Politik, CIA & BND – keine ehrenwerte Gesellschaft
Der folgende Bericht ist von Frank Krüger für das SAAR-Echo verfasst worden. Dabei geht der Verfasser schonungslos mit den Vertuschungsversuchen der deutschen Politik im CIA-Verschleppungsskandal ins Gericht. Wegen seiner Brisanz und seinem inhaltlichen Reichtum haben wir uns entschlossen, den Artikel unverändert unseren Lesern zu präsentieren. Nicht Aufklärung steht im Vordergrund, sondern Vertuschung / Wie Politik und Geheimdienste sich aus der Verantwortung stehlen. Geheimdienste wie die CIA oder der BND sind von der Politik kaum noch zu kontrollieren. Ob das den betroffenen Staaten zum Guten gereicht, darf bezweifelt werden.
Von FRANK KRÜGER
Berlin/Washington. (SE) Das SAAR-ECHO hat als erste deutsche Tageszeitung schon am 3. Dezember in einem Exklusivartikel („Deutscher verklagt die CIA“) berichtet, dass Observationsergebnisse aus deutscher Produktion dem mazedonischen Geheimdienst in Skopje wie auch der CIA im Kabuler Foltergefängnis „Salt Pit“ vorlagen, als Khaled El-Masri von seinen Bewachern „behandelt“ und verhört wurde. Auf ihren Schreibtischen in Skopje wie in Kabul lag eine „fünf Zentimeter dicke Akte“ mit Details aus dem Leben und Umfeld von El-Masri in Neu-Ulm.
Die Fragen, die dem deutschen Entführungsopfer von den Agenten zweier ausländischer Geheimdienste gestellt wurden, stützten sich auf diese Akte und verrieten intime Kenntnisse über den Gekidnappten, die nur aus deutschen Geheimdienstquellen stammen können. Und schließlich war mit „Sam“ ein Deutscher „mit norddeutschem Akzent“ dabei.
In einem zweiten Artikel („Wie tief steckt der BND im Foltersumpf?“) griff das SAAR-ECHO diesen Aspekt des CIA-Skandals, der sich nach den vorliegenden Informationen zu einem BND-Skandal entwickeln müsste, am 8. Dezember erneut auf. Beide Artikel verbreiteten sich – obwohl das SAAR-ECHO von Google-News, wie seit Monaten bei brisanten Nachrichten aus unserer Redaktion, ignoriert und damit zensiert wird durch Verlinkung mit anderen Sites in Windeseile im gesamten Internet. Erst 17 Stunden nach der letzten Veröffentlichung des SAAR-ECHO zu diesem Thema – manche Journalisten haben gelegentlich eine lange Leitung erreichte die offensichtliche Involvierung des BND in den CIA-Skandal mit der „Berliner Zeitung“ erstmals auch die Mainstream-Medien. Wir nehmen es den Kollegen der „Berliner Zeitung“ nicht übel, dass sie sich vom SAAR-ECHO inspirieren ließen, unsere Exklusiv-Informationen dann als eigene „Recherche“ verkauften und sie mit ein paar marginalen und nicht nur zufällig gestreuten Spekulationen unterfütterten, das SAAR-ECHO ansonsten unerwähnt ließen und sich in ihrer Veröffentlichung stattdessen auf „anonyme“ Sicherheitskreise beriefen. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Die Berliner „Rechercheure“ hätten nur Manfred Gnjidic, den Anwalt von Khaled El-Masri anrufen und ihm gezielte Fragen stellen müssen, um mit ihrem „Eigenbericht“ gar nicht erst in den Ruch zu kommen, sich nur auf „anonyme“ Quellen zu stützen.
Ungeachtet dieser „Recherchekünste“ begrüßen wir die Veröffentlichung unserer Kollegen in Berlin. Haben sie doch dazu beigetragen, das Bekanntwerden der offensichtlichen Involvierung deutscher Geheimdienste in den CIA-Skandal um Khaled El-Masri zu beschleunigen. Wie gehen nun die deutschen Geheimdienste und die Berliner Regierung mit dieser Nachricht um, die für ein Rauschen im deutschen Blätterwald sorgte, das bereits wieder abebbt? Chance zur politischen Korrektur versiebt Beide sitzen – gemeinsam mit der CIA und der US-Regierung – in ein und derselben Falle, aus der sie sich nun herauszuwinden versuchen, darauf achtend, sich selbst und den jeweils anderen so wenig wie möglich zu beschädigen. Denn das würde zu einer weiteren Abkühlung des Verhältnisses zwischen Washington und Berlin führen können. Wahrlich kein glücklicher Start der Kanzlerschaft von Angela Merkel, der sich mit dem Fall El-Masri theoretisch wenigstens die Chance böte, die transatlantischen Beziehungen wieder auf eine freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundlage zu stellen, anstatt die Freiheit und Rechte der Bürger in diesem Land unter dem Deckmantel der Terrorismus-Bekämpfung immer weiter einzuschränken.
