1.5 Die islamische Alternative
Der Islam betrachtet Umweltfragen auf eine besondere Weise. Wir hoffen, in diesem Artikel erläutern zu können, wie der Islam dieses Thema aus einem individuellen und einem systemischen Ansatz heraus angeht. Wir möchten daran erinnern, dass dieser systemische Ansatz eine islamische Autorität erfordert, um die entsprechenden Gesetze und Maßnahmen umzusetzen. Das Kalifat ist diese Autorität.
Erstens ist der Islam der Ansicht, dass sich jeder Mensch für seine Handlungen vor Allah verantworten muss. Das individuelle Verhalten wird somit nicht als eine persönliche Entscheidung betrachtet, die aufgrund von Moral getroffen wird. Auch sollen Menschen nicht durch eine Reihe von Steueranreizen oder Preisvorteilen genötigt werden, bestimmte Handlungen zu vollziehen bzw. zu unterlassen. Für alles, was anderen Schaden zufügt, und sei es noch so gering, wird Allah den Menschen zur Rechenschaft ziehen. Es sprach der Gesandte Allahs:
«مَن ضارَّ أضرَّ اللهُ بهِ»
Wer andere schädigt, den schädigt Allah!
Auch hält der Islam die Menschen geradezu davon ab, verschwenderisch zu sein.
Zweitens stellt der Islam den Wunsch nach materiellen Dingen und das Streben nach Besitz in einen viel größeren Zusammenhang. Er unterscheidet klar zwischen „Bedürfnissen“ und „Wünschen“. Er verpflichtet den Menschen, in erster Linie seine Bedürfnisse zu befriedigen. Zwar erlaubt er den Luxus, ermutigt die Menschen allerdings, genügsam zu sein, anstatt allen erdenklichen „Wünschen“ nachzujagen. Gleichzeitig rät der Islam von übermäßigem oder verschwenderischem Konsum ab und lenkt die Aufmerksamkeit des Menschen und sein Bewusstseins über den engen Horizont dieser materiellen Welt hinaus.
Folglich wird innerhalb der islamischen Gesellschaft schädliches Verhalten sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene weitgehend unterbunden und die immense Nachfrage nach materiellen Gütern wird abnehmen.
Drittens hat der Islam ein ausgeprägtes Wirtschaftssystem, das Handel und Unternehmertum fördert, aber jede Form von Zinsnahme (ribā) verbietet. Außerdem besitzt das islamische Wirtschaftssystem keinen eingebauten Wachstumszwang wie der Kapitalismus.
Viertens verfügt der Islam über ein eigenes politisches System, das sich im Kalifat manifestiert. Um die Gesellschaft vor Schäden zu bewahren, setzt der Staat nach Bedarf rechtliche Sanktionen, die durch einen eigenen Zweig im Justizsystem erfolgen.
Fünftens muss sich die politische Führung um die Angelegenheiten der Menschen kümmern. Um die vom Islam gesetzten Prioritäten zu erfüllen, muss die Energieversorgung der Bevölkerung gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang muss der Kalif mehrere Grundsätze miteinander in Einklang bringen:
1. Die Ressourcen, die Allah den Menschen zur Verfügung gestellt hat, vernünftig zu nutzen und nicht zu verschwenden;
2. den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden;
3. Fragen der Energiesicherheit, die für den Schutz der Umma von wesentlicher Bedeutung sind, müssen erfüllt werden;
4. gleichzeitig sind etwaige Schäden, die sich aus der notwendigen Nutzung verschiedener Energiearten ergeben können, zu minimieren (d. h. Lehren aus der Vergangenheit müssen gezogen werden).
Daher würde ein künftiges Kalifat mit aller Wahrscheinlichkeit eine Diversifizierung der Energiequellen anstreben, um die genannten Ziele erreichen zu können. Der Islam betrachtet die diversen Energieressourcen (Solar- und Windenergie, Erdwärme, fossile Brennstoffe oder Kernkraft) allesamt als Segen Allahs. Jegliche Energiegewinnung soll dem Wohle der Menschheit dienen und nicht verschwendet werden. Gleichzeitig müssen aber auch die Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden, um möglichen Schaden künftig zu vermeiden. Darüber hinaus stellt die Energiesicherheit eine der wichtigsten Prioritäten für jeden Staat dar. Sowohl die ausreichende Energieversorgung als auch die Verringerung von Schwachstellen in diesem Bereich sind wesentlich für den Erhalt der staatlichen Souveränität.
