Als die Muslimbrüder nach der Januar-Revolution an die Macht kamen, hatte so mancher geglaubt, der Islam würde nun in Staat und Gesellschaft implementiert werden. Doch dann löste sich alles, was mit den Muslimbrüdern zu tun hatte, in Luft auf, und der Traum von einem Staat, der den Islam implementieren würde, war Geschichte! Das Problem war, dass das Geschehene bei einigen Muslimen, die sich nach einer islamischen Herrschaft sehnten, zu Frustration und Hoffnungslosigkeit führte. Und es war zu befürchten, dass sich die Hoffnungslosigkeit auch in den Herzen der islamisch aktiven Muslime breitmachen würde. Sollte das passieren, wäre das enorm gefährlich. Denn das würde die aktiven Muslime lähmen und ein Hindernis für die Interaktion der Umma mit der daʿwa darstellen. Es würde zu einem allgemeinen Kollaps und einem Rückschlag innerhalb der Umma führen. Somit würde man sich dem Willen der Islamfeinde ergeben. Genau darauf hatten es al-Sisi und die Strippenzieher hinter ihm angelegt. Und selbst wenn er nur vollstreckt, was ihm diktiert wird, so zeugen dennoch seine Maßnahmen und Aktionen, die er seit dem Putsch vollzieht, von einem tiefsitzenden Hass und einer großen Feindschaft gegenüber dem islamischen Lager, ja mehr noch, gegenüber dem Islam als Ganzes, auch wenn er etwas anderes vorgaukelte, besonders als er noch Verteidigungsminister unter der Herrschaft der Muslimbrüder war.
Daher müssen die Ereignisse sehr bewusst studiert und in allen Einzelheiten beleuchtet werden, damit die richtigen Lehren daraus gezogen werden können. Die Fehler müssen identifiziert werden, damit sie in Zukunft vermieden und alle Eventualitäten vorausschauend geprüft werden können. Das erfordert jedoch vorab, ein Verständnis bezüglich der Realität zu haben. Und zwar so, wie sie ist. Bedarf der Realzustand der Muslime bloß einer Reform oder doch einer radikalen Veränderung? Und wie muss der angestrebte islamische Staat aussehen? Wie entsteht er und was sind die Voraussetzungen für sein Weiterbestehen? Welche Eigenschaften müssen die Personen haben, die dafür arbeiten, und wie muss die Gesellschaft aussehen, die die Essenz dieses Staates bilden soll?
Die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg der Arbeit sind mit vielerlei Dingen verknüpft. Einige liegen in der Ideologie, die der Block, der für die Veränderung arbeitet, als Idee und Methode trägt. Andere betreffen den Block selbst, der sich die Ideologie als Idee und Methode angeeignet hat. Und weitere Ursachen gehen auf die Gesellschaft und den Grad ihrer Interaktion mit der Ideologie zurück, inwieweit sie die Ideologie in ihre Mitte und als ihre intellektuelle Führung angenommen hat.
Von daher wollen wir einige Aspekte darlegen, auf die wir das Augenmerk derer richten wollen, die für eine Wiederaufnahme der islamischen Lebensweise arbeiten. Denn so werden fatale Fehler vermieden, die sowohl Muslimbrüder als auch andere Bewegungen begangen haben, sei es die Heilsfront in Algerien oder andere Gruppierungen.
Erstens: Die Festlegung des Ziels, das der Block erreichen will
Es ist unerlässlich, dass die Gruppe, der Block oder die Partei, die auf einen Wandel hinarbeitet, ihr Ziel definiert. Geht es schlicht um eine Partizipation an den herrschenden Regimen oder geht es um deren Demontage und die Wiederaufnahme des islamischen Lebens durch die Errichtung des Kalifats? Dies muss klar und deutlich herausgearbeitet werden, fernab von pauschal und offen gehaltenen Vorschlägen oder dehnbaren Parolen. Das heißt, es muss eine vollständige und umfassende Zielsetzung, ein ganzes zivilisatorisches Projekt vorhanden sein. Dieses muss eine detaillierte Erläuterung der Idee enthalten, aus der alle übrigen Lösungen abgeleitet werden und auf der sämtliche Ideen und Meinungen aufbauen. Auch der ideologische Staat mit seinen Regierungsprinzipien, seinen Säulen und seinen Institutionen muss genau erläutert werden. Welche Systeme und welche Innen- und Außenpolitik wird der Staat zur Anwendung bringen, d. h. welche Verfassung, die aus der Ideologie abgeleitet und zur Implementierung bereitstehen muss, trägt dieser Block?