Anstatt sich erneut in einen „Kalten Krieg“ mit einem – wieder einmal von den USA zum Bösen erklärten „Gegner“ hineinziehen zu lassen, was in erster Linie den US-amerikanischen Wirtschafts- und Machtinteressen entgegenkommt, könnte der Fall El-Masri zum Anlass genommen werden, in einem längst überfälligen erweiterten Rahmen Ursachenforschung zu betreiben, nämlich die Frage zu stellen, welche Elemente der imperialen US-Politik den Hass entstehen ließen, der zum internationalen Terrorismus geführt hat. Nach den schamlosen Lügen Washingtons, die den Überfall der Vereinigten Staaten auf den Irak rechtfertigen sollten und den neuen „Kalten Krieg“ Amerikas bereits in einen heißen münden ließen, könnte Bundeskanzlerin Merkel in aller Freundschaft mit den Amerikanern Klartext reden, anstatt die von Washington erwartete Vasallenhaltung einzunehmen. Doch dazu wird es nicht kommen, ebenso wenig wie zu einer umfassenden Aufklärung der Hintergründe, die zum El-Masri-Skandal führten.
Dabei hätten die Bürger und vor allem das Opfer in einem Rechtsstaat Anspruch auf rückhaltlose Aufklärung des Verbrechens. Die Geheimniskrämerei um die offensichtliche Verwicklung deutscher Dienste in den CIA-Skandal um El-Masri und andere dient nicht dem Ansehen des Staates und seinen Bürgern, sondern den Interessen der Vereinigten Staaten, die ihre Macht-, Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen auf alle rohstoffreichen Regionen der Welt ausgeweitet haben, als würde es sich um amerikanische Provinzen handeln. Sie dient allenfalls einigen Politikern und Geheimdienstmitarbeitern, die sich auf diese Weise aus der verantwortung stehlen, während Fragen der Öffentlichkeit unbeantwortet bleiben. Wir haben sie schon einmal gefragt: Wer eigentlich kontrolliert wen? Wer zieht die Strippen in diesem Land? Die Politik oder ein paar Dunkelmänner aus dem Schlapphut-Milieu? Terror der Armen und Terror der Reichen Keine Rücksicht auf die nationalen Interessen und kulturellen Werte anderer Länder zu nehmen, deren Vorstellungen von Entwicklung nicht zu respektieren und sich ihre natürlichen Reichtümer unter dem Deckmantel des freien Handels zu amerikanischen Bedingungen faktisch überall auf der Welt anzueignen, hat den Terrorismus Armer als Antwort auf den selbstsüchtigen Terror Reicher geradezu gefördert. Ursache und Wirkung sind zwei Seiten einer Medaille.
Die Ursachen auszuklammern und so zu tun, als sei die Wirkung gleichsam aus dem Nichts heraus entstanden, ist ein gefährlicher Selbstbetrug, zu dem wir uns auch von amerikanischen Freunden nicht länger verleiten lassen sollten. Die Vereinigten Staaten verfolgen seit dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie ihr eigenes Ding – und das mit buchstäblich allen Mitteln. Dafür haben sie schon immer Dumme gesucht und auch gefunden wie zuletzt die Länder, die sich am Irak-Krieg mit Truppenkontingenten beteiligt haben. Die dürfen dann gleichfalls ein wenig profitieren und werden gehätschelt, solange jedenfalls, wie sie bereit sind, sich unterzuordnen und den amerikanischen Vorstellungen anzupassen. Wer aufmuckt, wurde abgestraft, entfernt, ermordet, boykottiert, gestürzt, diffamiert, mit Wirtschaftssanktionen bedroht oder im günstigsten Fall vorübergehend am politischen Katzentisch platziert und ignoriert. Demokraten und Diktatoren gleichermaßen. Denn beide, so seltsam es auch anmutet, konnte das angeblich demokratische Amerika, das sich gern als Beschützer demokratischer Werte und der freien Welt aufspielt, bislang immer unter einen Hut bringen, wenn es für sie von Vorteil war. Daran gelegentlich zu erinnern, wie es Harold Pinter in seiner Stockholmer Literatur-Nobelpreis-Rede eindrucksvoll getan hat, könnte auch in diesen Tagen im Zusammenhang mit dem El-Masri-Skandal hilfreich sein, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Doch was kümmert es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt. Was also geschieht in Berlin? Versprochen wird Aufklärung – nachdem laut „Spiegel“ das Auswärtige Amt im Fall El-Masri bereits „ausdrücklich auf diplomatische Bemühungen um eine Klärung oder Entschuldigung durch die US-Behörden verzichtet hat“. Was ist denn das für eine Aufklärung? Die Bundesregierung verweigerte „mit Verweis auf die geltende Rechtslage“ bereits die Bekanntgabe konkreter Details. Danach dürfe die Regierung über die Arbeit der Nachrichtendienste nur im dafür zuständigen geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) berichten. Aha, so also sieht Aufklärung aus.
