Der türkische Finanzminister Nureddin Nebati hielt bei dem vom Ministerium für Finanzen organisierten Gipfel „Wirtschaftliche Transformation und neue Paradigmen“ eine Eröffnungsrede und präsentierte dabei einige Erklärungen zur aktuellen Wirtschaftslage der Türkei. Er erklärte die Wirtschaft mit exzentrischen Lehnwörtern und tätigte unter anderem folgende Aussage: „Der heterodoxe Ansatz, der einen erkenntnistheoretischen Bruch mit dem neoklassischen ökonomischen Denken darstellt, gewinnt mit der heute zunehmend in den Vordergrund rückenden Verhaltens- und Neuroökonomie an Bedeutung.“ (29.09.2022 Agenturen)
Kommentar:
Die türkische Finanzkrise, die zusammen mit der Abwertung der türkischen Lira nach der Pandemie jeden betraf, zwingt die Bevölkerung weiterhin in die Knie. Da noch keine realistischen Schritte eingeleitet wurden, um das Voranschreiten der Krise zu beenden, vertieft diese sich von Tag zu Tag. Die Regierungsbeamten, die sich verpflichtet fühlen, in der bevorstehenden Wahlatmosphäre diesbezüglich eine Erklärung an die Menschen abzugeben, versuchen von der eigentlichen Ursache des Problems abzulenken, indem sie das Augenmerk auf Initiativen wie das „türkische Wirtschaftsmodell“ lenken. Dabei muss jeder Satz des Finanzministers in Umgangssprache übersetzt werden, da die Regierungsbeamten sich in ihrer Sprache von der Masse abheben.
Während einer Fernsehsendung, die er letztes Jahr besuchte, amüsierte sich Nureddin Nebati, über die finanziellen Schwierigkeiten der Menschen, indem er auf eine Frage nach dem neuen System folgende Antwort gab: „Können Sie mir in die Augen schauen? Die Wirtschaft ist das Funkeln in den Augen.“ Aufgrund der bei dem Gipfel für wirtschaftliche Transformation verwendeten Lehnwörter wurde diese Aussage anschließend öffentlich stark diskutiert.
Nebati, der während seiner gesamten Rede zwischen den Worten heterodox und orthodox alternierte, machte erkenntlich, dass das, was als „türkisches Wirtschaftsmodell“ bezeichnet wird, nichts anderes ist als die türkische Version des Kapitalismus. Denn jede Kenntnis beinhaltet einen ideologischen Aspekt und die von Nebati verwendeten Konzepte stehen in Abhängigkeit zur kapitalistischen Ideologie. Zudem genügt es, das angewandte System und die seit der Gründung der Republik angewandte Wirtschaftspolitik zu betrachten, um die Abhängigkeit der Türkei von der kapitalistischen Ideologie zu erkennen.
Es ist ein Wirtschaftssystem, in dem die heimische Währung vom amerikanischen Dollar abhängt, die Wucherbanken als Motoren der Wirtschaft fungieren, die Arbeit und das Einkommen der Menschen durch Steuern und Manipulation ausgebeutet werden, und vor allem ist es ein Wirtschaftssystem, in dem die geltenden Gesetze nach globalen kapitalistischen Regeln bestimmt werden. Ganz gleich, wie man dieses Wirtschaftssystem bezeichnet, es ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um ein kapitalistisches System handelt.
Was die Türkei teilweise von anderen Volkswirtschaften unterscheidet und was Minister Nebati mit dem Begriff „heterodox“ ausdrücken möchte, ist die bewusste Wertminderung der türkischen Lira durch die Regierung und die Zentralbank. Für gewöhnlich sind die Zentralbanken der Welt dazu verpflichtet, der Währung eines Landes durch Zinsen einen Mehrwert zu verleihen. In der Türkei wird nun eine gegenteilige Politik verfolgt.
Nach Annahme der türkischen Regierung würde der Export mit der Umsetzung des neuen Wirtschaftsmodells steigen und sich der Leistungsbilanzüberschuss mit dem Anstieg des Außenhandelsüberschusses und der Inlandsproduktion ergeben, wodurch die Inflation sinken würde. Nachdem die Zentralbank den Zinssatz im September 2021 senkte, vervielfachte sich die Inflation jedoch und das aktuelle Defizit sowie das Außenhandelsdefizit und der Wechselkurs steigen weiter an. Obwohl Präsident Erdogan versucht, diese Politik über die These „Zinsen sind die Ursache, Inflation ist das Ergebnis“ zu rechtfertigen, indem er sich angeblich gegen den Zins positioniert, profitieren tatsächlich erneut die Zinslobbys davon, während das türkische Volk zugrunde geht. Denn wenn wir die Wirtschaftsindikatoren betrachten, wird genau das gegenteilige Bild von dem abgezeichnet, was Präsident Erdogan predigt. Ebenso hat in den ersten 6 Monaten des Jahres 2022, als das neue Modell, das die Zinsen bekämpfen soll, eingeführt wurde, die Gewinnrate der Banken die 400%-Marke überschritten, ganz zu schweigen von vielen anderen negativen Daten, die das Einkommen der Menschen untergraben.
Daher ist das Einzige, was über die türkische Wirtschaft gesagt werden kann, die Tatsache, dass der Kapitalismus die Ursache und die Krise das Ergebnis ist. Und die Lösung sind nicht etwa die heterodoxen Ansätze, die eine andere Anwendung des Kapitalismus bedeuten, sondern die Umsetzung des islamischen Wirtschaftssystems, an das das türkische Volk glaubt. Denn im Wirtschaftssystem des Islam ist die Existenz von Banken, die Kreditgeschäfte abschließen, in keiner Weise erlaubt, da alle Formen von Zinsen verboten sind und das Problem des Profits aus Leihgeschäften radikal gelöst wird. Im Wirtschaftssystem des Islam ist das Geldsystem kein Fiatgeldsystem, das Inflation verursacht, sondern ein auf den Gold- und Silberstandard basierendes Währungssystem mit intrinsischem Wert. Die Grundlage des Wirtschaftssystems im Islam basiert auf der Verteilung des Reichtums unter den Menschen. Der Raub von öffentlichem Eigentum durch Unternehmen ist verboten und die Arten des Eigentums sind begrenzt. Kurz gesagt, das Wirtschaftssystem des Islam ist der einzige Garant für Gerechtigkeit und Fortschritt, so, wie es in der Geschichte des Islam 1400 Jahre lang der Fall war. Als Muslime ist es unsere Pflicht, gemeinsam für die Wiedererrichtung des Kalifats nach der Methode des Propheten zu arbeiten, wodurch das islamische Wirtschaftssystem und alle anderen Systeme des Islam zur Anwendung gelangen.