Und nicht nur das. Wenn dieser Block an die Macht kommt und den Islam implementiert, wird er sich mit neuartigen, komplexen Problemen konfrontiert sehen. Für diese müssen Lösungen, d. h. aḥkām šarʿīya, abgeleitet werden, und zwar aus detaillierten Rechtsbeweisen. Es muss sich um rein islamische Lösungen handeln – um nichts anderes. Und das erfordert die verbindliche Übernahme einer bestimmten Methode im iğtihād. Das heißt, es müssen die Prinzipien erläutert werden, auf deren Grundlage die Gesetze abgeleitet werden. Das ist die Garantie dafür, dass der Staat auf einer islamrechtlich klaren Linie bleibt, abseits von Improvisation und Chaos. So klar und so umfassend muss die Idee sein. Jede Unklarheit hätte verheerende Folgen.
Und eben solche Fehler haben die Muslimbrüder begangen. Sie hatten keine klar formulierte Idee, um die sich die Menschen hätten scharen können. Es wurde vielmehr in vager Form von einem zivilen Staat mit islamischem Bezug gesprochen. Und so existierte der Staat weiter wie er war, ohne nennenswerte Veränderungen, außer dass das Staatsoberhaupt einen Bart trug, betete und den Koran rezitierte. Das Projekt für den Aufstieg der Umma wurde von den Muslimbrüdern nicht als klar ausgearbeiteter Plan vorgelegt, vielmehr ging es um wirtschaftlichen Fortschritt und darum, wie ausländische Investoren nach Ägypten gelockt werden können und wie man das Bruttoinlandsprodukt steigern könnte. Man sprach nicht über eine Wirtschaftspolitik, die darauf beruht, die Befriedigung der Grundbedürfnisse eines jeden Bürgers zu sichern und die der sekundären Bedürfnisse zu ermöglichen. Das ganze Projekt baute nicht auf einer ideologischen Idee auf, bei welcher der Islam und seine ʿaqīda das Grundfundament bilden. Vielmehr war es vom kapitalistischen System geprägt und von seiner beschränkten, falschen Sichtweise auf das Wesen des Wirtschaftsproblems, an dem das Land leidet.
Bemerkenswert ist, dass mit der Machtübernahme der Muslimbrüder – und sogar kurz davor – der magische Slogan „Der Islam ist die Lösung“, den sich die Muslimbrüder jahrzehntelang auf die Fahnen geschrieben hatten, verschwunden war. Dafür kam die Parole „Wir tragen das Gute für Ägypten“ ins Spiel. Abgesehen davon handelten sie auf Basis der verdorbenen Realität, in der das Land lebt, und entnahmen die Lösungen der kranken Wirklichkeit. Das führte unübersehbar zu einem Chaos in der Regierung und zu einem kapitalen Scheitern. Die Muslimbrüder agierten nicht wie eine Gruppe, die eine Idee zur Veränderung trug und das Ziel hatte, die islamische Lebensweise wiederaufzunehmen. Die Idee des Kalifats hatte keinerlei Präsenz, auch nicht ansatzweise, um in Richtung einer Weltführung zu schreiten.
Zweitens: Die daʿwa des Blocks muss global sein und sich nicht lokal oder regional ausrichten:
Die daʿwa muss als globale daʿwa getragen werden, damit alle Völker der Erde die Größe des Islam und die Aufrichtigkeit seiner Gesetze wahrnehmen können, sodass die daʿwa eine menschliche Dimension annimmt und eine globale Macht erlangt. Diese Universalität ist die starke Stütze des entstehenden islamischen Staates angesichts der Gefahren böser Mächte, die den Staat nach seiner Gründung bedrohen werden, besonders in der kritischen Phase seiner Entstehung.
Die daʿwa geht in ihrer Interaktion mit der Umma in den islamischen Ländern in Phasen vonstatten, beginnend mit der Ausbildung und der Interaktion. In dieser Phase wird eine öffentliche Meinung geschaffen, die aus einem allgemeinen Bewusstsein über die Idee und den Block, der für diese Idee arbeitet, hervorgeht. Diese öffentliche Meinung bringt die Umma dazu, sich der Ideologie anzunehmen und sich um die Personen zu scharen, die diese Ideologie tragen. Der Block strebt danach, in einem oder mehreren Ländern, die er zu Aktionsgebieten erklärt hat, die Macht zu übernehmen. Diese bilden dann Basis und Stützpunkt für den neu entstandenen islamischen Staat.
