Im Jahr 2001 schlug der Goldman-Sachs-Analyst Jim O’Neill das Akronym BRIC als Bezeichnung für die Länder vor, die in den 2000er Jahren das Wachstum vorantreiben würden. Er schuf den Begriff BRIC als Kürzel für Brasilien, Russland, Indien und China. Mit dem Beitritt Südafrikas im Jahr 2010 erhielt die Vereinigung zudem ein großes „S“. Bis auf ihre wirtschaftliche Zukunft hatten diese Nationen zu dem Zeitpunkt allerdings nur wenig gemeinsam. Die BRICS-Vereinigung wurde ursprünglich zum Zweck des Hervorhebens von Investitionsmöglichkeiten gegründet und stellte keine formelle zwischenstaatliche Organisation dar. Seit dem Jahr 2009 haben sie sich allerdings zunehmend zu einem engeren Block zusammengeschlossen und koordinieren auf jährlichen Gipfeltreffen ihre multilaterale Politik. Heute machen die fünf BRICS-Staaten etwa 42% der Weltbevölkerung, 30% des globalen Territoriums, 23% des globalen BIP und 18% des globalen Handels aus. Mit der Ankündigung konkurrierender Initiativen wie der Neuen Entwicklungsbank, des Contingent Reserve Arrangement (CRA), des BRICS-Zahlungssystems und der BRICS-Reservewährung gilt die BRICS-Vereinigung als stärkste Konkurrenz zum G7-Block.

Im Laufe der Jahre bemühten sich die BRICS-Staaten darum, sich der Welt als Alternative zur globalen Ordnung zu präsentieren. Deshalb sind zahlreiche Beobachter nach wie vor von der Aussicht auf einen Herausforderer der westlichen liberalen Ordnung begeistert. Ihre Vereinigung forderte sogar gewisse Änderungen am globalen Finanzsystem. So soll der Internationale Währungsfonds (IWF) beispielsweise seine Verwendung von Sonderziehungsrechten (SZR) ausweiten, die als Quasi-Währung für den Geldtransfer zwischen den Mitgliedsländern verwendet werden. Zudem sprachen sich die BRICS-Staaten für ein internationales Reservewährungssystem auf breiter Basis aus.
Obgleich sie allesamt als die Entwicklungsländer der Welt bezeichnet werden, unterscheiden sich die einzelnen Mitglieder des Blocks jedoch in militärischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sowie im Hinblick auf ihren jeweiligen Entwicklungsstand.
Brasilien exportierte bisher traditionell Rohstoffe und Mineralien in die USA und nach Europa, doch die Nachfrage der Chinesen verändert die Ausgangslage für die brasilianische Landwirtschaft. Dies hat dazu geführt, dass China zum wichtigsten Importpartner geworden ist, wodurch wiederum billige chinesische Waren das lateinamerikanische Land auf Kosten seiner eigenen Industrie überschwemmt haben.
Russland ist eine weitgehend rohstofforientierte Nation mit umfangreichen Reserven der weltweit bedeutendsten Mineralien und Ressourcen. Zudem ist die Nation der weltweit größte Exporteur der für die Industrien benötigten Rohstoffe. Doch mit dem Einmarsch in die Ukraine ist das Land inzwischen in eine gefährliche Lage geraten.
Indien steht zwar noch in den Anfängen seiner Entwicklung, nimmt aber als Anbieter von Dienstleistungen eine weltweit führende Stellung ein. Im Gegensatz zu Brasilien und Russland, die ihre Wirtschaft auf Rohstoffexporten aufgebaut haben, hat sich Indien von einer von der Landwirtschaft geprägten Ökonomie zu einer Wirtschaft gewandelt, in der die Hälfte des nationalen Wohlstands im Dienstleistungssektor erwirtschaftet wird. Indien hat es bisher nicht geschafft, sich zu einem Massenproduzenten wie die anderen BRICS-Länder zu entwickeln und importiert deshalb nach wie vor einen Großteil seiner Industriegüter aus China.
China hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer Fabrik entwickelt, in der die Textilien und die Elektronik der gesamten Welt produziert werden. Das Reich der Mitte mag zwar ein globaler Exportweltmeister sein, verbraucht aber gleichzeitig Unmengen an Energie.
Südafrikas Exporte reichen von Bergbaurohstoffen wie Platin, Gold, Diamanten und Kohle bis hin zu landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Industriegütern. Diese sind jedoch hauptsächlich für die europäischen Märkte bestimmt, da das Land weit von den Weltmärkten entfernt liegt und andere Lieferanten für Südafrikas wichtigste Exportgüter existieren.
