Kommentar Die Glatzen, die ich rief

Vor schwarzem Hintergrund und unter dem Bild eines martialischen Händedruckes heißt es auf dem geschwungenen Banner in gotischen Buchstaben: „Gemeinsam sind wir stark“!

Vor schwarzem Hintergrund und unter dem Bild eines martialischen Händedruckes heißt es auf dem geschwungenen Banner in gotischen Buchstaben: „Gemeinsam sind wir stark“! Was zunächst wie ein pathetischer Werbespruch einer Versicherungsgesellschaft klingt, erscheint angesichts des darauf folgenden Claims „Unsere Fahne, unser Land, maximaler Widerstand“ schon ein wenig verdächtig. Doch wenn es heißt „Wenn sie dich hassen, dann hast du was erreicht“ muss selbst der größte Optimist befürchten, in der Bundesrepublik im Jahre 2014 könnte der längst überwunden geglaubte Volkszorn erneut das Ruder übernehmen. Dass es sich bei der HoGeSa um mehr als ein parasoziales Phänomen im World Wide Web handelt, zeigte sich spätestens, als sich am 26.10.2014 aus den Bits und Bytes ein gewaltbereiter Mob formierte und brüllend durch die Straßen Kölns marschierte.


An jenem Tag, an dem Pro-NRW, HoGeSa und Komplizen stolz verkündeten „Heute wird Geschichte geschrieben!“, versammelten sich zwischen vier- und fünftausend Hormonjunkies in der Kölner Innenstadt und präsentierten auf plastische Art und Weise ihre Lösungsansätze für das „Islamistenproblem“ der BRD. Die aggressive Grundstimmung zeigte sich bereits in den ersten Minuten der Demonstration durch eindeutige Parolen, intensivierte sich parallel zum steigenden Alkoholspiegel und mündete schließlich in gewaltsame Auseinandersetzungen mit Anwohnern und Polizei. „Schon kurz nach Beginn des Umzugs brannten Teilnehmer der Polizei zufolge Feuerwerkskörper ab, betrunkene Randalierer attackierten Beamte außerdem mit Flaschen“, so die Beschreibung der dramatischen Szenen von Spiegel-Online. Ausländisch aussehende Passanten und Journalisten mussten von den Sicherheitskräften vor Tritten und Schubsern geschützt werden, es fielen Sätze wie „Verpiss dich, Scheiß-Moslem!“ und „Ausländer raus“. Ungeachtet des frühzeitigen Abbruchs der Demonstration setzte sich die Gewaltorgie in weiten Teilen Kölns fort. Bis in die späte Nacht hinein lieferten sich die selbsternannten Heimatschützer Schlägereien in Kneipen und randalierten in Einkaufsmeilen. Selbst in Zügen, die Köln spätabends Richtung Osten verließen, kam es zu zahlreichen Übergriffen und Anpöbelungen seitens der gewaltbereiten Hooligans. Die Bilanz des HoGeSa-Aufmarsches: 20 Festnahmen, 49 verletzte Polizisten und Sachbeschädigung, darunter mehrere Polizeifahrzeuge.


Während sich die Veranstalter darum bemühten formell Abstand von den Gewalttaten zu nehmen, bezeichneten in der Bundesrepublik zugelassene Parteien wie „Die Freiheit“ und „Pro-Deutschland“ die Demonstration als vollen Erfolg. Die Kundgebung zeige einen positiven Ruck und eine eindeutige Richtung, in die sich das Meinungsbild der deutschen Gesellschaft verschiebe. Motiviert durch die enorme Resonanz, meldete HoGeSa in den darauffolgenden Tagen Versammlungen in mehreren Großstädten an, um erneut gegen „Islamisten“ aktiv zu werden. Die Entscheidung der Polizei die angekündigte Demonstration in Hannover aus Angst vor „gewalttätige[n] Auseinandersetzungen“ zu verbieten, wurde am 13. November von dem zuständigen Verwaltungsgericht revidiert, da „Gründe für ein vollständiges Verbot nicht vorliegen“ würden. Nachdem es der Polizei durch den Einsatz von rund 5300 Beamten gelang in Hannover die Einhaltung aller Auflagen sicherzustellen und die Gewalt auf verbale Attacken gegen Muslime zu begrenzen, wich die anfängliche Sorge der Zufriedenheit und Erleichterung. „Wir sind sehr zufrieden und ziehen eine durchweg positive Zwischenbilanz“, so Polizeipräsident Volker Kluwe.


