Kommentar „New Sudan“ – wie die deutsche Regierung und christliche Institutuionen die Abspaltung des Südsudans

Bei ihren Bemühungen um Abspaltung des Südsudan findet die dortige Regionalverwaltung in Berlin Unterstützung und entsendet eine Ministerin zu Verhandlungen in die deutsche Hauptstadt.

Bei ihren Bemühungen um Abspaltung des Südsudan findet die dortige Regionalverwaltung in Berlin Unterstützung und entsendet eine Ministerin zu Verhandlungen in die deutsche Hauptstadt.
Gesprächspartner sind das Auswärtige Amt und deutsche Firmenvertreter, die der „Afrika Verein“ betreut. Der Südsudan verfügt über bedeutende Rohstoffvorkommen (Erdöl, Gold), deren Verkauf an ausländische Konzessionäre die geplante Abspaltung finanzieren soll; um entsprechende Infrastrukturmaßnahmen kümmert sich ein deutsch geführtes Konsortium. Die Zerstörung der staatlichen Einheit liegt im Interesse internationaler Rohstoffinteressenten und wird deswegen durch Druck auf die sudanesische Zentralregierung in Khartum gefördert. Bundeswehrsoldaten sind im Süden des Landes als „Militärbeobachter“ aktiv und haben bereits afrikanische Truppen nach Darfur gebracht; die USA verlangen seit neuestem den Einmarsch einer „kleinen Anzahl“ an Bodentruppen. Wie in früheren Kolonialzeiten folgen dem Militär kirchliche Organisationen. So intensiviert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Einflussarbeit in den sezessionswilligen Landesteilen des Sudan. Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber verlangt, Deutschland müsse „eine neue, stärkere Rolle in Afrika spielen“. Die Berliner Bemühungen um eine führende Position werden im Sudan auf allen Ebenen ausgeweitet. Als zentrale Einflussorganisation gilt die südsudanesische Sezessionsbewegung SPLM, die sich dem Auswärtigen Amt in dieser Woche für strategische Gespräche zur Verfügung stellt. Die SPLM-Delegation wird von der Transportministerin des abtrünnigen Landesteils angeführt. Es handelt sich um Rebecca Garang, die Witwe des im vergangenen August ums Leben gekommenen Sezessionisten-Chefs John Garang. Das von der SPLM beanspruchte Territorium, aber auch andere Landesteile gehören wegen größerer Erdöllager und Goldvorkommen zu den international umkämpften Ressourcengebieten und haben politische Begehrlichkeiten angefacht. Dabei setzen die ausländischen Rohstoffkonkurrenten auf unterschiedliche Bündnispartner.


Ankerplatz


Die Volksrepublik China kooperiert mit der sudanesischen Zentralregierung, die sich der Abspaltung zu widersetzen versucht.
Peking konnte erheblichen Einfluss auf Erdölförderung und –logistik im Sudan nehmen. Demgegenüber unterstützt die deutsche Außenpolitik seit geraumer Zeit das sezessionistische Lager der SPLM und damit den Bruch der staatlichen Einheit. Die deutschen Aktivitäten beim „Nation Building“ zielen insbesondere auf logistische Maßnahmen, um die im SPLM-Gebiet lagernden Rohstoffe möglichst umgehend fördern und abtransportieren zu können. Das Transportkonsortium wird von dem Unternehmen „Thormählen Schweißtechnik“ angeführt, dem weitere deutsche Firmen zugeordnet sind. Priorität hat ein Eisenbahnprojekt von 4.100 km Länge mit einem Auftragsvolumen von ca. 2,5 Milliarden US Dollar „alleine für den Gleisoberbau. Insgesamt ist mit einem Investitionsvolumen von ca. acht Milliarden US Dollar für diesen Bereich zu rechnen“, teilt Thormählen mit.[1] Die Streckenführung umgeht das nördliche Staatsterritorium und soll den Sitz der südsudanesischen Sezessionisten (Juba) mit der Küste Kenias verbinden – zukünftiger Ankerplatz der Öltanker mit südsudanesischer Fracht auf dem Weg nach Europa. Thormählen strebt die Fertigstellung des wohl größten Schienenprojekts in Afrika bis zum Jahr 2011 an. Genau zu diesem Zeitpunkt wollen die jetzt in Berlin weilenden SPLM-Funktionäre ihren neuen Staat auch offiziell aus der Taufe heben: „New Sudan“.


Wirtschaftskolonie


Neben dem Eisenbahnbau, dessen Beginn wiederholt verschoben werden musste und der nun für diesen Monat angekündigt ist, übernehmen deutsche Firmen weitere Großprojekte: Wiederaufbau der SPLM-Hauptstadt Juba, grundlegende Maßnahmen für die „Energieerzeugung (insbesondere Wasserkraft)“, „Aufbau der Telekommunikation“ und „Aufbau einer Fluggesellschaft“.[2] Damit wären fast sämtliche infrastrukturellen Bestandteile des neuen Staates in deutscher Auftragshand. Selbst die Nilschifffahrt soll unter deutscher Leitung modernisiert werden. Um die notwendigen Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe abzusichern, hat sich die deutsche Konsortialführung eines probaten Gegenwerts versichert: Öl aus der Produktion im südsudanesischen SPLM-Gebiet. Nach Umfang und Art der Auftragsnahme handelt es sich bei „New Sudan“ um Planungen für eine afrikanische Wirtschaftskolonie, der örtliche Funktionäre vorstehen werden.


