Ungeachtet dessen, ob die saudische Regierung nun als Vasallenstaat oder – etwas höflicher ausgedrückt – als Satellitenstaat tituliert wird; die derzeitigen Herrscher des Königreich Saudi-Arabiens haben ein nahezu peinliches Maß an Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen und der Politik der USA im Nahen Osten und darüber hinaus erreicht. Allerdings ist dies nur eine natürliche Folge des derzeitigen politischen Paradigmas, da die USA letzten Endes für die Sicherheit des saudischen Regimes garantieren und dessen Fortbestand sichern.
Dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman die Entscheidung der OPEC, die Ölproduktion um 2 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln, unterstützte, kam gerade aufgrund der heftigen Einwände des Weißen Hauses eher unerwartet und führte zu einer überraschenden Entwicklung.
Während sich die Welt auf die neuen geopolitischen Gegebenheiten einstellt und russische Energie zunehmend nach Osten statt nach Westen fließt, ist der Rohölpreis von einem Rekordhoch von über 116 Dollar pro Barrel stetig auf unter 80 Dollar pro Barrel gesunken. Ein Wert, der zuträglicher ist, um eine globale Rezession nach der Pandemie abzuwenden und Europas Durst nach nicht-russischem Öl zu stillen.
Viele sind der Meinung, dass Bin Salmans Missachtung gegenüber dem Weißen Haus auf einen deutlichen Kurswechsel in der Beziehung zu den USA hindeutet. Einige gehen sogar so weit zu behaupten, dass die aktuelle Beziehungslage zwischen den USA und seinem Vasallen (Saudi-Arabien) vermuten lassen, dass sich das Königreich vollständig der Einflussnahme der Amerikaner entziehen wird. Dabei lassen solche Behauptungen gerade die Feinheiten der Beziehungen zwischen den USA und dem saudischen Regime außer Acht, die im Grunde auf der Entbehrlichkeit jedes einzelnen Mitgliedes der herrschenden Elitekaste beruht. Zu dem kommt hinzu, dass die USA noch nie derart gespalten waren, wie sie es heute sind. Denn nach der Trump-Ära stehen die zum rechten Spektrum zählenden Republikaner mit ihrem rauen Individualismus nach texanischem Vorbild im völligen Gegensatz zum liberaleren, sozial-integrativen kalifornischen Regierungsstil. Diese Spaltung spiegelt sich auch in den Unternehmen wider, die die jeweiligen Parteien sponsern: Während die Republikaner von den Ölgiganten bevorzugt werden, haben die Demokraten eine größere Affinität zur Technologiebranche und Neugeldzuflüssen.
Kronprinz Mohammed bin Salman hat keinen Hehl aus seiner Vorliebe für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und die Republikanische Partei gemacht. Hingegen gibt Präsident Joe Biden unter Druck des liberalen Armes der demokratischen Partei seine deutliche Abneigung gegenüber MBS zu erkennen. Auf die Frage, ob Biden nach seinem Amtsantritt mit MBS sprechen werde, erklärte Bidens Pressesprecherin (Jen Psaki): „In gewissem Umfang werden wieder formelle Umgangsformen gepflegt, solche die zwischen Amtskollegen üblich sind. Das Äquivalent zum Präsidenten ist hierbei König Salman und ich nehme an, dass er zu gegebener Zeit das Gespräch mit ihm aufsuchen wird. Allerdings habe ich hierzu keine genaue Zeitangabe.“ Dabei hat das Weiße Haus – genauer gesagt die Biden-Regierung – MBS wiederholt dazu aufgefordert, die Entscheidung hinsichtlich einer Produktionskürzung zumindest aufzuschieben. Doch die Forderungen stießen auf taube Ohren und zum Unmut der Regierung Bidens wurde eine Produktionskürzung festgelegt.
Der Zeitpunkt der Produktionskürzung ist hierbei von Bedeutung: Es bestand nämlich kein Zweifel daran, dass es zu gegebener Zeit zu einer etwaigen Drosselung kommen würde. Die Nachfrage stieg schließlich nicht so stark an, wie erhofft, weswegen die Talfahrt der Rohöl-Futures irgendwann gestoppt werden musste. Eine Produktionskürzung, die mit den US-Zwischenwahlen zusammenfällt, wo die Kontrolle über beide Häuser des Parlaments auf dem Spiel steht, hat daher erhebliche Auswirkungen auf die Aussichten der amtierenden Partei.
Es ist undenkbar, dass MBS einseitig beschlossen hat, den Wahlprozess in den USA zu beeinflussen, da ein solcher Schritt das Ende seiner Amtszeit als Kronprinz bedeuten würde. Vielmehr spiegelt sein Handeln seine Unterwürfigkeit gegenüber den Interessen der Republikanischen Partei wider, in der er die größten Hoffnungen für sein Überleben und das Überleben des saudischen Regimes sieht. Bruce Riedel, ein leitender Mitarbeiter der Brookings Institution, erklärte gegenüber The Intercept: „Die Saudis arbeiten daran, dass Trump wiedergewählt wird und dass die MAGA-Republikaner die Zwischenwahlen gewinnen. Höhere Ölpreise werden die Demokraten untergraben.“ Jonah Shepp vom New York Magazine betonte: „Natürlich ist der wahre Grund, warum die Republikaner den Verrat der Saudis so stillschweigend hinnehmen, der, dass sie politisch massiv davon profitieren werden. An sich ist ein leichter Anstieg der Gaspreise nicht unbedingt ein entscheidender Faktor für die Zwischenwahlen. Aber bei so vielen engen Rennen in wichtigen US-Bundesstaaten (sogenannte Swing States) sind dies schlechte Nachrichten für die regierende Partei.“
MBS wird erwartungsgemäß mit Strafmaßnahmen von Seiten der Biden-Regierung rechnen müssen. Diese hat bereits angekündigt, dass die Beziehung zwischen Saudi-Arabien und den USA einer gründlichen Neubewertung unterzogen werden wird. Diese Konfliktbereitschaft täuscht jedoch über die beiderseitige Bedeutung der Beziehung sowohl für die USA als auch für das saudische Regime hinweg. So haben die USA mithilfe des saudischen Regimes die Kontrolle über den strategisch wichtigen Standort des Nahen Ostens und den globalen Ölmarkt. Für das saudische Regime gibt es, die USA ausgenommen, keine andere Nation auf der Welt, die deren Fortbestand der Herrschaft sichern könnte. Russland, China und die EU sind nicht imstande die USA zu ersetzen, weshalb sich die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien trotz aller Rhetorik und Einmischungen nicht wesentlich ändern werden.
Die Einladung der Republikanischen Partei an Kronprinz Bin Salman, sich in die US-Wahl einzumischen, ist indessen ein Zeichen für den Niedergang der US-Politik. Denn früher hat die Psyche von US-Staatsmännern und -Politikern nicht zugelassen, dass eine unterworfene Nation, insbesondere eine, die so viel Spott erntete wie Saudi-Arabien, die US-Politik beeinflusst; Zumal die unantastbare Natur des politischen Systems der USA die Einmischung weniger zivilisierter Nationen ausschloss. Jedoch scheint es derzeit, dass die Interessen der Republikanischen Partei und ihrer Sponsoren die der Nation als Ganzes zu übertreffen drohen.
Quelle: thegeopolity.com