Sechstens würde sich das Kalifat aktiv auf die Klima- und Umweltprobleme konzentrieren, mit denen die Bürger konfrontiert sind. Es würde auf die Beendigung von Konflikten drängen, ebenso wie die Umsetzung einiger der oben genannten islamischen Regeln in Angriff nehmen. Beispielsweise gehört die Verhinderung bzw. Beseitigung der Luft- und Wasserverschmutzung durch Industrieanlagen zum Aufgabenbereich des Kalifen, da er den Auftrag hat, sich um die Angelegenheiten der Bürger zu kümmern. Darüber hinaus würde das islamische Kalifat die Grenzen zwischen den künstlich geschaffenen Nationalstaaten in der muslimischen Welt beseitigen. Durch diesen Schritt würde es den verschiedenen Bevölkerungsgruppen ermöglichen, viele Umweltprobleme wieder auf kooperative Weise zu bewältigen.
Bezüglich der Besorgnis über den vom Menschen verursachten Klimawandel und die Ermittlung möglicher Schäden, würde das Kalifat gleichsam der Wissenschaft folgen. Der Grund dafür liegt in der islamischen Pflicht, dass bei technischen Fragen diejenigen konsultiert werden müssen, die über das notwendige Fachwissen verfügen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass politische Entscheidungen, die auf wissenschaftlichen Ansichten beruhen, von den politischen Grundsätzen des Staates bestimmt werden. Die Wissenschaft hat, wie wir bereits erwähnt haben, selten eine neutrale Position bei solch komplexen Fragen. Welche zusätzlichen Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems erforderlich sein werden, wird sich in Zukunft herausstellen. Bereits heute kann und sollte allerdings erwähnt werden, dass die islamischen Grundsätze und das islamische System von vornherein schon viele der Bedenken, die einige Menschen mit diesem Problem verbinden, berücksichtigt haben.
Schließlich würde das Kalifat ein Staat sein, der sich in der Weltpolitik engagiert.
Sollte der Kalif geopolitische Spiele von zynischen Akteuren sehen, die Konferenzen zur Förderung der eigenen Interessen einberufen, wird er diese aufdecken.
Wo auch immer das Kalifat Schäden erkennt, die durch den Kapitalismus hervorgerufen werden, wird es sie aufdecken.
Sollte es jedoch notwendig sein, mit anderen Staaten in Kontakt zu treten, um reale Probleme zu lösen, die ganze Regionen betreffen, wird das Kalifat davor nicht zurückschrecken. Dabei wird es allerdings Argumente aus der islamischen Perspektive vorbringen. Der Kalif würde es nicht zulassen, dass das Kalifat oder ein anderer (insbesondere ein schwacher) Staat von den mächtigen Staaten der Welt ausgenutzt oder manipuliert wird, nur um die eigene Dominanz in globalen Angelegenheiten aufrecht zu erhalten.
Echte geopolitische Führung bestehet darin, die Tagesordnung zu bestimmen und nicht der Agenda eines anderen zu folgen. Daher muss eine Angelegenheit, die die gesamte Menschheit betrifft, im Interesse aller behandelt werden, und zwar sowohl auf intellektueller als auch auf politischer Ebene. Deshalb darf nicht zugelassen werden, dass Kolonialstaaten ihre Interessen auf dem Rücken aller anderen Staaten der Welt durchsetzen.
Mit dieser Artikelserie soll das Thema nicht umfassend behandelt werden. Indem wir jedoch einige der Probleme untersuchen, hoffen wir, mit Allahs Erlaubnis aufzeigen zu können, wie der Islam mit seinem umfassenden Ansatz solche Probleme behandelt. Der Islam geht Umweltprobleme zielgerichtet an und versucht dabei nicht nur, Lösungsansätzen aus der gegenwärtigen Weltordnung ein islamisches Gewand anzulegen.
Wir beten, dass Allah es von uns annimmt und uns alle Unzulänglichkeiten vergibt. Alles Gute darin ist von Allah, dem Schöpfer der Himmel und der Erde und allem, was darin ist!