Offensichtlich ist diesbezüglich die Planungsphase bereits abgeschlossen, da dem Bericht zufolge bereits Offiziere des „Counterterrorism Center“, welches die Drohnenangriffe der CIA koordiniert, von ihren bisherigen Einsatzorten in Pakistan und dem Jemen teilweise abgezogen wurden und sich nun in Schlagdistanz zu Syrien befänden. Obwohl „US-Präsident Barack Obama [noch] kein grünes Licht für Drohnenangriffe in Syrien gegeben“ habe, beweist dieses Planspiel, welche politischen Ziele die USA in der Syrien-Frage verfolgen.
Nach zwei Jahren Blutvergießen mit über 70.000 Toten, so könnte der Leser annehmen, scheint der Geduldsfaden Barack Obamas endgültig zu reißen. Eine US-Militärintervention scheine immer wahrscheinlicher, gelte es doch endlich der eigenen moralischen Verpflichtung gerecht zu werden und dem Massaker an der syrischen Zivilbevölkerung ein jähes Ende zu bereiten. Schließlich müssen die grausamen Bilder zerbombter Innenstädte und toter Kinder einem Friedensnobelpreisträger zahlreiche schlaflose Nächte bereitet haben.
Endlich! Die langersehnte Rettung vor dem brutalen Assad-Regime scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein. Mit intelligenten Waffen und chirurgischer Präzision würden Predator-Drohnen ihre tödliche Fracht zum Wohle des syrischen Volkes einsetzen. Die militärische Infrastruktur des Regimes würde empfindlich geschwächt, Versorgungslinien der syrischen Truppen gekappt, Kommunikationssysteme und Kommandostrukturen zerstört und führende Köpfe des Baath-Regimes gezielt liquidiert werden. Auf diese Weise könnten die Amerikaner den Aufständischen zu einem schnellen Sieg verhelfen und das Blutvergießen beenden.
So oder so ähnlich muss der erste Eindruck des Lesers gewesen sein, als er die Überschrift des besagten Artikels „CIA bereitet mögliche Drohnenangriffe in Syrien vor“ las. Unter Berufung auf die stets betonte Unterstützung des syrischen Volkes seitens des Westens verwundert es nicht, dass der politisch interessierte Beobachter zu dieser nachvollziehbaren Schlussfolgerung kommen könnte.
Unter diesen Umständen muss es sich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt haben, als der Rezipient im Verlauf des Artikels erfuhr, dass es sich bei erwähnten Drohnenangriffen um eine aktive Unterstützung des bestehenden Regimes handeln würde. Denn das Ziel eines Angriffs wäre niemand geringeres als die effizientesten Kämpfer und eigentlichen Gegner des Assad-Regimes. So heißt es im Handelsblatt-Artikel, dass der US-Geheimdienst „mögliche Drohnenangriffe auf radikale Islamisten in Syrien“ plane. Auch die LA-Times expliziert die Ziele eines amerikanischen Militärschlags und identifiziert Jabhat an-Nussrah als „eine der stärksten Milizen Syriens“. Spätestens die Ausführungen, dass es sich bei besagter Rebellengruppe um „eine terroristische Organisation handle, welche nicht von Al-Qaeda im Irak, zu unterscheiden sei“, offenbart die politische Natur des amerikanischen Planspiels. Entscheidungskriterium dafür, wer in das Visier der amerikanischen Luftwaffe gerät, ist also einzig und allein die politische Gesinnung. So verwundert es nicht, dass blutrünstige Diktatoren nichts zu befürchten haben, während sogenannte „geistige Brandstifter“ wie der US-Bürger Sheikh Anwar al-Awlaki (r.h.) gezielt ermordet werden. Die Erwähnung Jabhat an-Nussrahs ist in diesem Kontext rein exemplarischer Natur, denn tatsächlich existieren zahlreiche Rebellengruppen, welche dieselbe politische Agenda verfolgen. Um welche Agenda es sich dabei handelt wird durch Verweis des Handelsblattes auf den wachsenden Einfluss „radikaler Islamisten“ deutlich. Mit dieser Bezeichnung sind all jene Rebellengruppen gemeint, welche sich in wesentlichen ideologischen Fragen auf einer Linie befinden und sich zum Ziel gesetzt haben, die islamische Schari’a zu implementieren und das Kalifat zu errichten. Die ambivalente Vorgehensweise des Westens im Syrien-Konflikt ist auf die wachsende ideologische Natur des Widerstands zurückzuführen. So führt das Handelsblatt den immer größer werdenden Einfluss islamischer Kräfte auf den Widerstand als eigentlichen Beweggrund für die militärischen Erwägungen der US-Regierung an. Ziel dieser Operation wäre es, den Aufstand amerikanischen Interessen entsprechend zurechtzubomben.
