, dass niemand anders das Saatgut herstellen konnte. Damit nicht genug, benötigten die Bauern für den Anbau dieser neuen Kartoffelsorten Pestizide und Dünger, da diese ertragreichen Kartoffelsorten sonst nicht wuchsen. Auch das konnten sich die armen Kleinbauern nicht leisten, ohne sich zu verschulden.

Diese Form des Kartoffelanbaus ist für die Kleinbauern viel kostenintensiver als der Kartoffelanbau lokaler Kartoffelsorten. Das bedeutet, dass die Kartoffel-Initiative rein gar nichts mit der Bekämpfung von Armut und Hunger zu tun hatte, sondern Bauern im Fokus hatte, die schon über Kapital verfügten und sich das Saatgut, den Dünger und die Pestizide leisten und den Konzernen abkaufen konnten. Zudem motivierte man die Kleinbauern dazu, sich zu verschulden. Von den Kooperationsprojekten des BMZ mit Agrarkonzernen profitieren somit nur die Konzerne. Zu den Unternehmen der GFP gehörten auch Unternehmen, die Erntemaschinen verkaufen. Das Landwirtschaftsministerium des Bezirks Nyandarua in Kenia beispielsweise kaufte eine Erntemaschine von einem Unternehmen der GFP und diese Maschine konnten sich die Bauern dann mieten. Davon profitierte vor allem das Unternehmen und allenfalls der Bauer, der sich die Erntemaschine leisten konnte, weil er damit Erntehelfer einsparte.

Aber sollte es bei der Entwicklungshilfe nicht ursprünglich darum gehen, die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern, damit sie für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen konnten? Wollte die Entwicklungshilfe bzw. die Entwicklungszusammenarbeit die Menschen in Afrika nicht dazu befähigen, für sich selbst zu sorgen? Wollte sie nicht auch Arbeitsplätze schaffen? Mit der Erntemaschine in Nyandarua wurden Arbeitsplätze abgebaut und die Lage der Menschen dadurch noch verschlimmert. Fassen wir das Ganze noch einmal kurz zusammen: Im Rahmen der vermeintlichen Entwicklungshilfe des BMZ führte man zertifiziertes Kartoffelsaatgut in Kenia ein, das ohne Zugabe von Dünger und ohne Einsatz von Pestiziden nicht wächst. In den Schulungen der Bauern, die sie bei diesem Projekt ebenfalls erhielten, wurden selbstverständlich nur bestimmte Produkte empfohlen. Sogar hochgiftige Pestizide wurden angepriesen, ohne die dafür notwendige Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen. Für die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit fühlten sich die Konzerne nicht verantwortlich. Sowohl das Saatgut als auch der chemische Dünger und die Pestizide wurden von den Konzernen hergestellt, die zur GFP gehörten. Ihr Interesse galt einem wachsenden Markt in Kenia, wo es an die 800.000 Kartoffelbauern gibt. Das eigentliche Motiv war also, die Bauern in Kenia als Kunden zu gewinnen und neue Märkte in Afrika zu erschließen. Man wollte die Kartoffelbauern nicht nur dazu bringen, zertifiziertes Saatgut zu verwenden, sondern neue Kartoffelsorten anzubauen, die sich für die Weiterverarbeitung zu Pommes und Chips eignen. Der Anstoß kam vom BMZ, das den Hunger in Kenia scheinbar mit ungesunden Pommes und Chips bekämpfen wollte. In Wahrheit aber brauchten die Bauern kein neues zertifiziertes Saatgut und keine neuen Kartoffelsorten, die nur durch Zugabe von chemischem Dünger und giftigen Pestiziden wachsen, sondern eine Verbesserung des Saatguts ihrer eigenen Kartoffelsorten und vor allem eine Verbesserung der Bodenqualität. Denn die Bauern in Kenia ernten aufgrund der schlechten Bodenqualität einfach weniger.