Islamrechtliche F&A Aus der Webseite des Amir von Hizb-ut-Tahrir

Im Buch „Konzeptionen“ auf S. 36 (arab. Ausgabe) steht, dass die Strafen islamrechtlich begründet werden. Wir wissen aber, dass die Hudűd -Strafen (von Gott festgelegte Strafen für gewisse Vergehen) keinen Rechtsgrund besitzen. Sie dürfen weder erhöht noch reduziert werden, auch darf man daraus keine Analogien (zu anderen Strafen) ziehen. Nun scheint es hier einen Widerspruch zugeben. Wie ist das also zu verstehen? Wir bitten um einige Beispiele für die Rechtsgründe bei Strafen, wenn Sie so freundlich wären.

Frage:
Im Buch „Konzeptionen“ auf S. 36 (arab. Ausgabe) steht, dass die Strafen islamrechtlich begründet werden. Wir wissen aber, dass die Hudűd -Strafen (von Gott festgelegte Strafen für gewisse Vergehen) keinen Rechtsgrund besitzen. Sie dürfen weder erhöht noch reduziert werden, auch darf man daraus keine Analogien (zu anderen Strafen) ziehen. Nun scheint es hier einen Widerspruch zugeben. Wie ist das also zu verstehen? Wir bitten um einige Beispiele für die Rechtsgründe bei Strafen, wenn Sie so freundlich wären.


Antwort:
Was im Buch „Konzeptionen“ erwähnt wird, dass Strafen islamrechtlich begründet werden, widerspricht keineswegs der Aussage, dass Hudűd-Strafen keinen Rechtsgrund (cIlla) besitzen und davon keine Analogie (Qiyâs) zu anderen Strafen gezogen werden darf.
Die Hudűd-Strafen sind vom islamischen Recht bestimmt worden. Für ihre festgelegte Höhe gibt es keinen Rechtsgrund, deswegen dürfen auch keine Analogien daraus gezogen werden. Man darf sie weder erhöhen noch reduzieren. Nicht alle Strafen sind aber so genannte „Hudűd“ (Einzahl: Hadd), denn es gibt auch andere Arten von Strafen. Ebenso gibt es Dinge, die mit den Hudud-Strafen verbunden sind, aus denen sehr wohl eine Begründung gezogen werden darf.


So wird z. B. berichtet, dass Umar (r.) über den Vollzug der Todesstrafe unschlüssig war, als sich sieben Personen an einem Mord beteiligten. Da sprach Ali (r.) zu ihm: „O Führer der Gläubigen! Wenn sich mehrere Personen an einem Diebstahl beteiligt hätten, würdest du ihnen dann die Hand abschlagen?“ Umar antwortete: „Jawohl!“ Da sagte Ali: „Und hier ebenfalls.“ Ali zog eine Analogie von einem durch mehrere Personen begangenen Diebstahl auf einen durch sieben Personen begangenen Mord. Genauso wie im Falle des Diebstahls allen Dieben die Hand abgeschlagen werden müsste, müssen auch alle sieben, die sich am Mord beteiligt haben, getötet werden.


Der (gemeinsame) Rechtsgrund in diesem Falle lautet: „Die Beteiligung an einer Tat, die eine Hadd-Strafe nach sich zieht.“ Dieser Rechtsgrund gilt bei Strafen und wurde beim Analogieschluss von einem gemeinsam begangenen Diebstahl auf einen gemeinsam begangenen Mord verwendet: Genau wie allen Beteiligten an einem Diebstahl die Hand abgeschnitten wird, müssen auch alle Beteiligten an einem Mord getötet werden.


Auch sagt der Gesandte Allahs (s.):

Im Falle des irrtümlich fast absichtlich Getöteten – des Getöteten durch eine Peitsche oder einen Stock – gibt es ein Blutgeld von 40 Kamelen in deren Bäuchen ihre Jungen sind.

Hier wurde aus der absichtlichen Tötung mit einer Peitsche oder einem Stock (der absichtlichen Tötung mit einem Gegenstand also, der normalerweise nicht zum Tode führt) eine Analogie zur absichtlichen Tötung durch einen kleinen Stein oder durch wiederholtes Schlagen gezogen. D. h. es wurde eine Analogie zu allem gezogen, was normalerweise nicht zum Tode führt.


Das Töten mit so einem Gegenstand führt somit nicht zur Vergeltung durch Todesstrafe, sondern zu einem erhöhten Blutgeld. Der Rechtsspruch ist somit nicht auf Peitsche und Stock beschränkt, sondern umfasst alles, was normalerweise nicht zum Tode führt. Tötet man aber mit einem Gegenstand, der normalerweise zum Tode führt, wie ein Messer, ein großer Stein oder ein Gewehr, so fällt dies unter absichtliches Töten, was die Todesstrafe für den Täter zur Folge hat.


Hier wurde in beiden Beispielen der Analogieschluss (Qiyâs) verwendet. Im ersten Beispiel haben wir vom Abschlagen der Hände aller Beteiligten an einem Diebstahl eine Analogie zum Töten aller Beteiligten an einem Mord gezogen, und zwar mit dem Rechtsgrund: „Die Beteiligung an einer Tat, die eine Hadd-Strafe nach sich zieht.“


Im zweiten Beispiel haben wir vom Tötungsfall mit einem Stock, der als „Fast-Absicht“ eingestuft wird, eine Analogie zum Töten mit einem kleinen Stein gezogen, was nun ebenfalls als „Fast-Absicht“ eingestuft werden kann. Der diesbezügliche Rechtsgrund lautet: „Das Töten mit einem Gegenstand, der normalerweise nicht zum Tode führt.“


Demzufolge widerspricht das Suchen nach einem Rechtsgrund bei Strafen nicht der Tatsache, dass von Hudűd-Strafen (an sich) keine Analogien gezogen und ihnen keine anderen Strafen angeschlossen werden dürfen.