Obwohl es in Hannover tatsächlich zu keinen nennenswerten Ausschreitungen kam, verschärfte sich der Ton zusehends und erreichte seinen Höhepunkt als HoGeSa-Leiter Ost den jubelnden Demonstranten zurief: „Lasst uns gemeinsam gegen den Islam kämpfen“. Dass Behörden und Medien dennoch von einer „friedlichen“ Demonstration sprachen, belegt die geistige Konkordanz zwischen Springerstiefel und Bier auf der einen Seite und Lackschuh und Champagner auf der anderen. Die derzeit von Politik und Medien verbreitete Behauptung, die antiislamische Gesinnung wäre in kahlgeschorenen Köpfen oder in Fankurven entstanden, ist genauso haarsträubend wie die Aussage einiger Biologen, der Wellensittich wäre der Nachfahre des Tyrannosaurus-Rex. Zweifelsohne handelt es sich bei Hooligans, Rockerbanden und Konsorten um ein eher unpolitisches Milieu und so drängt sich die Frage auf, welcher Teufel die Haudegen geritten hat in die Rolle eines Inquisitors zu schlüpfen. Dieser Teufel hat viele Namen und spukt für gewöhnlich im Bundestag und den zahlreichen Redaktionen der Bundesrepublik. Angesichts jahrelanger Hetze klingt es wie blanker Hohn, wenn Spiegel-TV nach der HoGeSa-Veranstaltung in Köln seinen Bericht mit dem Satz: „Wenn das Böse gegen das Böse kämpft, kann das böse enden“ einleitet. Ebenso verlogen äußerten sich pyromanische Politiker bei ihrem Versuch, sich von den hitzigen Gemütern zu distanzieren und die Ausschreitungen zu verurteilen. Dass ausgerechnet Brandstifter wie Wolfgang Bosbach die Frechheit besitzen vor weiteren Gewaltausbrüchen zu warnen, zeigt, welch schmutzige Verschwörung gegen den Islam im Gange ist. In einem Rollenwechsel der an Goethes Faust angelehnt zu sein scheint, nimmt je nach Bedarf Politiker, Redakteur oder Straßenschläger die Rolle des Mephisto ein und wäscht seine Hände bereits im nächsten Moment wieder in Unschuld.


Wer verstehen will, was sich derzeit in der deutschen Gesellschaft abspielt, sollte sich jedoch nicht die Literatur aus der Epoche des Sturm und Drang oder der Klassik zu Gemüte führen, sondern die jüngere Geschichte Deutschlands unter die Lupe nehmen. Schon damals wussten die NSDAP und ihre Lakaien aus der Medienlandschaft, welche Akzente zu setzen sind, um die Volksmassen gegen eine vermeintliche Bedrohung aufzuhetzen. So beschworen Goebbels, Rosenberg und Streicher das deutsche Volk, die eigene Kultur und Rasse vor der drohenden Überfremdung zu verteidigen. Es waren Politik und Medien, die die Raison d’être für Schlägertrupps wie den „Stahlhelm“ und später die SA lieferten und nicht andersherum. Der beschämende Unterschied zwischen jener Zeit und heute besteht in der Geradlinigkeit des NS-Regimes, welches sich im Angesicht brennender Synagogen selbst auf die Schulter klopfte, den wütenden Volkszorn voller Enthusiasmus lobte und für sich beanspruchte. Es bleibt abzuwarten ob die deutsche Politik die Größe besitzen wird, sich angesichts der drohenden Bundeskristallnacht zu ihrer Rolle der geistigen Urheberschaft des Islamhasses zu bekennen. Doch eins ist sicher und so seien die Hooligans gewarnt: Sobald die Drecksarbeit erledigt ist, wird sich die Elite so wie einst von Röhm und seinen SA-Knaben auch der HoGeSa entledigen und dem Henker vorführen.