Ausland BRICS: Zwischen Rhetorik und Erwartungen

Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass die Abkürzung BRIC(S) durch Jim O’Neill geprägt wurde. Heute stellt sich mehr denn je die Frage nach der Wirksamkeit dieser Vereinigung.

Vom 22. bis 24. August 2023 versammelten sich in Johannesburg in Südafrika die Nationen, die sich selbst als „die Zukunft der Weltwirtschaft“ betrachten. Die BRICS-Gruppe verkündete, dass sie ihre Organisation um weitere Staaten erweitern würde. BRICS hat sich seit der Prägung des Akronyms im Jahr 2001 zu einer Gruppierung entwickelt, die sich als Alternative zur westlich dominierten Ordnung positioniert. Doch selbst wenn der BRICS-Block nun wächst, bleibt offen, ob er wirklich effizient sein kann.

Jim O’Neill von Goldman Sachs prägte 2001 das Akronym BRIC für Brasilien, Russland, Indien und China. Diese Länder betrachtete er als die wachsenden Märkte der Zukunft. Fast ein Jahrzehnt passierte wenig, bis Russland im Jahr 2009, also unmittelbar nach der Weltwirtschaftskrise, den ersten BRIC-Gipfel ausrichtete. Russland betonte, dass die Krise aufzeige, dass die führenden Schwellenländer zusammenarbeiten müssten, um zu verhindern, dass der Westen die Geschicke der Weltwirtschaft und die Entwicklung besagter Schwellenländer kontrolliert. Russland versammelte die anderen BRIC-Länder im selben Jahr, in dem es Georgien überfiel, um seine Macht über die ehemaligen Sowjetrepubliken wiederherzustellen. Für Russland wurde BRICS zu einer antiwestlichen Plattform.

Ende der 2000er-Jahre war China weltwirtschaftlich aufgestiegen und die Wirtschaftskrise 2008 verlangsamte sein Wachstum, da es für seine Exporte von westlichen Märkten abhängig war. China erkannte die Notwendigkeit, seine Abhängigkeit von westlichen Märkten zu verringern, und sah in der BRICS-Vereinigung eine Möglichkeit zur Diversifizierung. Sowohl Russland als auch China betrachteten Afrika als Schlüsselkontinent für eine Abkehr vom Westen, sodass Südafrika 2010 eingeladen wurde der Vereinigung beizutreten. Das Akronym BRIC wurde schließlich mit dem Beitritt Südafrikas um ein „S“ erweitert.

2015 unterstützte China die Entstehung des Contingent Reserve Arrangement und der New Development Bank als Alternativen zum Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Im selben Jahr führte China auch sein eigenes Yuan-basiertes Interbank-Nachrichtensystem, das „Cross Border Interbank Payment System“ (CIPS), ein, das als Alternative zum SWIFT-System präsentiert wurde.

China und Russland setzen sich seit langem für eine Entdollarisierung ein, ein Ziel, welches nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 und den darauffolgenden Sanktionen, die Russland von der Weltwirtschaft abschnitten, an Bedeutung gewann. Expansion und Entdollarisierung standen im Mittelpunkt des BRICS-Gipfels in Südafrika. Es gab bedeutende Ankündigungen hinsichtlich der Expansion der Organisation, jedoch nichts zur angepeilten Entdollarisierung.

Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die VAE traten dem Block bei. Auf dem Papier ist dies ein beeindruckender Block. Er umfasst 60% der weltweiten Ölreserven, die Mehrheit der weltweit kritischen Mineralien und 40% der Weltbevölkerung. Dieser Block ist dreimal so groß wie die NATO und die größte nicht-westliche Gruppierung. Auch Indonesien wird der Vereinigung bald beitreten. Doch während die Expansion einfach schien, erwies sich die geplante Entdollarisierung als größere Herausforderung.

China hat seine Währung selbst nie als globale Währung betrachtet. Der Gebrauch des Yuan ist derzeit zu gering, als dass er global relevant wäre. Die Währungen Australiens, Kanadas und Großbritanniens werden global häufiger verwendet als der Yuan. Chinas größtes Hindernis ist, dass es erhebliche Beschränkungen für seine Währung auferlegt, um sein Wirtschaftsmodell aufrechtzuerhalten. Der Yuan ist weltweit nicht frei verfügbar, was eine Grundvoraussetzung für seine Etablierung als globale Reservewährung wäre. Keine der Währungen der anderen Mitgliedsländer kann den Dollar ersetzen, da sie global wenig genutzt werden und es ihnen an Glaubwürdigkeit mangelt.

Die Einführung einer neuen Währung wäre die einzige verbleibende Option, aber das würde eine Integration auf EU-Niveau zwischen den BRICS-Mitgliedern erfordern, einschließlich China und Indien, die sich derzeit im Krieg befinden. Russland hat zwar erklärt, eine gemeinsame Währung sei ein langfristiges Ziel, aber selbst das könnte nur Wunschdenken sein. Dies führt uns zum Kern der Herausforderung, vor der BRICS steht.

Das Einzige, was die BRICS-Länder gemeinsam zu haben scheinen, ist das Misstrauen gegenüber dem Westen, und selbst darin sind sie nicht geeint. Indien und Brasilien wollen ihre Beziehungen zum Westen aufrechterhalten, trotz aller antiwestlichen Rhetorik aus Moskau und Peking. Der G7 und die globale liberale Ordnung basieren auf gemeinsamen Werten. Trotz aller Unterschiedlichkeiten sind sich die G7-Länder in ihrer globalen Ausrichtung einig. Obwohl Frankreich und Deutschland zögerten, als Russland Truppen an der ukrainischen Grenze mobilisierte, standen sie, als die Russen einmarschierten und die USA den Westen mobilisierten, hinter den USA. Letztlich wollten sie zu ihrer ideologischen Familie gehören und nicht zu einer Alternative. Die neuen BRICS-Mitglieder und die zukünftigen Mitglieder sind eher daran interessiert, Zugang zu Finanzmitteln für ihre Wirtschaften und chinesische Investitionen zu erhalten, als die antiwestliche Rhetorik tatsächlich nachhaltig zu unterstützen. Mit der Zeit könnte dies die Gruppe verwässern und sie ineffektiv machen oder es ihr zumindest immens erschweren, sich auf etwas zu einigen. Länder wie Saudi-Arabien, Ägypten und Pakistan sind Satellitenstaaten der USA und würden den USA einen Platz in vorderster Reihe im Block verschaffen.

Wenn man die Rhetorik aus Russland und China beiseitelässt, hat BRICS keinen Hauptsitz, kein Regelwerk, keine Verfahren, keine Mitgliedskriterien oder Bewerbungsverfahren. Ob der Block effektiv sein kann, bleibt auch zwei Jahrzehnte nach Prägung seines Namens fraglich.

Quelle: thegeopolity.com