Und das hatten Mursi und seine Leute nicht auf ihrer Agenda. Die Muslimbrüder agierten pragmatisch und übertrafen selbst die radikalsten Laizisten darin. Dass Ägypten zu einem Ausgangsort eines globalen Staates werden sollte, der danach strebt, den Platz einer Großmacht unter den Staaten einzunehmen, stand gar nicht erst auf ihrem Plan.
Und so verloren sich die Muslimbrüder in den Verstrickungen eines tief verankerten säkularen Regierungssystems und konnten den Stützen dieses Systems nicht entgegentreten – nicht der Armee, nicht der Justiz, nicht der Polizei und auch nicht den Medien. Abgesehen davon waren sie besonders darauf bedacht, dem Westen zu schmeicheln, insbesondere der ungläubigen Großmacht USA und ihres Ziehkindes „Israel“. Die Muslimbrüder handelten als lokale Gruppe, ohne globale Ambitionen. Sie taten es aus Furcht vor den „Pfeilen“, die säkulare Kräfte gegen sie richten könnten.
Der Basis der Muslimbrüder auf den Straßen Ägyptens blieb keine Möglichkeit, die öffentliche Meinung für ihr Projekt zu mobilisieren. Stattdessen blieb ihnen nichts anderes übrig, als nach Rechtfertigungen für alle Verstöße der Regierung gegen islamische Gesetze zu suchen. Dazu gehörte zum Beispiel die Einhaltung des unseligen Camp-David-Abkommens, das immer im Kreuzfeuer der Muslimbrüder stand, als sie sich noch außerhalb der Macht befanden. Was das Ganze noch toppte, war, dass der an Perez gerichtete innige Brief Mursis verteidigt wurde. Ebenso wurde die „Operation Adler“, die von der ägyptischen Armee gegen die Jihadisten im Sinai und gegen die Tunnel in Rafah durchgeführt wurde, verteidigt. Darüber hinaus wurden Rechtfertigungen für Verhandlungen mit dem IWF vorgebracht, um zinsbehaftete Kredite zu erhalten, die zu Oppositionszeiten noch als etwas Verbotenes galten!
Drittens: Die Einhaltung der Methode des Propheten (s) in der Errichtung des Staates:
Der Islam hat seine eigene Methode zur Herrschaftsübernahme, die mittels der Offenbarung Allahs (t) herabgesandt wurde. Wer die Methode genau studiert, durch die der Gesandte Allahs (s) den Staat gründete, wird feststellen, dass es nur die eine Methode gibt. Zu ihr gehört nicht, sich auf das demokratische Spiel einzulassen, auch wenn nur vorübergehend. Es wäre besser gewesen, die Muslimbrüder hätten aus den Lektionen ihrer Vorgänger gelernt, anstatt sich zu verausgaben und mit einem neuen Experiment erneut zu scheitern. So werden wir nur Verzweiflung und Frustration in der Umma ernten, eine Verzerrung des Islam und eine Konsolidierung der Hegemonie des ungläubigen Kolonialisten. So hat die Demokratie in Algerien der islamischen Bewegung nur Katastrophen und Unheil beschert! Für ihr gescheitertes Experiment zahlt sie mit ihrem Blut, ihrer Ehre und ihrer Sicherheit noch immer den Preis. Gleiches gilt für andere Länder der islamischen Welt.
Die Methode des Islam zur Errichtung des islamischen Staates besteht darin, die Regierungsmacht über den Weg der Umma zu erlangen. Ist die Umma im Besitz dieser Macht, wird sie diese der Person ihrer Wahl übergeben und umgekehrt auch wieder wegnehmen können. Niemand kann ihr die Macht auf ewig gewaltsam entreißen. Ist die Umma nicht im Besitz ihrer Macht und wurde sie von den Vasallenherrschern mithilfe der Armee und repressiver Sicherheitsapparate in Ketten gelegt, so ist es unumgänglich, innerhalb der Umma aktiv zu werden, um eine öffentliche Meinung zu erzeugen, die einem allgemeinen Bewusstsein über den Islam entspringt. Sodann muss die Kontrolle der Umma über die Machtzentren wiedererlangt werden, d. h. durch die Suche nach Unterstützung im Militär, um den Herrschern den Boden unter den Füßen wegzureißen. In jedem Fall wäre es eine autarke Regierungsmacht, die auf den eigenen Ressourcen des Landes, wo der Staat gegründet wird, beruht.
