Kommentar Nie wieder Krieg!

Wir haben immer gesagt ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber wir haben auch immer gesagt ‚Nie wieder Auschwitz! – Ex-Pazifist Joschka Fischer Der ehemalige Außenminister hat es durch seine makabren Ausführungen längst klargestellt.

Wir haben immer gesagt ‚Nie wieder Krieg!‘ Aber wir haben auch immer gesagt ‚Nie wieder Auschwitz! – Ex-Pazifist Joschka Fischer Der ehemalige Außenminister hat es durch seine makabren Ausführungen längst klargestellt. Das Motto „Nie wieder Krieg“, welches sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Schrecken zweier Weltkriege zu Eigen gemacht hat, habe selbstverständlich seine Grenzen.


Drohen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar Völkermorde à la Auschwitz, so müsse sich die BRD der eigenen moralischen Verantwortung und Verpflichtung bewusst werden. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, gelte es in solch einem Falle, Köpfe rollen zu lassen, geleitet von edlen Motiven, welche abseits der westlichen Hemisphäre vergeblich ihresgleichen suchen.


Dieser Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik hat seinerzeit zu heftigen Debatten geführt. Denn gemäß dem Artikel 87a Absatz 1 des Grundgesetzes stelle der Bund Streitkräfte lediglich zur Verteidigung auf. Der grundlegende Anspruch der Bundeswehr bestand nach 1945 also in einem reinen Verteidigungsauftrag. Angriffe oder gar Kriege, so der Tenor der deutschen Eliten, sollten nie wieder von Deutschland ausgehen. Doch selbst ein Blick in den nächsten Absatz des besagten Artikels offenbart, dass die semipazifistische Verfassung der Bundesrepublik von Anfang an ein rechtliches Schlupfloch eingebaut hat, denn „[a]ußer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“ Das erneute Führen von Kriegen war dennoch eine heikle Angelegenheit und so musste die germanische Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg desensibilisiert werden. Schließlich drohte die tugendhafte Generation der Waffen-SS und Hitlerjugend auszusterben und auch ihre Enkel schienen keine Begeisterung für die Kriegsanekdoten der eigenen Großeltern an den Tag zu legen. Zwar genoss die Bundeswehr aufgrund der roten Bedrohung allgemeine Anerkennung und begründete in der Praxis ihr Existenzrecht in der eigenen Stellung als Bollwerk gegen den Kommunismus, doch spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Stellung des Militärs erneut in Frage gestellt. So startete die Bundesregierung eine Kampagne mit dem Ziel, das Aufgabengebiet der eigenen Streitkräfte neu zu definieren. Im Zuge dessen entstand eine Doktrin, welche darauf ausgerichtet war, international Verantwortung zu übernehmen und seinen Teil zur vermeintlichen Friedenssicherung und Verteidigung der Menschenrechte beizutragen. Leopard-Panzer im Schafspelz und Soldatenromantik in exotischen Ländern schienen ihre Wirkung in der deutschen Bevölkerung nicht zu verfehlen. So wurde der Öffentlichkeit suggeriert, dass Deutschland der Welt anstatt den Krieg von nun an den Frieden erklären wird. Im Jahre 1991 schienen die Umerziehungsmaßnahmen allmählich Früchte zu tragen und so stellte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl fest, dass „Deutschland […] mit seiner Geschichte abgeschlossen [hat], es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll[te] diese ausweiten.“ Obwohl die deutsche Regierung bereits während des ersten Golfkriegs desselben Jahres der US-Air-Force bereitwillig AWACS[1]-Besatzungen zur Verfügung stellte, wurde spätestens durch den Krieg gegen Serbien im Jahre 1998 klar, dass die deutsche Öffentlichkeit Kriegseinsätze stillschweigend akzeptierte. Schließlich hatte die deutsche Luftwaffe mit ihren ECR-Tornados die erste Angriffswelle gegen serbische Stellungen ausgeführt.#


Nach dem 11. September 2001 war Deutschland ein integraler Bestandteil der sogenannten Koalition der Willigen und beteiligte sich im Herbst desselben Jahres am Angriffskrieg gegen Afghanistan. Bezeichnenderweise verdeutlicht dieser Einsatz den Willen Deutschlands, von nun an auch Bodentruppen zu entsenden, die auch an vorderster Front mitkämpfen. Hierdurch wurden die Weichen für die zukünftige Kriegsführung der BRD gestellt, wurde doch das letzte Nachkriegstabu gebrochen, indem sich deutsche Soldaten erstmals wieder am schmutzigen Kriegsgeschehen am Boden beteiligten. Als sich die Truppe sogar mit Schädeln ermordeter Afghanen ablichten ließ, äußerte die deutsche Öffentlichkeit sogar ein gewisses Verständnis für die tapferen Helden, welche ja ihr Leben aufs Spiel setzen würden, um die Bundesrepublik am Hindukusch zu verteidigen. So beantwortete die ZEIT in einem Artikel die aufgeworfene Frage, wie verblüffend es sei, dass Soldaten im Krieg verrohen würden, folgendermaßen „Überhaupt nicht. Wer auch nur ein bisschen Nähe zum militärischen erlebt hat, und sei es bloß aus Lektüre, weiß das; der Umgang mit Waffen, erst recht derjenige unter Gefahr, legt archaische, aggressive Reaktionen frei. Schon in friedlichen Geländemanövern kam und kommt es immer wieder zu derartigem Verhalten.“#


