Die Freiheit ist ein Paradox. Denn wer sie radikal fordert, muss jenen, die sie ablehnen, die Freiheit entziehen, eine andere Meinung zu vertreten. Sie kann nur aufrechterhalten werden, wenn sie alle Anschauungen unterdrückt, die sie verneinen. Deshalb ist die Freiheit der größte Diktator und Kriegstreiber. Damit führt sie sich aber selbst ad absurdum.
Der Islam gehört zu jenen Anschauungen, die die westliche Vorstellung von Freiheit nicht vertreten und sie sogar für falsch erklären. Keine der vier Freiheiten, die der Westen definiert hat, findet sich im Islam wieder. Der überzeugte Muslim strebt auch nicht danach und fordert sie nicht ein, weil die Freiheit ein menschliches Konstrukt ist und keiner Offenbarung entspringt.
Aus diesem Grund ist vor allem der Islam ins Visier der Freiheit geraten, weil sie sich durch die Einstellung der Muslime bedroht sieht. Denn die Muslime verzichten freiwillig auf die Freiheit und lassen sich von ihren Verlockungen nicht beeindrucken. Daher entzieht man ihnen die Freiheit, sich für die Gesetze des Islam zu entscheiden, und unterwirft sie dem Zwang, den westlichen Freiheitsbegriff zu übernehmen.
Die Weigerungshaltung der Muslime, das Konzept der vier Freiheiten zu übernehmen, führt dazu, dass die fünfte Freiheit auf sie angewendet wird, die Noam Chomsky als die bedeutendste Freiheit herausstellte, in deren Namen die mächtigen Staaten in Wahrheit Kriege führen. Es ist die Freiheit des Raubens und Ausbeutens und Eliminierens von Menschen, die den Anschauungen, Interessen und Zielen der Großmächte im Weg stehen.
Um genau diese fünfte Freiheit geht es, wenn westliche Staatsführer, an ihrer Spitze die US-amerikanischen Präsidenten, davon reden, im Namen der Freiheit zu handeln, und andere Staaten bekriegen – ob durch eigenes oder Vasallen-Militär – und das Leid und den Tod unzähliger Menschen in Kauf nehmen. Mit dieser Freiheit sichern sich die mächtigen Staaten ihren Einfluss in ihren ehemaligen Kolonien, die selbst nicht mächtig genug sind, die fünfte Freiheit auf andere Völker und Staaten anzuwenden. Tatsächlich also geht es um die Eroberung und Beherrschung der Welt oder wichtiger Teile dieser. Blickt man auf die Geschichte der USA, so haben sie in ihrer Politik im Grunde nie etwas anderes getan, als die fünfte Freiheit anzuwenden.
Kennzeichnend für die fünfte Freiheit ist, dass sie nicht öffentlich werden darf und hinter der Fassade der vier Freiheiten verborgen gehalten wird. Sie tritt nie als fünfte Freiheit in Erscheinung, sondern steht immer für die Aufrechterhaltung der vier Freiheiten. Beispielhaft hierfür ist die berühmte Rede des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zur Lage der Nation, die er am 6. Januar 1941 vor dem Kongress hielt. Sie ist als „Four Freedoms speech“ in die Geschichte eingegangen. Darin heißt es: „In künftigen Tagen, um deren Sicherheit wir uns bemühen, sehen wir freudig einer Welt entgegen, die gegründet ist auf vier wesentliche Freiheiten des Menschen.“ Jede der vier Freiheiten, die er aufführte, ergänzte er mit dem Zusatz „überall auf der Welt“. Roosevelts Intention war es, der nicht kriegsgestimmten US-amerikanischen Bevölkerung implizit einen Grund zu liefern, warum die USA in den Krieg eintreten sollten.
Die fünfte Freiheit spielt sich im Hintergrund ab, denn sie existiert jenseits von Gesetz und Moral. Wer die fünfte Freiheit ausübt, muss keinerlei Konsequenzen fürchten, weil sie durch kein Gesetz eingeschränkt wird und moralische Maßstäbe außer Kraft gesetzt sind. Deshalb können UN-Soldaten hungernde Kinder während ihrer Einsätze missbrauchen, Frauen vergewaltigen und in die Prostitution zwingen sowie Zivilisten töten, ohne dafür belangt zu werden, während die Veröffentlichung dieser Zustände geahndet wird.
Der erklärte Kampf gegen den Terrorismus, der von den USA angeführt wird, stellt nichts anderes dar als die Ausübung der fünften Freiheit. Der Krieg in Afghanistan, im Irak, die Angriffe gegen Syrien usw. sind klassische Beispiele für die Realisierung der fünften Freiheit. Denn das eigentliche Ziel ist die Aufrechterhaltung des westlichen Einflusses in der jeweiligen Region und nicht etwa, den Menschen die vier Freiheiten zu gewährleisten. Bei jedem, der in Anlehnung an die Meinungsfreiheit eine Ansicht äußert, die nicht mit der Meinung der USA konform geht und ihre Interessen gefährdet, kommt die fünfte Freiheit zum Zuge, die im Extremfall zu seiner Liquidierung führt.
Die Diktatoren in der islamischen Welt sind ebenfalls eine Erscheinungsform der fünften Freiheit, die die USA in Ländern wie Ägypten anwenden. Nur deshalb hat der Arabische Frühling zu keiner positiven Veränderung in der islamischen Welt geführt und die Menschen in eine noch schlimmere politische Misere gestürzt. So ist die Militärdiktatur in Ägypten unter as-Sisi kein Ergebnis freier Wahlen, sondern eine mit der fünften Freiheit durchgesetzte Tyrannenherrschaft.
Die fünfte Freiheit äußert sich nicht nur darin, dass Konflikte und Kriege herbeigeführt werden, um Regionen nach den eigenen politischen Interessen zu formen, sondern auch in Antiterrorgesetzen in den westlichen Ländern. Dazu gehört z. B. auch, dass man vermeintlich verdächtigen Personen einfach den Ausweis entzieht, um sie an einer Ausreise zu hindern. Darunter fällt aber auch, dass die Menschen von Staaten und Geheimdiensten ausspioniert und ihre Daten massenweise gespeichert und weitergegeben werden, unabhängig davon, ob sie zum Kreis von Verdächtigen gehören oder nicht.
Das Phänomen überfüllter Flüchtlingsboote ist ebenfalls auf die fünfte Freiheit zurückzuführen. Die Menschen fliehen vor nichts anderem als den Krisen, Konflikten und Kriegen, die der Westen in Anwendung der fünften Freiheit in den Ländern der Flüchtlinge verursacht hat. Dennoch versucht sich der Westen aus der Verantwortung zu winden, was ebenfalls charakteristisch ist für die fünfte Freiheit.
Wenn also westliche Staatsmänner das Wort Freiheit in den Mund nehmen, geht es immer nur um eine Rechtfertigung für begangenes Unrecht oder für das Vorhaben, Unrecht zu begehen, ohne es wie Unrecht aussehen zu lassen.
ist ein Paradox. Denn wer sie radikal fordert, muss jenen, die sie ablehnen, die Freiheit entziehen, eine andere Meinung zu vertreten. Sie kann nur aufrechterhalten werden, wenn sie alle Anschauungen unterdrückt, die sie verneinen. Deshalb ist die Freiheit der größte