Und hier haben die Muslimbrüder einen Fehler begangen, als sie sich auf die Versprechen des Militärrates verließen, die Wahlergebnisse zu respektieren und darauf zu setzen, dass die internationale Gemeinschaft – insbesondere die USA – die Resultate ihrer angeblichen Demokratie akzeptiert. Sie – die Muslimbrüder – haben sich nicht darum bemüht, eine öffentliche Meinung zu erzeugen, die aus einem allgemeinen Bewusstsein hervorgeht. Das hätte die Massen dazu gebracht, sich um einen neuen Staat zu scharen, der Allahs Gesetz implementiert. Es hätte sie dazu gebracht, die Schwierigkeiten zu ertragen, damit der Staat sich konsolidieren und auf stabilen Beinen stehen kann. Und das war ein fataler Fehler, möge Allah ihnen vergeben!
Viertens: Das Erkennen der Rolle der Medien bei der Realisierung politischer Ziele:
Zweifellos spielen die Medien bei der Realisierung politischer Ziele eine bedeutende Rolle. Denn sie haben Einfluss auf die öffentliche Meinung, die moralische Verfassung der Menschen und den Rückhalt, den ein Staat auf lokaler und globaler Ebene genießt. Daher werden Medien in den heutigen Ländern als vierte Gewalt betrachtet. In Bezug auf den Staat ist es deshalb unerlässlich, von ihnen umfassend Gebrauch zu machen.
Dieser Sachverhalt war den Regierungsverantwortlichen unter Mursi überhaupt nicht bewusst. Er ließ den Medien freie Hand, ohne festen Plan und verbindliche Strategie für das weitere Vorgehen. Die medialen Beleidigungen, die Schmähungen und den Spott, die sich gegen seine Person richteten, ließ er einfach über sich ergehen. Und so mobilisierten die Medien die öffentliche Meinung gegen ihn, gegen seine Herrschaft und gegen seine Leute. Mursi war außerstande, signifikanten Einfluss auf die Medien zu nehmen und sie, so wie Mubarak es tat, für sich zu instrumentalisieren. Die Medien entglitten ihm vollends, und es gelang ihnen, die Menschen gegen das islamische Lager allgemein und gegen die Muslimbrüder im Besonderen aufzuhetzen. Sie machten sich sowohl über den Präsidenten selbst lustig als auch über sämtliche von ihm getroffenen Entscheidungen. Sie überspitzten die Probleme und blähten sie auf, sodass sie größer wirkten, als sie waren. So wurde dem Beobachter der Eindruck vermittelt, das Land stünde kurz vor dem Untergang. Als wenn es nicht daran gelegen hätte, dass jahrzehntelang Korruption und Misswirtschaft im Land herrschten. Vielmehr wurde Mursi im Laufe des einen Jahres seiner Herrschaft die Schuld für sämtliche Fehler, Missstände und Probleme zugeschoben. Die mediale Hetze hat auf diese Weise den Zorn der Menschen massiv verstärkt und sichtbar einen Zustand fehlender Stabilität geschaffen, was Mursi den Todesstoß versetzte.
Fünftens: Die Männer des Blocks müssen über ein politisches Bewusstsein verfügen und zu politischen Manövern fähig sein:
Der Staat wird sich anfangs in einer Lage befinden, die kreativer politischer Aktionen bedarf und der klugen, wohldurchdachten, politischen Manöver auf interner, regionaler und internationaler Ebene. Das verlangt von den Mitgliedern des Blocks, die Welt um sie herum bewusst zu kontaktieren und zu erkennen, in welchem Zustand sie sich befindet und welche weltpolitischen Positionen vorherrschen. Es bedarf einer präzisen Kenntnis der Beziehungen unter den Staaten, ihrer Abhängigkeiten und ihrer Ausrichtungen. Es erfordert darüber hinaus, die Natur und den Charakter der Völker zu kennen ebenso wie die Spannungsfelder zwischen ihnen. Der Block muss auch über die Interessen der einzelnen Staaten und deren gemeinsame Schnittmengen Bescheid wissen und die vitalen von den sekundären Interessen dieser Staaten unterscheiden können. Diese muss er zum Vorteil des neu entstandenen Staates benutzen. Das alles braucht Erfahrung und Scharfsinn sowie die Fähigkeit, politische Strategien zu erarbeiten und für jede Eventualität adäquat vorbereitet zu sein.