Doch genau wie im Afghanistan-Krieg haben Planer im Pentagon die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Neben der unverwüstlichen Überzeugung der Mujahedin und der daraus resultierenden Kampfmoral sind auch der Rückhalt und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung fundamentale Erfolgsfaktoren des Widerstands. Im Grunde genommen wäre es unmöglich, über zehn Jahre lang dem mächtigsten Militär der Welt zu trotzen, wie es die Taliban täglich in beeindruckender Art und Weise demonstrieren, ohne auf die Loyalität und aktive Unterstützung der einheimischen Bevölkerung aufbauen zu können. Wie wichtig die öffentliche Meinung des eigenen Volkes für eine langfristige Kriegsführung ist, mussten die Amerikaner selbst vor einigen Dekaden einsehen, als die Heimatfront im Vietnam-Krieg zusammenbrach. Obwohl die USA in keiner Weise selbst Kriegsschauplatz waren, wurde die fehlende Unterstützung der eigenen Bevölkerung dem amerikanischen Feldzug zunehmend zum Verhängnis. An dieser Stelle sei erwähnt, dass der islamische Widerstand enorme Unterstützung des eigenen Volkes und der Muslime in aller Welt genießt und so reagierte das syrische Volk auf die amerikanische Klassifizierung von Jabhat an-Nussrah als Terrororganisation mit landesweiten Protesten, welche unter dem Motto „Kulluna Jabhat an-Nussrah“ (zu Deutsch: „Wir alle sind Jabhat an-Nussrah“) veranstaltet wurden. Auch der ARD-Korrespondent Volker Schwenk, der für die Tagesthemen jüngst vor Ort war, bezeichnete die „islamistischen“ Rebellen in Syrien respektvoll als „begnadete und todesmutige“ Kämpfer und betonte dabei, dass sie in der syrischen Bevölkerung „hochverehrt“ seien.
Mit großer Sorge blickt der Westen auch auf die militärischen Erfolge der „radikalislamischen“ Milizen in dieser Auseinandersetzung. So handelt es sich bei allen Rebellengruppen, welche bis dato die wesentlichen Fortschritte verbuchen konnten, stets um jene, die sich offen zu ihrer islamischen Gesinnung bekannt haben. Jabhat an-Nussrah ist die stärkste Fraktion im Norden Syriens, während Liwa al-Islam den Westen des Landes, nahe der irakischen Grenze kontrolliert. Die Rebellen von Tajammu‘ Ansar al-Islam sind speziell in der Umgebung Damaskus aktiv und die Kämpfer von Kataib ahrar ul-Sham al-Islamiyya operieren in nahezu allen umkämpften Regionen Syriens. Es sind eben diese Faktoren, welche bisher dazu führten, dass die so oft angekündigte Unterstützung der Rebellen seitens der Amerikaner größtenteils ausblieb. „Die Obama-Administration hat der Rebellenbewegung bislang keine Waffen geliefert, da sie sich sorge, dass jene Waffen in die Hände extremistischer Gruppen gelangen könnten“, so der amerikanische Fernsehsender CNN. Die New York Times ergänzte zudem, dass „sich die Waffenlieferungen prinzipiell nur an Gruppen richten würden, welche als nationalistisch und säkular gelten, um die jihadistischen Gruppierungen zu umgehen, deren Rolle im Krieg für die westlichen und regionalen Kräfte alarmierend ist“.
Die im Handelsblatt konstatierten Pläne weisen auf eine deutliche Eskalation hin und offenbaren die eigentlichen Frontlinien in dem Syrien-Konflikt. Diese Verlaufen nicht etwa zwischen einer blutrünstigen Diktatur und einem frommen Demokratiewunsch der syrischen Bevölkerung beziehungsweise der westlichen Welt. Auch handelt es sich nicht um einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA, Europa und Saudi-Arabien auf der einen und Russland, China und dem Iran auf der anderen Seite. In Wahrheit wird die Menschheit Zeuge einer historischen Zeitenwende, welche durch den Zusammenprall zweier Ideologien angekündigt wird. Seit dem Zusammenbruch des osmanischen Kalifats standen sich der Islam und der Kapitalismus in dieser Deutlichkeit nicht mehr gegenüber.
Am 16.03.2013 berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf einen Artikel der LA-Times, dass das Pentagon erwäge, in den Konflikt in Syrien militärisch einzugreifen. Dies, so berichtet das Blatt, soll durch gezielte Drohnenangriffe realisiert werden.