Richtung Kongo


Deutsche Staatsagenturen ergänzen die privatwirtschaftlichen Aktivitäten. So hat die bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bereits im vergangenen Jahr logistische Zulieferarbeit geleistet und eine grenzüberschreitende Straßenzuführung („Hilfsprojekt“) in das SPLM-Gebiet um Juba ausgebaut. Das Berliner Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kündigte im November an, mit Zahlungen für den Südsudan zu beginnen. Weitere Infrastrukturprojekte lotete der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Schockenhoff mit SPLM-Vertretern aus. Die Planungen nähern sich dem seit Jahrzehnten umkämpften Ressourcengebiet im Osten der Demokratischen Republik Kongo.


Gewaltaufsicht


Die wirtschaftspolitische Einflussarbeit wird militärisch überlagert und führt zu Forderungen, die Zentralregierung in Khartum mit dem Einsatz von NATO-Truppen im westsudanesischen Darfur stärker unter Druck zu setzen. Anlass ist eine erneute Zunahme kriegerischer Gewalt, die nach Angaben der Afrikanischen Union (AU) maßgeblich auf Angriffe der westsudanesischen Sezessionistentruppe Sudanese Liberation Army (SLA) zurückgeht. [3] Die SLA verfügt ihrerseits über enge Beziehungen zur SPLM. Über beide Milizen heißt es, sie hätten „Tötungen, Prügel, Vergewaltigung, Raub, Zerstörung von Privateigentum, Zwangsrekrutierungen, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der von ihnen kontrollierten Bevölkerung, Entführungen und die Tötung von Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen“ zu verantworten.[4] Westliche Staaten nutzen die von der SLA provozierten Unruhen, um den Druck auf Khartum weiter zu verschärfen. Dabei versuchen gegenwärtig die USA, über ein entsprechendes UN-Mandat die Gesamtkontrolle der westlichen Militäroperationen im Sudan zu übernehmen. Damit droht der deutsche Wirtschaftseinfluss unter die hegemoniale Gewaltaufsicht des stärksten NATO-Partners zu geraten.


Stärkere Rolle


Wie in sämtlichen Expansionsgebieten deutscher Außenpolitik sind die christlichen Kirchen auch im Sudan zur Stelle. Über die von Berlin geförderten SPLM-Sezessionisten heißt es in einer Erklärung, die der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am 30. Januar verabschiedet hat, sie bedürften „massiver und umfassender Unterstützung (…) beim Aufbau der Verwaltung und bei den vielfältigen Entwicklungsaufgaben“. [5] Dabei sollen Mittel der evangelischen Hilfswerke zum Einsatz kommen. „Brot für die Welt“ und EED werden von höchster Stelle aufgefordert, „ihre Arbeit im Sudan zu verstärken“. Wie german-foreign-policy.com aus EKD-Kreisen erfährt, ist im März eine Delegationsreise der evangelischen Entwicklungsorganisationen in den Sudan geplant. Stießen deutsche Einflussorganisationen christlicher Prägung („Missionswerke“) zu Kolonialzeiten auf britische Konkurrenz und konnten sich im Sudan nicht durchsetzen, so scheint die kirchliche Begleitung deutscher Soldaten jetzt ein besseres Gelingen zu versprechen. An die gemeinsame Zielsetzung erinnerte der Ratsvorsitzende der EKD, Wolfgang Huber, nach einer offiziellen EKD-Delegationsreise in den Sudan. „Ich bin in der Ansicht bestätigt worden“, erklärte der evangelische Bischof im vergangenen November, „dass wir in Deutschland und in der EU eine neue, stärkere Rolle in Afrika spielen müssen.“[6]
Dieser Artikel erschien auf http://www.german-foreign-policy.com/de. Wegen seiner Seriösität und seines immensen Informationsgehalts wurde er hier unverändert wiedergegeben.
[1] Großauftrag in Afrika – Neubaustrecke Südsudan-Kenia-Uganda; www.thormaehlen-schweisstechnik.de
[2] Großauftrag in Afrika – Neubaustrecke Südsudan-Kenia-Uganda; www.thormaehlen-schweisstechnik.de
[3] Dies bestätigt der Leiter der Africa Union Mission in Sudan (AMIS), Baba Gana Kingibe. AU condemns Darfur attacks, demands disarmament of militias; www.irinnews.org 03.02.2006
[4] „Antigovernment insurgent groups and associated militia forces also committed numerous, serious abuses. The SPLM/A, the Sudanese Liberation Army (SLA), and the Justice and Equality Movement (JEM) were guilty of abuses including killings, beatings, rape, robbery, destruction of property, forced conscription, restricting freedom of movement of populations under their control, kidnapping, restricting access of relief workers and supplies, and killing of NGO workers.“
Country Report on Human Rights Practices 2004, US Department of State 28.02.2005
[5] EKD will verstärkt mit Kirchen im Sudan zusammen arbeiten; Pressemitteilung der EKD 30.01.2006
[6] Bischof Huber sieht noch keinen sicheren Frieden im Südsudan; epd 27.11.2005