Es war nicht zu übersehen, wie chaotisch es in der Regierung Hisham Qandils zuging und dass es ihr an kreativen, klugen Köpfen fehlte. Das trat deutlich zutage, als es zu einem Treffen kam, das Präsident Mursi mit einigen politischen Kräften leitete, um eine strategisch bedeutende Frage zu erörtern. Es ging dabei um Äthiopiens „Renaissance-Staudamm“. Diese Zusammenkunft wurde ohne Wissen der Anwesenden live übertragen, was aufgrund der einfältigen Lösungen und Manöver, die von den Anwesenden vorgeschlagen wurden, zu Spott und Gelächter bei den Menschen führte. Auch zeigte sich der Präsident immer wieder wankelmütig in seinen Positionen. Er traf Entscheidungen und war außerstande, sie in die Tat umzusetzen, oder er fasste einen Beschluss am Abend und nahm ihn am nächsten Morgen wieder zurück.
Sechstens: Es ist notwendig, das alte politische Establishment vollständig zu demontieren und auszuschalten:
Zu den größten Gefahren, mit denen der entstehende Staat konfrontiert werden wird, ist das alte politische Establishment, dem die Macht entrissen wurde. Auf den Ruinen des Staates und des Regimes dieses Establishments würde schließlich der neue Staat errichtet werden. Diese Eliten sehen ihre Interessen unter Beschuss und ihren Einfluss, ihren Status und ihre Autorität zerstört. Daher wird es unausweichlich dazu kommen, dass sie gegen den Staat und dessen Oberhaupt intrigieren werden, indem sie die Massen aufwiegeln und von innen heraus gegen den Staat hetzen. Oder sie verschwören und verbünden sich mit anderen Staaten, um dem Staat einen Schlag zu versetzen.
Daher ist es unerlässlich, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses politische Establishment auszuschalten und ihnen jede Möglichkeit zur Massenbeeinflussung zu nehmen. Auch muss man alle von den Ungläubigen in den Staat eingeschleuste Spione loswerden, seien es Botschafter, ausländische Missionen, die sich mit humanitären Aktivitäten tarnen, oder Medienschaffende, die durch Irreführung, Heuchelei, Intrigen und der Umsetzung westlicher Pläne in unseren Ländern Bekanntheit erlangten. Wir haben gesehen, wie der Prophet (s) mit den Heuchlern in Medina umging, an deren Spitze ʿAbdullāh ibn Ubai ibn Salūl stand, und wie er mit den Leuten der Moschee des Unheils (masğid aḍ-ḍirār) umging. Er behandelte sie mit einem Höchstmaß an Weisheit und Entschlossenheit. In Mekka berücksichtigte der Prophet (s) den Status und die Position Abū Sufyāns und sprach:
»من دخل دار أبي سفيان فهو آمن»
Wer das Haus Abu Sufyāns betritt, ist in Sicherheit.
Eine weitere Gruppe hingegen bekämpfte er bis aufs Blut. Von einer anderen Gruppe wiederum gewann er die Herzen und zeigte sich ihnen gegenüber großzügig. Doch an die Allgemeinheit der Menschen richtete er (s) die Worte:
«اذهبوا فأنتم الطلقاء»
Geht, denn ihr seid die Befreiten.
