Kommentar Die Türkei könnte den Konflikt jederzeit beenden

Am Donnerstag, den 04.10.2012, gab das türkische Parlament grünes Licht für militärische Aktionen gegen Syrien. Unmittelbar darauf wurde vom Militär das Feuer gegen Syrien eröffnet und mit schwerer Artillerie tief ins Landesinnere hinein geschossen.

Am Donnerstag, den 04.10.2012, gab das türkische Parlament grünes Licht für militärische Aktionen gegen Syrien. Unmittelbar darauf wurde vom Militär das Feuer gegen Syrien eröffnet und mit schwerer Artillerie tief ins Landesinnere hinein geschossen. Dies geschah, nachdem fünf Zivilisten einer türkischen Grenzstadt durch Granatenbeschuss aus Syrien ums Leben kamen.
Der türkische Vize-Premier Besir Atalay sagte, dass der Parlamentsbeschluss keine Kriegserklärung gegen Syrien sei, sondern die rechtliche Grundlage, um jeden weiteren Beschuss aus Syrien zu erwidern: „Der Beschluss ist keine Legitimation zum Krieg, sondern hat eine abschreckende Wirkung.“
In Juni verstärke die Türkei ihre Grenzen mit Flugabwehrraketen und drohte damit, jedes sich annähernde syrische Militärflugzeug ins Visier zu nehmen. Zuvor wurde ein türkischer Kampfjet von syrischen Kräften abgeschossen, wodurch die beiden Piloten getötet wurden. Nach türkischer Darstellung befand sich das Flugzeug im internationalen Luftraum. Syrien hingegen behauptet, es sei in seinen Luftraum eingedrungen.
Die Syrienkrise zieht sich nun seit über 18 Monaten hin und scheint in ein Patt – ein Unentschieden – zu münden. Dies ist eine bemerkenswerte Entwicklung, denn obwohl es der Opposition an schweren Waffen und einer Kommando- und Kontrollstruktur fehlt, hat sie es geschafft, das Assad-Regime so weit zu schwächen, dass es den landesweiten Aufstand nicht mehr bändigen kann.
Diese verfahrene Situation blieb von keiner beteiligten Kraft unerkannt. Insbesondere die USA sind nun sehr in Sorge, die ja anfangs fest geglaubt hatten, dass Assad den Aufstand niederschlagen würde, wenn man ihm nur genug Zeit gäbe. Der Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Nationalen Sicherheitsbehörde in Damaskus jagte den amerikanischen Politikern einen Schock durch die Glieder. Es demonstrierte nämlich die militärischen Möglichkeiten und die Reichweite der Handlungsfähigkeit des bewaffneten Widerstands. Es folgte eine Flut von öffentlichen Statements seitens der US-Politiker, die nun „alle Optionen auf dem Tisch“ sahen und ein militärisches Eingreifen nicht mehr ausschließen wollten. Einem möglichen Bürgerkrieg müsse ja vorgebeugt werden, und auch chemische Waffen könnten in die „falschen Hände“ fallen.
Doch die Reaktion der muslimischen Herrscher war weitaus schlimmer. Qatar, die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten – allesamt haben sie die Möglichkeit, den Konflikt binnen weniger Stunden zu beenden, doch stattdessen arbeiten sie für die Wahrung der Interessen der ungläubigen Weltmächte. Diese Länder unterstützten die Beobachtermission der Arabischen Liga, die im Grunde genommen tatenlos daneben stand, als Assad seine Gräuel an den Muslimen verübte. Hiernach unterstützten sie die bestens inszenierte UN-Mission Kofi Annans, die darauf abzielte, Assad mehr Zeit und politische Rückendeckung für seine Massaker an der syrischen Bevölkerung zu geben. Diese Staaten haben an Kontaktgruppen teilgenommen, an „Freunde Syriens“-Konferenzen und Oppositionelle beherbergt. Sie sind nichts weiter als billiges Werkzeug zur Umsetzung amerikanischer und europäischer Pläne.