Die USA, Mazedonien und Albanien haben auf das Rechtshilfeersuchen Deutschlands im Fall El-Masri nach Monaten noch nicht reagiert. „Wir warten auf irgendetwas Offizielles aus Amerika“, teilte Oberstaatsanwalt August Stern aus München nichts- und vielsagend zugleich mit. „Irgendetwas“? Ein kleines Beruhigungspillchen aus Washington vielleicht, ein „Teilgeständnis“, mit dem es sich hüben wie drüben leben lässt, mit zerknirschter Miene vorgetragen, um die internationale Öffentlichkeit einzulullen? Ein ähnlicher Auftritt in Berlin und Pullach, der den verantwortlichen Politikern und Geheimdienstlern einen Fluchtweg in eigener Sache öffnet, um die Hintergründe des Skandals zu verschleiern?
Politik, die das Volk nichts angeht Wie könnte ein solcher Fluchtweg aussehen? – Nichts einfacher als das. Das Drehbuch für bereits abgestimmte und den Skandal verharmlosende „Teilgeständnisse“ scheinen auf beiden Seiten des Atlantiks schon seit Wochen in den Schubladen zu liegen. Schon vor dem Besuch von US-Außenministerin Rice in Berlin zeichneten sich die Umrisse des Planes ab, als auffällig oft die gute Zusammenarbeit der CIA mit ausländischen Geheimdiensten hervorgehoben wurde. Auch die deutsche Seite ist in eigener Sache längst aktiv und wird „Information“ – medial bereits vorbereitet – überwiegend ins PKG verlegen und der Öffentlichkeit mitteilen: Sorry, das meiste ist leider streng geheim, bis an ihr Lebensende müssen die PKG-Mitglieder leider schweigen. So schützen die in den El-Masri-Skandal involvierten Politiker und Geheimdienstler sich gegenseitig vor Enthüllungen und möglichen Strafprozessen. Wie gut, dass es Geheimhaltungsvorschriften gibt und die nationale Sicherheit vorgeschoben werden kann, wenn es für Politiker brenzlig wird. Die Öffentlichkeit erfährt somit nur die halbe Wahrheit, wenn überhaupt. Nach außen wird „rücksichtslose Offenheit“ nur vorgetäuscht. Die „Berliner Zeitung“ hat bereits gute Vorarbeit geleistet, indem sie einen Sicherheitsbeamten – natürlich anonym – zitierte: „Möglicherweise haben wir durch Informationen, die mit den US-Behörden ausgetauscht wurden, die CIA auf El-Masri aufmerksam gemacht.“ Wohin läuft also der Hase? Richtig. In die Irre.
Nachdem sich die Politik in eigener Sache trickreich zunächst selbst aus der Schusslinie der Öffentlichkeit nehmen wird (PKG-Konferenz hinter verschlossenen Türen), kann das Problem dann auf die Schultern Unbekannter gelegt werden, die – natürlich wiederum aus Sicherheitsgründen – ebenfalls geheim bleiben müssen, weil es sich um Schlapphüte des BND handelt. Die nämlich haben – blauäugig und pflichtbewusst – der CIA lediglich im Rahmen des „routinemäßigen Informationsaustauschs“ Informationen über El-Masri zukommen lassen, angeblich ahnungslos, dass sie zu Kidnapping und Folter durch die CIA führen könnten. Ein ganz normaler Vorgang eben, wie er unter befreundeten Geheimdiensten üblich ist. Klar doch, dass nach dieser „Aufklärung“ niemand mehr zur Verantwortung gezogen werden kann. Die CIA wird zufrieden sein und ist sowieso weit weg und in Deutschland juristisch unantastbar. Außerdem ist der amerikanische Geheimdienst noch besser als der BND darin geübt, Vorgänge wie den El-Masri-Skandal in ähnlicher Weise zu bagatellisieren, wie es auch hierzulande gerade geschieht. Alle werden am Ende zufrieden sein und schließlich zur Tagesordnung übergehen. Und schon bald auch die Mehrheit des Volkes. Was könnte es sonst auch tun?Nur Khaled El-Masri wird noch Jahre, wenn nicht gar ein Leben lang, unter den an ihm begangenen Verbrechen weiterhin zu leiden haben.