Diese Handlungen offenbaren ein großartiges Beispiel, wie mit dem politischen Establishment umzugehen ist. Das Gewinnen der Herzen ist eine wichtige Sache. Es ist weniger ein Gewinn für den Islam, als für den Staat des Islam. Keineswegs muss mit Widersachern immer feindselig umgegangen werden, auch wenn Härte manchmal notwendig ist und für den Schutz des Staates zwingend erforderlich sein kann. Skeptikern und potentiellen Gegnern gegenüber soll man jedoch auch demonstrieren, dass es ihr Staat ist und kein Staat einer Rechtsschule, einer Konfession oder einer Gruppierung, sondern ein Staat für alle Muslime. Es ist ein Staat, der alle Rechte, die die islamische Gesetzgebung festgelegt hat, garantiert. Ein Staat, der die Bürger zur Erfüllung aller Pflichten aufruft, die das islamische Recht ihnen vorschreibt. Mehr noch: Es ist ein Staat, der die Nichtmuslime, die ahl aḏ-ḏimma, großzügig und mit Würde in seine Mitte nimmt und schützt. Dem Staat obliegt es, alle Anstrengungen zu unternehmen, um mit den Menschen im Lande und ihren Führern überall und auf allen Ebenen Kontakt aufzunehmen. Er muss ihnen die Verfassung mit den Rechten und Pflichten aller aufzeigen und erläutern und ihnen die Gründe für den Entwurf dieser Verfassung darlegen, um die Mehrheit der Menschen davon zu überzeugen. Durch die Schaffung einer öffentlichen islamischen Meinung, die einem allgemeinen islamischen Bewusstsein entspringt, werden die Menschen dazu gebracht, sich um den Staat als den ihrigen zu scharen. Sie werden bereit sein, ihn zu verteidigen, und sich voller Stolz mit ihm identifizieren.
Siebtens: Autonom bleiben und sich nicht auf andere verlassen.
Die Verantwortlichen im Staat müssen präzise Systeme und Strategien auf hohem Niveau entwickeln, die der wirtschaftlichen Situation Rechnung tragen. Sie müssen unverzüglich mit der Umsetzung des islamischen Wirtschaftssystems und der Wirtschaftspolitik beginnen, damit die Wirtschaft des Staates nicht mehr länger an das Rad der Ökonomie ungläubiger Staaten gekoppelt bleibt. Der Staat muss autark die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigen können, ohne an andere Staaten gebunden und von deren Gnade abhängig zu sein, was verheerende Folgen hätte.
Und das war bei Dr. Mursi der Fall. Er ließ die Dinge so schieflaufen, wie sie schon zu Mubaraks Zeiten schiefliefen. Den Menschen wurde keine klar definierte islamische Wirtschaftspolitik dargelegt, außer ein zum Scheitern verurteilter Hundert-Tage-Plan, der nichts als realitätsferne Versprechen beinhaltete. Darüber hinaus akzeptierte es Mursi, lediglich formal der Oberbefehlshaber der Armee zu sein und ließ die Militärinstitution als Finanz- und Wirtschaftsimperium bestehen, das nur den entsprechenden Personen vorbehalten blieb. Mehr noch, er sprach während des gesamten Jahres seiner Herrschaft nur in den höchsten Tönen von dieser Institution und versäumte es, Amerikas Hand zu entfernen, die das Militär ausrüstete, ausbildete und lenkte.
Schließlich muss erkannt werden, dass die Lösung für Ägypten und die anderen Länder des Islam darin besteht, dass die Muslime die Macht vollständig, uneingeschränkt und bedingungslos übernehmen. Dies, nachdem die Forderung nach der islamischen Herrschaft in einem rechtgeleiteten Kalifat nach der Methode der Prophetenschaft zu einer starken öffentlichen Meinung geworden ist, der man nicht widersprechen kann. Zudem muss sich der Wille der Umma mit dem Willen und der Unterstützung des Militärs vereinen, das der Umma die Macht verleihen wird, den Islam umzusetzen. Und dies wird ohne Verwässerung, ohne Wohlgefälligkeit und Schmeichelei gegenüber dem Westen geschehen. Denn die heutige politische Kaste, die genau diese Unterwürfigkeit an den Tag legt, muss vollständig beseitigt werden. Ohne Zweifel wird die Armee bei diesem Umbruch eine signifikante Rolle. Sie wird es sein, die den neuen Staat unterstützt und seinen Fortbestand sichert. Die Lösung liegt also nicht in der politischen Partizipation, wie es bei der Wahl von Muhammad Mursi der Fall war, sondern darin, einen Herrscher aufzustellen, der das gesamte System des Islam in revolutionärer Weise implementiert. Unterstützt wird er dabei von den Massen der Umma und einer aufrichtigen Armee, die dem Islam gegenüber loyal ist. Sie wird ihm den erforderlichen Beistand gewähren, um den Islam anzuwenden, und zwar auf geradlinige Weise, ohne Wenn und Aber.