Die Tatenlosigkeit der Türkei


Was die Türkei betrifft, so hätte sie effektive Maßnahmen ergreifen müssen, um den Konflikt zu beenden, anstatt symbolischer Handlungen. Denn die Umma benötigt weder Zelte noch Sicherheitszonen. Vielmehr muss der Diktator Assad beseitigt und das Land von seinem Schmutz befreit werden. Die Türkei, die eine gemeinsame Grenze mit Syrien hat, spielt in diesem Konflikt eine überaus wichtige Rolle. Doch bisher waren sämtliche ihrer Schritte gegen eine Befreiung Syriens. Auch in vielen anderen Angelegenheiten der jüngsten Vergangenheit hat die Türkei nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen und ihr Potential in keinster Weise ausgeschöpft.
Die Rolle der Türkei in der Welt entwickelt sich parallel zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Diese beiden Aspekte können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Die globalen Ambitionen und Anstrengungen der Türkei zielen auf ein Wirtschaftswachstum ab. Erdogan nutzt nämlich seine „Null Probleme mit den Nachbarn“-Politik dazu, Wirtschaftsabkommen und lukrative Deals für seine Unterstützer abzuschließen, die mittlerweile jene abgelöst haben, die dem türkischen Militär gegenüber loyal waren. Unter Erdogan hat sich die Türkei in mehreren regionalen Fragen engagiert – stets mit dem Blick auf neue Möglichkeiten für sein Land, die Erfolge zu festigen und den Widerständen auszuweichen. Deshalb ist sein ganzer Einsatz nur für die Türkei alleine und nicht für die gesamte Umma.
Die AKP-Regierung hat bislang an keiner Sache unabhängig gearbeitet oder gar nach eigenen Maßstäben politische Pläne entworfen. Vielmehr befindet sie sich in einem internationalen Geflecht zur Ausführung von Plänen, die von anderen entwickelt wurden. Was zum Beispiel die Zwei Staaten-Lösung betrifft, ein US-amerikanischer Plan, hat sich die Türkei an indirekten Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis beteiligt und zahlreiche Konferenzen abgehalten, um die Zwei Staaten-Lösung voranzutreiben. Weiterhin hat die Regierung Erdogans versucht, das Verhältnis zu Armenien zu normalisieren und wirtschaftliche Verträge im Kaukasus zu schließen, um so die Region zu dominieren. Denn diese Region wollen die USA in einen Puffer gegen die russische Expansion transformieren. Und dieser Einsatz für die Umsetzung von Plänen anderer hat letztendlich dazu geführt, dass die eigenen Staatsbürger in internationalen Gewässern auf dem Hilfsschiff Mavi Marmara kaltblütig hingerichtet wurden. Die Türkei konnte aufgrund der weltweiten öffentlichen Meinung noch nicht einmal angemessen auf das Massaker reagieren. Wären jedoch Israelis von türkischen Soldaten ermordet worden, so hätte die Antwort der Israelis mit Sicherheit anders ausgesehen als die der Türkei.
Eine untergeordnete Rolle in der Weltpolitik führt nun mal zu viel Gerede und wenig Handlung. So viel zu der Geschichte der Türkei unter der AKP. Eine solche Strategie wird am Ende nicht aufgehen, denn die Menschen erkennen, dass sich das, was gesagt wird, von dem unterscheidet, was in Wirklichkeit getan wird. Was benötigt wird, ist eine grundlegende Umwälzung der internationalen Lage, und das erfordert politisches Denken und Anstrengungen, die über die eigenen Landesgrenzen hinausgehen. Für die Türkei bedeutet dies den Einsatz für die Wiedervereinigung der gesamten Umma.