Auch im Irakkrieg 2003 kam es nicht zu einer Grundsatzdiskussion, ob Deutschland überhaupt das moralische Recht hätte, Kriege zu führen. Vielmehr ging es darum, die Beteiligung an speziell diesem Kriegseinsatz zu erörtern. Zwar hatte die Schröder-Regierung ihrer Zeit immer wieder beteuert, dass sie sich nicht am Kriegsgeschehen beteiligen würde, doch handelte es sich hierbei nur um die offizielle und ebenso wahlkampftaugliche Version der Geschichte. Tatsächlich koordinierten auch hier deutsche AWACS-Besatzungen die amerikanischen Bombenangriffe und wurden dabei von BND-Spitzeln am Boden tatkräftig unterstützt. Nachdem dies aufflog, sah sich die Bundesregierung nicht einmal genötigt, sich zu erklären. Im Gegenteil! Voller Stolz prahlten die Verantwortlichen in göhring‘scher Manier mit den überragenden Fähigkeiten und der pedantischen Disziplin deutscher Soldaten, schließlich hatte ja selbst die Supermacht USA ihre Unterstützung ersucht.  


Der vorläufige Höhepunkt der Remilitarisierung Deutschlands stellt die aktuelle Debatte über die Beschaffung von US-Kampfdrohnen vom Typ MQ-1 Predator dar. Bei der besagten Drohne handelt es sich um eine Weiterentwicklung der klassischen Predator-Drohne, welche insbesondere durch ihren stetigen Einsatz in Afghanistan und Pakistan zweifelhaften Ruhm erlangte. Bestückt mit bis zu acht Hellfire-Raketen fielen den Angriffen dieser Drohnen bereits hunderte unschuldige Zivilisten zum Opfer. Kampfdrohnen sind im Grunde genommen der verlängerte Arm eines Henkers, welcher per Knopfdruck Zielpersonen eliminiert. Somit handelt es sich bei Drohnenangriffen um staatlich sanktionierte Mordaufträge, welche mittlerweile tagtäglich von der westlichen Willkür erteilt werden. Bemerkenswert ist zudem die Tatsache, dass Drohneneinsätze in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit in einer Art rechtsfreiem Raum stattfinden. Weder wird Notiz von der Luftraumverletzung vermeintlich souveräner Staaten wie Pakistan oder Jemen genommen, noch von der Tatsache, dass es sich hierbei um Hinrichtungen ohne Prozess handelt. Bezeichnenderweise stehen in der aktuellen Debatte nicht die moralischen Bedenken im Vordergrund, sondern die fehlende Einweihung des Parlaments in dieser Angelegenheit. So sei [d]as Vorgehen der Bundesregierung bei der Beschaffung von Kampfdrohnen […] unaufrichtig und widerspricht den demokratischen Grundregeln, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich. Laut seinen Ausführungen ducke sich die Bundesregierung vor der parlamentarischen und öffentlichen Debatte weg, was schlechtem Regierungsstil und vordemokratischen Verhältnissen entspräche. Diese Äußerungen sind nicht mehr als der gewohnte Schlagabtausch zwischen Opposition und Regierung und stellen die Beschaffung der Tötungsmaschinen an sich lediglich pro Forma in Frage. Debatten dieser Art dienen im Grunde genommen nur der Aufrechterhaltung der demokratischen Kulisse, gelte es, der amtierenden Regierung doch stets ihre Grenzen aufzuzeigen. Dass es sich hierbei ausschließlich um Augenwischerei handelt, beweist die Tatsache, dass in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch kein Rüstungsprojekt trotz noch so heftiger Debatten gekippt wurde.


Selbst die Abschaffung der Wehrpflicht ist entgegen dem Eindruck vieler ein weiterer Meilenstein Deutschlands auf dem Weg zu einer aggressiven Invasionsmacht. Was fälschlicherweise als Akt der Friedensförderung interpretiert wird, ist in Wirklichkeit eine moralische Aufwertung der Truppe. So wird den Endlosdebatten der Kriegsdienstverweigerer der Wind aus den Segeln genommen und der in der Vergangenheit oft aufgeflammten Antipathie gegen die Bundeswehr ein für alle Mal Ende gesetzt. Zudem wird auf diese Weise eine professionelle und motivierte Berufsarmee aufgebaut, für die Kriegseinsätze zum Tagesgeschäft gehören. Dass die Abschaffung der Wehrpflicht nicht die Angriffslust eindämmt, führt das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika tagtäglich vor Augen.
Da es in der Natur des Militarismus liegt, wird die Bundesrepublik in absehbarer Zeit auch unilaterale Entscheidungen über Krieg und Frieden treffen, um die nationalen Interessen im internationalen Wettbewerb zu schützen. Dies wird unweigerlich starke Spannungen hervorrufen, welche mit massivem Wettrüsten einhergehen werden. Doch das deutsche Volk sei gewarnt! Denn dass all dies weitreichende Konsequenzen mit sich bringt, offenbart schon ein einfacher Blick in die eigenen Geschichtsbücher, und ob Deutschland durch seine zukünftige Außenpolitik doch noch den stets angestrebten, doch nie erreichten Platz an der Sonne ergattern wird, bleibt anzuzweifeln. Die Hoffnung, dass Deutschland in der internationalen Beliebtheitsskala so weit oben steht, dass es nie wieder zu einer antideutschen Allianz kommen kann, entpuppt sich bereits durch die Eurokrise als naive Milchmädchenrechnung.