Die BRICS sind seit jeher in ihrer kollektiven Rebellion gegen die bestehende Wirtschafts- und Finanzordnung geeint, doch innerhalb des Blocks weisen sie gravierende Unterschiede auf. So führen China und Indien beispielsweise Krieg im Himalaya. Selbst die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den BRICS-Mitgliedern sind nicht gleichermaßen ausgeprägt: Brasilien, Russland, Indien und Südafrika sind alle viel stärker an China gebunden als aneinander.
Die Beziehungen der einzelnen BRICS-Staaten zu den Vereinigten Staaten sind ausgesprochen intensiv und treiben einen Keil zwischen die meisten ihrer Mitglieder. Jede Nation unterhält ihre eigenen bilateralen Beziehungen zu den USA, wodurch der Block insgesamt geschwächt wird. Was dieser Block jedem seiner Mitglieder dennoch ermöglicht, ist die Verhandlung mit anderen Nationen außerhalb der internationalen Ordnung, wodurch der Anschein einer neuen Koalition von Nationen entsteht, die sich von den USA und dem Westen abgrenzen. Die neuen Mitgliedstaaten, die alle einen Beitritt zu den BRICS erwägen, stehen den USA sehr nahe und könnten zur Entstehung einer Fraktion innerhalb der BRICS führen, falls sie tatsächlich der Vereinigung beitreten sollten.
Die BRICS-Staaten werden zwar stets mit den G7-Staaten verglichen, doch haben die beiden kaum etwas gemeinsam. Der Vergleich basiert im Grunde darauf, dass die BRICS-Staaten als Alternative zu den westlich geführten G7-Staaten wahrgenommen werden wollen. Die G7 stützt sich auf westliche Werte wie freie Märkte, Globalisierung und nationale Souveränität. Zwar sind die BRICS-Staaten nicht mit den Werten der G7 und der liberalen Ordnung, auf der diese basieren, einverstanden, doch verfügen sie über keine ideologische Alternative und waren bisher auch nicht in der Lage eine solche zu präsentieren.
An der politischen Front kritisieren die BRICS weiterhin die westlich geführte Ordnung und schlagen eine alternative Währungs-, Entwicklungs- und Finanzordnung vor. Die Zusammenarbeit der fünf Volkswirtschaften wird jedoch dadurch erschwert, dass sie nur wenig miteinander zu tun haben und zudem kaum einen einheitlichen Zweck verfolgen. Während China und Russland danach trachten, die BRICS-Staaten zu einer Art Anti-G7-Gruppe aufsteigen zu lassen, die die aufstrebende Welt gegen den „hegemonialen“ Westen aufbringt, reisten sowohl Indiens Narendra Modi als auch Südafrikas Cyril Ramaphosa von ihrem BRICS-Gipfel im Juni 2022 in die bayerischen Alpen, um als Beobachter am G7-Gipfel teilzunehmen. Für Modi war es der dritte G7-Gipfel, der seiner Meinung nach den Status Indiens als Großmacht untermauert.
Mit Russland hat die G7 ein breites Spektrum an Sanktionen gegen ein wichtiges BRICS-Mitglied verhängt. Als Reaktion darauf stimmte Brasilien bei einer UN-Abstimmung im März 2022 für die Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine, während die anderen BRICS-Mitglieder auf Zeit spielten und sich nicht für eine Seite entschieden. Sie nutzten Russlands Bereitschaft Geschäfte zu machen, während sie gleichzeitig offen für westlichen Handel und Investitionen blieben. Indien hat seine Bezüge russischer Energieträger zwar gesteigert, nahm aber gleichzeitig am G7-Gipfel teil und knüpfte neue Handelsbeziehungen mit der EU. Südafrika steht gewöhnlicherweise auf der Seite Russlands, nahm aber ebenfalls am G7-Gipfel teil, bei dem das Land mit Deutschland über Energieprojekte diskutierte. In Wirklichkeit waren die BRICS-Staaten nicht imstande der westlich geführten G7 als Block entgegenzutreten.
Im Moment bleibt die BRICS-Vereinigung bloß eine Plattform für Mächte wie China, Russland und Indien, um ihre Handelsinteressen zu bedienen und auszubauen, ungeachtet der unterschiedlichen politischen Interessen und Ziele, welche jeder von ihnen verfolgt. Die Tatsache, dass es kein förmliches Bewerbungsverfahren für den Beitritt in ihre Vereinigung gibt, abgesehen von der einstimmigen Unterstützung aller bestehenden BRICS-Mitglieder, verdeutlicht doch, dass die BRICS trotz ihres rhetorischen Auftretens nur ein loser und informeller Zusammenschluss von Entwicklungsländern sind.
Quelle: https://thegeopolity.com/