Die Türkei könnte den Syrienkonflikt jederzeit mit Leichtigkeit beenden, wenn sie nur wollte. Dadurch, dass man es der Freien Syrischen Armee gewährt hat, ihre Kommandozentrale in der Türkei zu betreiben, konnte man ihre militärischen Aktionen genauestens verfolgen und sicherstellen, dass sie keinen Zugriff auf schweres Geschütz erhalten. Dieser Umstand erlaubte es den USA, gezielt mit bestechlichen, verräterischen Individuen aus den Reihen der FSA einen Pakt zu schließen und im Gegenzug für schwere Waffen ihre Loyalität zu kaufen. Hierzu berichtete „The Telegraph“: Ein Untergrund-Netzwerk syrischer Oppositioneller erhält Ausbildung und wichtige Ausrüstung von einem amerikanisch-britischen Bündnis, um eine wirksame Alternative zum Regime in Damaskus zu schmieden. Dutzende von Dissidenten wurden aus Syrien übergesetzt um auf Eignung für ausländische Unterstützung überprüft zu werden. Rekruten werden einem zweitägigen Auswahlverfahren unterzogen, um sicherzustellen, dass das Programm nicht in die Falle zur Förderung sektiererischer Gruppen oder Al-Qaida ähnlicher Fundamentalisten gerät.“
Türkische Intervention
Assad greift nur noch auf die Republikanische Garde und die 4. Panzerdivision zurück, da der Rest der Armee überwiegend aus Sunniten besteht und er diesen nicht trauen kann. Ein türkische Intervention würde zwischen 20.000 und 80.000 Mann umfassen. Die Türkei kann auf ein Resort von über 1 Million Armeeangehöriger zurückgreifen. Die Besetzung Damaskus und Aleppos würde völlig ausreichen, um den Konflikt zu einem Ende zu bringen. Da die Türkei direkt an Syrien grenzt, bestehen nur kurze Versorgungswege, und ein Nachschub würde binnen kürzester Zeit von statten gehen, wenn nötig. Die schiere Größe der türkischen Streitkräfte würde Assads Truppen rasch überwältigen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass es im Zuge eines türkischen Vormarsches zu Massendesertationen in den Reihen der Assad-Truppen kommt. Dies hätte eine Kapitulation Assads zur Folge. Die Türkei hat eigene gepanzerte Personentransporter und Panzer, wohingegen Assad über keine nennenswerte Rüstungsindustrie verfügt. Syrien ist abhängig von ausländischen Waffenlieferungen und hätte so schwer unter seinen Verlusten zu leiden. Die Türkei kann fortlaufend eigenen Ersatz an Panzerfahrzeugen produzieren, wann immer erforderlich.
Eine Bodenoffensive kombiniert mit einem Luftangriff würde Assads Boden-Luft-Raketen-Batterien außer Kraft setzen. Die Türkei hat ein selbst entwickeltes Drohnensystem, dass Syriens Raketenabwehr ausschalten kann. Zudem verfügt die Türkei über 800 Kampfjets, 350 davon F-15-Jagdflieger. Diese Überschalljets hätten gegen Assads MiG aus Sowjetzeiten ein leichtes Spiel.
Türkeis südliche Basis Milatya in Diyarbakir wäre als Leitstelle und Kommandobasis für eine solche Operation geeignet. Die Kampfjets würden vom Luftwaffenstützpunkt in Konya starten, und die Drohnenbasen in Batman und Eriklit würden Luftunterstützung gewähren. Mehrere Flüge vom Stützpunkt in Incirlik würden die Kontrolle über den syrischen Luftraum sichern.
Ein entscheidender Unterschied zwischen der syrischen und der türkischen Luftwaffe besteht darin, dass die Türkei über moderne Unterstützungssysteme für seine Flugzeuge verfügt, mit dem Ergebnis, dass ein hoher Anteil an Flugzeugen stets einsatzbereit ist.
Es sollte klar sein, dass sämtliche Verhandlungen letztendlich nur dazu geführt haben, dass Assad weiter an der Macht bleibt. Die Zeit für Verhandlungen war bereits vorüber, als Assad mit seinem brutalen Gemetzel an den Muslimen anfing. Für die Türkei ist es an der Zeit, endlich Zähne in der Außenpolitik zu zeigen, und dass ihr die Interessen der Umma am Herzen liegen und Bashar Al-Assad ein für alle Mal sein blutiges Handwerk zu legen. Die Bereitstellung von Zelten für Flüchtlinge und die Einrichtung von Sicherheitszonen ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Einladung an Assad, das Morden fortzusetzen. Die Türkei hat sowohl die militärische Fähigkeit als auch den historischen Hintergrund des Osmanischen Kalifats um einer solchen Operation gerecht zu werden. Nun bedarf es lediglich des politischen Willens zum Handeln.